Gleichgültig, was ich bin

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Um seine Gedanken von seinen Problemen zu lenken, kellnerte Henry wieder in Kikis Café. Das hatte er nun wieder regelmäßiger vor, wenn ihm kein anderer Job blieb. Alles war soweit in Ordnung, bis Zigz durch die Tür trat. An seiner Stirn klebte ein großes Pflaster, um seine Platzwunde abzudecken. Henry seufzte, rollte mit den Augen und wollte schon in der Küche verschwinden. Da hielt Zigz ihn fest: "Hey, hey, hey, einen kurzen Moment. Ich bin komplett alleine hier". "Ich bin nicht sauer auf dich, ich will nur keinen von euch gerade sehen", murmelte Henry und versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. Zigz hatte ihn weiterhin gut im Griff: "Ich will nur erwähnen, dass ich dich mittlerweile echt gut leiden kann. Doch war das vorhin wirklich nicht cool. Es ist zwei Jahre her, wo ich Ilus weinen und so verzweifelt sah. Wäre Shark nicht Shark, dann wäre er nun eventuell stark verletzt. Ich weiß nicht, ob Ilus das gezielt einschätzen konnte oder ob er kurzzeitig den Verstand verlor. Zumindest warf er einen brüchigen Stuhl nach ihm. Und sämtliche Gegenstände nach dem ganzen Rest von uns. Hör zu, ich würde dich sonst nicht so nennen, aber Henry. Er ist überfordert damit, dich zu schützen".

Henry machte seinen Standpunkt nochmal deutlich: "Dann soll er es lassen und mich leben lassen. Ich bin kein Kind mehr. Ja, ich hatte anfangs Angst. Wer hätte das nicht, wenn man immer in einem kuschelnden Haushalt aufgewachsen war? Aber ich lerne schnell. Sonst wäre ich ja nicht bereit für Harvard gewesen. Ich mag es nicht gesagt zu bekommen, meine Klappe zu halten, wenn ich meine Meinung habe. Gerne würde ich eurem System folgen und sagen, der Chef hätte Recht. Aber so ist er ja nicht mal mein Chef, er ist- Er ist nicht in der Rolle eines Chefes, sondern- Er hätschelt mich wie ein Haustier. Ich hatte mich meinem Kaninchen so gegenüber verhalten, als ich fünf war. Es starb nur wenige Wochen später. Ich hielt es zu sehr fest und über-kümmerte es. Wenn ich für euch alle schon ein unschuldiger, flauschiger Kuschelfreund bin, dann bedenkt auch die richtige Haltung und dass ein Nagetier beißen kann". Somit zog er den Schlussstrich und er ging letztendlich. 

Kiki stand die gesamte Zeit an der Bar und sah ihm großäugig nach. Zigz schluckte einmal: "Weshalb fühle ich mich jetzt schuldig...?". "Er beißt...?", war Kiki verwundert, "Was ist passiert?". Nervös hielt sich Zigz die Hand an den Hinterkopf: "Frag das doch Shark, ich muss zu Ilus!".

~~~

Dexter kochte gerade eine frische Lasagne, während er auf Henry wartete. Geduldig sah er auf die Uhr und nuschelte: "Er hat doch jetzt ein Auto, weshalb braucht er so lange...?". In dem Moment klackte das Schloss und die Tür ging auf. Müde rief Henry: "Sorry, musste noch den Abwasch machen". "Und du warst nicht so ganz bei der Sache?", fügte er ratend hinzu. Henry zog sich den Mantel aus und kam in die Küche: "Ich bin ein reinstes Chaos". Überrascht zog Henry scharf Luft ein: "Du hast Essen gemacht?". Dexter schmunzelte: "Wenn ich schon deine Wohnung besetze, dann sollte ich mich doch nützlich machen. Hab auch geputzt und etwas aufgeräumt". "Du darfst liebend gerne hier bleiben, so lange du willst", somit ließ Henry sich am Tisch nieder. Alles anrichtend fragte Dexter nach: "Nochmal - Bist du dir sicher, ob es richtig war, ihm alles so ins Gesicht zu drücken?". "Ich meinte davon doch nicht alles ernst. Er soll nur verstehen, dass ich auch auf mich selbst aufpassen kann. Wenn er wirklich damit überfordert ist, mich zu schützen -warum auch immer -, dann soll er es fallen lassen. Ich kann ihm wirklich behilflich werden. Besonders bei seinem Ring, offensichtlich...", stocherte Henry mit der Gabel im Essen rum.

"Ok, mach langsam", hielt Dexter ihn auf, "Sicherlich kannst du behilflich werden, aber... Das kann nun wirklich schrecklich nach hinten los gehen". Henry seufzte: "Ja, ich weiß das. Selbst wenn, ich könnte es weg stecken". Dexter verschluckte sich: "Jetzt im Ernst? Du weißt doch, was diese schmierigen Typen mit dir anstellen würden". "Eben, ich habe mich darauf schon eingestellt. Ich weiß, ich müsste es nicht mal lange aushalten, bis er mich retten kommen würde. Oder ich erschieße einfach, was mir zu nah kommt", zuckte er mit den Schultern. Besorgt hob Dexter seine Augenbrauen: "Henry, du bist... sehr gewagt...". "Schön ist es bestimmt nicht. Aber ich will ihm helfen", bestand Henry darauf. "Und er will, dass es dir gut geht", setzte er als Gegenargument. "Wie gesagt, er hat mir nichts zu verbieten. Bitten, Ratschläge geben - Ja. Aber mich an meine Wohnung zu ketten? Nein. In welcher Position müsste er stehen, um mir das erlauben können zu dürfen?", murrte er. Dexter nuschelte gegen seinen Teller: "Dein Freund?". Henry tat mit warnendem Blick mal so, als hätte er das überhört.

In Ruhe wollten beide normal weiter essen, da klingelte es. Dexter hielt Henry fest: "Ich gehe, du warst arbeiten". "Lass dich nicht erschießen", rief Henry noch nach. Da war es die Frage, ob das ernst gemeint oder aus Spaß war.

Die Tür ging auf und erst war es komplett still. Suspekt wollte Henry nachsehen gehen, da ertönte auf einmal Ilus: "Es tut mir leid, du hattest Recht. Ich sage die ganze Zeit, dass man dich nicht klein halten und unterschätzen soll, da du von größerer Kraft bist, aber ich behandel dich wie ein Kleinkind. So meinte ich das nicht. Ich bin zur Zeit nur sehr verwirrt und habe Schwierigkeiten, mich einzuordnen. Ich bin auch nur ein Mensch, mir passieren Fehler". Durch den Hunger schlang Henry die Lasagne so runter, dass er sowieso schon fertig war. Daher stand er auf und machte sich auf den Weg zu ihm. Während er hinzu trat, ergänzte Ilus: "Über die Jahre hat sich ein starkes Vertrauensproblem entwickelt. Ich will dir mehr vertrauen können, glaube mir. Daher werde ich dich auch wieder mit einbeziehen, wenn auch nicht immer in die erste Reihe. Koi braucht dringend Ruhe und ich weiß nicht ganz, wie belastbar du noch bist". 

Henry klappte ganz leicht der Mund auf, als er das blaue Auge bei Ilus sah. Beschämt nickte er: "Kommunikation ist da wohl wichtiger als irrationale Handlungen". Ilus fasste sich an den blauen Fleck und winkte ab: "Es tut schon nicht mehr weh". Es blieb still. Ruckartig setzte Ilus nach: "Im Sinne von, ich kann viel einstecken! Nicht, dass dein Schlag nicht sitzen würde! Fühl dich nicht schlecht, ergh-". Das Lachen von Henry brach die Anspannung: "Ich kann dir nicht allzu lange sauer sein". Zufrieden entzog Dexter sich aus der Situation: "Mein Essen wird kalt". Ilus nickte sofort: "Ich wollte euch nicht beim Essen stören, ich gehe dann auch wieder. Fühl dich frei, wann immer du willst, zurück zu kommen". Lächelnd umarmte Henry ihn nochmal: "Danke... Und ich werde nicht mehr trinken oder auch nur am Versuch scheitern, zu rauchen. Ich weiß, dass du beides abgrundtief hast und niemand braucht das. Wahrscheinlich wollte ich dir meine Meinung nur nochmal rein drücken...".

Er spürte, wie Ilus einmal schwer schluckte. Leiser wähnte er an: "Vorhin haben wir wieder versucht, die Bilder zu löschen, die von euch im benebelten Zustand gemacht wurden. Koi zitterte und sagte, er fühlte sich, als sei er fast vergewaltigt worden, sobald er die Bilder sah. Also fällt er jetzt tatsächlich etwas länger aus. Sein Bruder war so nett, rüber zu fliegen und zwei Wochen an seiner Seite zu bleiben. Ich war mir unsicher über deinen Zustand". "Besorgt und ängstlich sogar?", schmunzelte Henry. Plötzlich drückte Ilus ihn gegen die Wand und küsste ihn kurz. Nachdem er abließ, schielte er auf den Boden: "Ich hasse es, dich so zu sehen, wie du für alle zugänglich bist... Haustier oder Spielzeug, wie auch immer du es nennen willst... Das bist du beides nicht...". Leicht apathisch legte Henry seine Hand auf Ilus' Wange und sah ihn mit schnell klopfendem Herzen an. Mit skeptischem Blick spinkste Dexter aus der Küche nochmal um die Ecke und schloss rasch die Tür, als sie sich erneut küssten.

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