Tot müde hockte Henry im ausgeliehenem Wagen und starrte leer aus dem Fenster. Ilus war der Fahrer. Während er aus dem Fenster starrte, wurde er wacher, als er etwas sah. Ungläubig rieb er sich die Augen und fragte nach: "Spinne ich oder fährt da jemand auf seinem Rasenmäher wie jeder andere Autofahrer?". "Ignorier den", winkte Ilus ab. Kiki gab zu: "Du könntest auf Schlimmeres in diesen Straßen treffen". Passend rief Mitya zwar warnend, dennoch ruhig: "Panzer". "Huch", Ilus drückte auf die Vollbremse und Henry schreckte auf, als ein Panzer vor ihren Nasen vorbei driftete. Entsetzt sah er dem Panzer nach: "Was?!". Mitya tat das ab: "Das können wir schon lange. Ilus?". Eine Seltenheit, Ilus grinsen zu sehen. Nur wollte das Henry in diesem Moment nicht. Er drückte auf das Gaspedal und Henrys Herz stieg mit der Geschwindigkeitsanzeige. "Festhalten, Teddybär", schmunzelte Ilus konzentriert. Henry sah sich im Wagen hektisch um, woran er greifen konnte, doch sah alles so aus, als brach es jeden Moment zusammen. Also wurde er in den Gurt gedrückt, als alles plötzlich mehrmals im Kreis ging. Der Schnee erlaubte ihnen nochmal mehr Schwung.
Fast schrammten sie einen anderen Autofahrer. Ilus rief nur kurz aus dem Fenster. Henry glaubte und hoffte, dass er Entschuldigung rief. Er war nur unglaublich froh, als sie wieder gerade fuhren und nichts soweit passiert war. Seine Hände zusammen faltend kniff Henry seine Augen zusammen: "Bitte keine driftenden Panzer mehr...!". Kiki lachte: "Willkommen in Russland". Ilus sank entspannter im Sitz zurück: "Ich habe ganz vergessen, welche Regeln außerhalb unseres Hauses galten...". Mitya lächelte: "Was bin ich froh, dass du es wieder einsiehst".
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Es wurde spät und sie waren immer noch nicht an ihrem Ziel angekommen. Eine Lösung entsprang von Kiki: "Laut Navi ist in einem Kilometer ein Klub mit einer Tankstelle. Dort könnten wir rasten". Henry fragte: "Wo schlafen wir?". Für sich selbst offensichtlich wiederholte Kiki: "Hinten ist ein Klub mit einer Tankstelle". Es aufgebend sank Henry ein: "Ach, was solls". Sie parkten vor dem Klub und gingen gemeinsam rein. Verwundert sah Henry auf den schlafenden Jurij in Kikis Armen: "Du nimmst ihn mit?". "Soll ich ihn zum Klauen im Auto lassen?", stellte sie die Gegenfrage. "Wer klaut denn Kinder?", quietschte Henry immer verstörter. Ilus blieb stehen und knurrte mit Blick auf den Boden: "Es gibt genug". Bedrückt sah auch Mitya zur Seite weg. Unbehagen ging Henry weiter: "Ich habe nichts gesagt...".
Man hörte bis nach draußen sehr viel Bass dröhnen. Henry konnte die Vibration sogar im Boden spüren. Alles wurde stärker, als sie in den Klub traten. Unerwarteter Weise waren sogar verhältnismäßig viele Leute da und tanzten wild umher mit Alkoholflaschen in ihren Händen. Ilus zog Henry etwas mehr rein, da er zögerlich am Türrahmen hakte: "Hier passiert dir nichts. Höchstens klaut man dir deine Schuhe. Warte kurz mit Kiki hier, ich gehe nachfragen". Mitya folgte ihm. Noch verwirrter sah Henry, wie Jurij immer noch schlief. Er fragte nach: "War auch der Vater Russe?". "Nö, wieso?", ahnungslos sah sie ihn an, "Stimmt etwas nicht?". "Nein, alles bestens", drehte Henry sich wieder weg.
Und als er zurück sah, hörte er die slavischen Brüder lachen und wie sie gemeinsam tanzten. Nun war Henry komplett verloren: "Sie können tanzen?". "Das nennt sich Jumpstyle und du kannst es an jeder Ecke hier lernen. Frag einfach irgendwen und du bekommst sogar eine Flasche Wodka geschenkt", erklärte Kiki locker, "Wie gesagt, willkommen in Russland". "Dafür sollte ich aber lieber nicht erwähnen, dass ich Amerikaner bin, oder?", schlussfolgerte Henry selbst. Da sah er im Augenwinkel, wie Ilus übel ausrutschte und hart den Boden kuschelte. Jedoch halfen ihm fast alle auf und gemeinsam wurde gelacht, ihm auf die Schulter geklopft. Henry realisierte etwas - Ilus' Laune.
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Irgendwann war er so müde, dass er auch im Stehen neben dem Besen bei der konstanten Bassmusik einschlafen konnte. Früh morgens hörte auch die auf. Wohl aber bekamen sie die Erlaubnis, dort tatsächlich zu übernachten. Als Henry aufwachte und aus der Besenkammer trat, sah er aber sowieso fünf bewusstlose Betrunkene auf dem Boden ruhen. Wen er nicht bemerkte, war Ilus, welcher direkt vor der Kammer hockte und dort schlief. Somit stolperte er über ihn rüber und weckte ihn damit. Sofort stand er auf und war wach: "Wir fahren weiter?". "Wie...?", fragte Henry, sich mit Schmerzen auf dem Boden welzend.
Irgendwo fand Ilus auch die drei anderen und sie fuhren so einfach weiter. Bis Henrys Magen laut grummelte. Das erinnerte Ilus: "Oh ja, ich habe auch Hunger". Kiki bot an: "Die hatten an der Tankstelle Schokoriegel". "Ob Mutter uns Frühstück machen würde...?", fragte Ilus eigentlich hoffnungslos. Mitya antwortete direkt: "Nein. Lieber wir fesseln sie an einen Stuhl und machen selbst etwas". Es machte Henry Angst, dass Ilus darauf nicht weiter einging. Mit jedem weiteren Kilometer wurde er ängstlicher. Schließlich fuhren sie durch ein bergiges Gebiet und sahen schon ein Feld mit Kühen. Kiki erwähnte lächelnd: "Ich habe Olgas Geschwister gesehen". Ilus hob die Augenbrauen: "Niemand wird von ihnen so sehr gehätschelt, wie Olga selbst von Shark". "Oder ich von dir", warf Henry ein. "Erstens, ich habe mich entschuldigt. Zweitens...", Ilus stockte, "Am besten, du sagst vor meiner Mutter erst mal kein einziges Wort". Mitya gab einen Tipp hinzu: "Und zieh den Ring aus". "Oh, in Ordnung...?", folgte Henry den Anweisungen.
Ilus parkte vor der Einfahrt zum großen Haus. Henry staunte: "Das ist wirklich viel hübscher als das Hotel. Wie aus einem Bilderbuch". Schwerer atmend meinte Ilus: "Ihr bleibt alle erst mal hier. Mitya, bist du einverstanden damit?". "Das sage ich nur einmal - Ja, Chef. Du hast absolut Recht", stimmte Mitya zu. So stieg Ilus aus und näherte sich dem Haus an. Mit jedem Schritt wurde er langsamer. Er konnte es nicht ganz verarbeiten, wieder dort zu sein, von wo er über Kontinente geflüchtet war. Hunderte Erinnerungen schossen durch seinen Kopf - an gute und schlechte Tage. Irgendwann stand er vor der Tür und hob nur schwer seine Hand. Er stellte sich einfach vor, als hätte er gerade mit Mitya im Schnee gespielt und nun wolle er wieder rein, um einen warmen Kakao zu trinken. Ruckartig drückte er zuckend schnell auf die Klingel und zog die Hand direkt zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen.
Vor ihm ging die Tür auf und er erkannte das Gesicht seiner Mutter wieder. Sie fragte ihn: "Hallo, wer sind Sie?". Alle Worte blieben Ilus quer im Hals stecken. Er fing an zu schwitzen. Ungeduldiger ging sie auf ihn ein: "Wollen Sie mir etwas verkaufen? Ich will nichts haben! Oder wollen Sie mich berauben? Dann werden Sie nichts Großartiges finden, ich bin nur eine alte Frau mit ein paar Tieren". Gerade so schaffte Ilus es, sich den Ring auszuziehen und ihn ihr zu geben. Als sie sich den Ring ansah, klickte es bei ihr: "Dieser Ring ist doch... Ist das wahr...? Silberne Augen und pigmentiert gestörte weiße Haare...? Ilus...?". Er nickte und schluckte schwer. Ihm blieb sämtliche Luft weg, als sie ihn einfach still in die Arme nahm.
Im Auto knurrte Mitya böswillig, riss die Tür auf und stieg ebenfalls aus. Nichts Gutes ahnend, folgte Henry eilig. Kiki dachte sich wenn schon, denn schon und kam auch nach. Gewaltsam riss Mitya Ilus an seiner Schulter zurück und starrte seine Mutter hasserfüllt an. Sie hielt sich die Hände erschrocken an den Mund: "Mitya, du bist auch hier... Ihr beide seid am leben, was für ein größeres Glück kann ich denn haben?". Die Brüder trugen gleichzeitig den selben zurück geschlagenen Blick. Henry verstand kein Wort, doch verstand er genug um zu wissen, nicht eingreifen zu müssen. Unter Tränen umarmte die Mutter nochmal beide Söhne gemeinsam und wimmerte: "Ihr seid so unglaublich groß geworden... Mitya, du bist ja größer als dein Vater es war... Und Ilus, du bist genau so schön und attraktiv geworden, wie ich es voraus gesagt habe...". Henry merkte, wie es Brüder waren. Sie fingen sogar gleichzeitig an zu weinen. Als auch Kiki sich eine Träne weg wischen musste, wurde Henry weich und hatte das Bedürfnis mit zu flennen.
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Generation Antihero
Action~BoyxBoy~ Der Tod seines besten Freundes und das versehentliche Geraten in einen Coup machen es Henry alles andere als einfach. Straßengang Chef Ilus hat effektive "Methoden", Henry mit seinen Problemen zu helfen. Im Gegenzug möchte Henry dem Bande...