Wenn Kuscheltiere mit Waffen spielen

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Ilus beobachtete still, wie Koi seine Exfreundin konfrontierte: "Konnichiwa, Bitch. Du hast dich wirklich kein Stück verändert". "Soll ich das als Kompliment nehmen oder weinen wie du damals?", zischte sie zurück, während sie in den Armen ihres neuen Freundes stand. Koi lachte leicht: "Wenn du wirklich denkst, dass ich wegen jemandem wie dir geweint habe, musst du ganz schön viel von dir halten, was du nicht bist. Aber machen wir es kurz, ja? Ich will meine Bilder wieder". "Denkst du, ich schau sie mir noch an?", fragte sie gehässig. "Immerhin besitzt du sie", konterte Koi, "Du willst doch auch nicht mit mir reden, gib mir einfach den USB Stick. Wenn du willst, dann kaufe ich dir sogar einen Neuen mit mehr Speicherplatz". 

Weiterhin versuchte sie ihn zu provozieren: "Von welchem Geld? Habe gehört, dass deine Eltern dich raus geschmissen haben. Und welcher Arbeitgeber würde dir jetzt schon vertrauen?". Er zeigte hinter sich auf Ilus: "Der da". Ilus wies ihn zurecht: "Halt dich zurück". "Ups, hast du auch einen Neuen? Interessanter Job dann", grinste sie ihn an. "Uff, mit euch Leuten ist so einiges falsch. Na komm, rück ihn rüber", forderte Koi auf. Mit den Augen rollend gab sie ihm den Stick: "Du bist unglaublich schrecklich. Immer meinst du im Recht zu stehen, du machst keinen Spaß". "Ja, ja...", murmelte Koi und warf den USB Stick ein paar Mal in die Luft. Schließlich ließ er ihn auf den Boden fallen, zog seine Waffe und schoss drauf. Nicht nur das Mädchen und ihr Freund schreckten zurück, überall liefen welche panisch rum. Letztendlich schritt Ilus ein: "Koi! Packs weg und zieh dich zurück!". Stattdessen zielte Koi auf das Mädchen: "Großes, süßes Verlangen...". "Das ist ein Befehl!", wurde Ilus lauter.

Außer Puste kam Henry angerannt: "Stopp! Aufhören!". Schwer schnaufend stellte sich Henry vor Koi und atmete erst mal durch. Shota bekam ebenfalls etwas Angst: "Yasuo, woher hast du die Waffe...? Hast du geschossen...?". Sauer griff Ilus sich Koi an den Schultern und knurrte: "Ich habe dein auffälliges Verhalten genug toleriert! Du gehst jetzt in der Stadt spazieren und wir sehen uns für den Neunzehn-Uhr-Zug bei der Bahn, verstanden?". Stumm nickte Koi und ging los. Auf dem Weg drückte er seine Waffe Henry in die Hände: "Zum Sichergehen, Chef". Ilus durchfuhr ein Schock: "Nein!". Mit weiten Augen starrte Henry auf die Pistole. Shota lief aus Sorge seinem Bruder nach, da er nun noch mehr Fragen hatte als vorher.

Henrys Hände fingen an zu zittern. Sofort lief Ilus auf ihn zu und wollte ihm die Waffe wieder abnehmen, da griff Henry sie sich feste. Langsam ging sein Arm mit tot-leerem Blick hoch, während er Ilus ins Visier nahm. Mit Respekt und Vorsicht ging Ilus sachte ein paar Schritte zurück. Flüsternd wies er an: "Nicht...". Aber er merkte, dass Henry rein gar nichts mehr hörte. Für einen Moment wurde er zu einer leblosen Puppe, die man nicht kontrollieren konnte. Ilus traute sich nicht, sich rasch zu bewegen. Auch wenn gerade Videos und Bilder gemacht wurden, die wahrscheinlich an die Polizei gingen. Irgendwann zuckte Henrys Finger am Auslöser und Ilus kniff seine Augen zusammen. Er wusste, die Pistole war so gut wie vollständig geladen. Schließlich drückte Henry wirklich ab und traf Ilus in der linken Seite. Zwar mit großem Schmerz zuckte Ilus kaum und versuchte sich nicht weiter zu bewegen. Er legte Vertrauen in Henry, welches berechtigt wurde. Aus der Totenstarre raus ging Henry über zur Schockstarre, ließ die Waffe fallen und stand eingefroren da. Nur seine Hände zitterten wild und sein Herz raste. Den Moment nutzte Ilus, um sich Waffe und Henry zu schnappen und zu verschwinden. 

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Ilus hatte sich vier Verbände umgewickelt, damit im Flugzeug nichts auffiel. Es war schon schwer genug, so rein zu kommen. Henry kam aus der Schockstarre nicht raus. Selbst dann nicht, als sie wieder am Lager ankamen und der private Doktor sich sofort um Ilus kümmerte, sobald er schwach auf den Boden fiel. Koi lief mit ihm mit und erklärte: "Henry hat ihn vor ungefähr sechs Stunden angeschossen". Sie verschwanden in einem Zimmer, weshalb der Rest die Erklärung nicht mehr hörte. Doch alle zogen Waffen aller Art und knurrten Henry an, welcher nur erstarrt da stand und auf den Boden schaute. Bevor einer ihn attackieren konnte, sprang Shark vor ihn und schützte ihn. Der einzige, der nicht so aussah, als würde er Henry gleich umbringen, war Mitya. 

Er war aber der, der sich Henry griff und ihn in eine Badewanne voller kalter Wasser schmiss. Das brachte ihn immerhin zurück. Seinen gesamten Körper zusammen ziehend, fiepste Henry: "Es tut mir so leid...". "Es ist okay...", versuchte Mitya ihn zu beruhigen. "Er macht das alles für mich und ich schieße ihn an?", zog Henry sich selbst in den Zweifel. Mitya wollte weiter mit ihm reden, doch der Doktor platzte rein und fragte eilig: "Mitya, welche Blutgruppe hattest du nochmal? Nicht die Gleiche wie Ilus, oder?". Langsam schüttelte er mit dem Kopf. Shark fragte: "Wieder zu wenig? Nimm meins". "Zum achten Mal, ich kann dein B-Blut nicht in Ilus' A-Blut Körper pumpen!", wies der Arzt ihn zurecht. Henry fiel wieder etwas aus der sechsten Klasse Biologie-Unterricht ein und er rief auf: "Blutgruppe Null kann universal gespendet werden!". Verwundert nickte der Arzt: "Ja, aber wir haben niemanden hier". Hektisch sprang Henry aus der Wanne und rannte los. Keiner wusste, wohin.

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Koi war schon so weit, die gesamte Nachbarschaft zu scannen, gesuchte Person einfach auszuschalten und deren Blut zu nutzen. Da wand Zigz ein, dass Fremde eine zu hohe Gefahr auf Krankheiten mit sich trugen. Der Doktor konnte nicht operieren, da Ilus sonst zu viel Blut verlor. Nochmal ihn ins Krankenhaus zu schleppen konnte sich keiner vom Ruf her leisten. Ratlos saßen sie also da. Mit langsamem Herzschlag lag Ilus schlafend auf einem Tisch. Von unten hörten sie einen Aufruhr: "Ich bitte dich! Bitte, bitte! Du musst das tun!". "Henry, dieser Ort sieht nicht steril aus! Da fehlt ein Teil der Wand!", wehrte Dexter ab. Dennoch zerrte er ihn rein und führte ihm die Situation vor Augen: "Ich habe dich nie um etwas derart Schlimmes gebeten...! Du kannst jetzt nicht Nein sagen...!". Dexter sah ihm erschrocken in die tränenden Augen. 

Danach schluckte er einmal und kramte in seinem Rucksack nach etwas. Er reichte es für ihn logisch an den Mann mit dem Kittel weiter und erklärte heiser: "Mein Name ist Dexter Forget. Ich besitze die Blutgruppe Null". Kurz sah der Arzt in den Ausweis und nickte ab: "Das ist wirklich großzügig von dir, dein Blut zu spenden". 

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Im ganz frühen Morgengrauen wachte Ilus auf. Er sah sich um und spürte wieder ein Ziehen in seiner linken Seite. Im Glauben daran, dass Koi bei ihm sei, nuschelte er: "Ich hatte Recht, nicht wahr...?". Eine leicht verschlafene Stimme ertönte: "Hm?". Verwundert sah Ilus rüber und sah im Bett am anderen Ende des Raumes Dexter liegen. Überall klebten Blutflecken, auf Boden und Kleidung. "Scheiße, wurde jemand massakriert...?", fragte Ilus. "Sozusagen ich... Dir ging der Brennstoff aus und wie gesagt... Hier ist nichts steril, man schludert gerne. Aber hey, wir beide leben", erklärte Dexter. Ilus hakte weiter nach: "Also hast du mir das Leben gerettet?". "Henry war es. Ich war eigentlich kurz davor, in einen Flieger zu treten und nach Kairo zu reisen. Gerade so hat er mich abgegriffen und gegen meinen Willen hierhin gezerrt. Aber es ist ein gutes Gefühl... Hätte ich abgelehnt und du hättest ins Gras gebissen, hätte ich mich wahrscheinlich total dreckig gefühlt", säuselte er vor sich hin, "Aber nicht so dreckig, wie Henry sich momentan fühlt... Zwar habe ich ihn seit Jahren nicht gesehen, dennoch habe ich ihn noch nie so weinen und flehen gesehen...".

"Du warst nicht dabei, als sein bester Freund gestorben ist...", murrte Ilus. Nun seufzte Dexter: "Das stimmt... Du etwa schon?". Ilus antwortete nicht. In einem Ruck setzte Dexter sich auf: "Im Ernst?!". Halb in Gedanken erzählte Ilus: "Wir fuhren gerade über eine Brücke, als wir wie eigentlich jede Woche sahen, wie jemand Suizid begann. Ein brauner Lockenkopf, mehr konnte ich nicht erkennen. Wir sind schnell dran vorbei gefahren. Nein, auch ich habe Henry nicht weinen gesehen. Nicht an dem Tag... Aber wann anders...". "Bestimmt war es nicht so schlimm, wie das gestern Abend. Ich meine es ernst. Henry kann nicht mehr ohne dich", meinte Dexter. "Ich weiß...", kam als einziges zurück.

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