Deine Flügel werden wachsen

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Wieder war sie komplett zerbrochen. Ihre Selbstzweifel nahmen die Überhand an. Was sollte sie denn tun? Sie war viel zu schwach für all das. Wie sollte sie das alles denn Stemmen können? Konnte das nicht jemand stärkeres für sie machen? Sie konnte das alles nicht mehr. Schon ihr ganzes Leben lang musste sie kämpfen. Langsam hatte sie keine Kraft mehr. Sie fühlte sich all dem einfach nicht mehr mächtig.  Wie machten das nur andere? Hatten andere keine Zweifel? Waren andere immer glücklich?  Das konnte doch nicht sein. Oder etwa doch? Was war bei ihr damals nur schief gelaufen? Sie wollte doch auch nur glücklich sein. Einmal wenigstens. So viel war in ihrem Leben schon schief gelaufen. Wie oft sie schon kurz davor war aufzugeben und dann doch weitergekämpft hatte. Wäre es vielleicht besser gewesen aufzugeben? Sie wurde doch nur mit jedem mal das sie weiter kämpfte immer schwächer. Sie schaffte das alles doch einfach nicht mehr. Warum? Warum hatte sie jedes mal auf andere gehört und weitergekämpft? Hätte sie nicht einfach aufgeben können? Dann wäre sie jetzt glücklich. Doch was war. Mit jedem mal wurde sie unglücklicher. Immer mehr Menschen stellten sich gegen sie. Warum musste es denn alles immer schlimmer werden? Sie wollte das nicht mehr. Wie zerbrechlich sollte sie denn noch werden? War sie nicht schon zerbrechlich genug? Anscheinend ja nicht. Anscheinend sah sie von außen noch stark genug aus. Im inneren allerdings gar nicht mehr. Sie war so kaputt. Am liebsten würde sie jetzt einfach alles hinschmeißen und aufgeben. Doch dann würden sie wieder alle daran hindern, 2 Tage mit ihr Beste Freunde spielen und danach noch stärker kaputt machen als sie es so schon taten. Sie kannte das alles doch schon. Warum sollte es jetzt anders sein? Es war doch immer das selbe. Sie hatte einfach keine Kraft mehr für all das. Schon seit einigen Minuten saß sie komplett Tränenüberströmt im Bad auf dem Boden. Wieder nahm sie sich das Messer. Wieder fing sie an sich zu ritzen. Neue Wunden die zu ihren Narben auf dem Arm dazu kamen. Das Blut tropfte auf den Boden. Sie spürte wieder etwas Leben in sich. Da einzige was ihr noch zeigte das sie noch lebte. Den Schmerz nahm sie gar nicht wahr, spürte nur das sie lebte. Ein Lebenszeichen das sie noch Kontrolle über sich selbst hatte. Die Tränen bildeten schon Bäche auf ihren Wangen. Sie konnte das alles doch nicht mehr. Die besten Voraussetzungen hatte sie gerade um einfach aufzugeben. Was wäre wenn sie jetzt einfach aufgeben würde? Sollte jemand anderes für sie dieses Leben weiter leben. Jetzt konnte sie niemand aufhalten. Würde sie überhaupt jemand vermissen, wäre sie nicht mehr hier? Wahrscheinlich nicht. Aber weiter kämpfen konnte sie auch nicht. Dazu war sie zu schwach. Also warum tat sie es nicht? Dann wäre sie endlich glücklich. Das Messer hatte sie noch in der Hand. Es aushalten konnte sie hier nicht mehr. Gerade als diesen Entschluss gefasst hatte, hörte sie ihn. Was machte er denn jetzt hier? Hatte sie wenigstens die Badezimmertür abgeschlossen?  Sie wollte nicht das er sie so sah. Allein schon weil er sie dann wieder aufhalten konnte. Genau das wollte sie doch nicht. Dann würde sie nie glücklich werden. Doch wie sollte es anders sein hatte sie leichtsinnig wie sie war die Tür nicht abgeschlossen. Sie hörte schon sein rufen und kurz darauf kam er auch schon ins Bad gestürzt. Er wusste was derzeit in ihr vorging. Wie sie sich fühlte. Er wusste, er musste sie retten bevor es zu spät war, ging es ihm durch den Kopf als er vor ihrer Tür stand und diese aufmachte. Als er die Badezimmertür öffnete bliebe wie versteinert stehen. Verdammt sie war schonwieder so weit gegangen. Er musste ihr jetzt helfen. Unbedingt. Er wusste wie schwach und verletzlich sie doch eigentlich war auch wenn sie nach außen hin immer die Starke spielte. Warum war er hier? Warum gerade jetzt?, ging es ihr durch den Kopf. Was wollte er überhaupt hier? Als ob er sich für sie interessieren würde. Er kam auf sie zu, setzte sich neben sie auf den Boden. Sie verstand nichts mehr. Warum setzte er sich jetzt neben sie? Warum war er nicht schon längst wieder gegangen nachdem er sie so kaputt sah? Immer mehr Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Er wusste, er musste jetzt für sie da sein. Vorsichtig und behutsam fing er an zu sprechen:"Kleine, bitte hör mir zu. Du bist so toll. Du bist so wundervoll. Auch wenn du es vielleicht gerade nicht sehen magst aber du bist so ein wertvoller Mensch für uns alle. Wir lieben dich alle. Wirklich." Sie hörte die Worte, konnte jedoch nicht wirklich glauben. Wenn sie jemand lieben würde dann würde sie sich doch nicht so allein und wertlos fühlen. Er log doch. Von wegen alle liebten sie. Ein kleiner Schluchzer entwich ihr. Verdammt sie glaubte ihm nicht, schoss es ihm durch den Kopf. Wie konnte er es ihr nur klar machen. Er musste sich etwas einfallen lassen. Wenn möglich etwas sehr orginelles. Da fiel ihm ein Lied ein. Ein Lied was jetzt vielleicht besser denn je passt. Vorsichtig fing er an:"Hör zu. Ich weiß du glaubst mir gerade kein Wort aber es ist wirklich so. Vielleicht kann ich es dir so besser verdeutlichen. Dir geht es gerade nicht gut. Das weiß ich. Doch du wirst genau an all dem Schmerz den du gerade hast wachsen. Gerade bist du noch schwach." Sie unterbrach ihn schluchzend:"Ich werde doch nicht stärker daraus. Ich werde doch nur von mal zu mal immer schwächer. Als ob ich davon stärker werden sollte." Er musste sie noch viel vom Gegenteil überzeugen. Vorsichtig sprach er weiter:"Doch du wirst davon stärker. Stell es dir doch so vor. Gerade eben bist du noch schwach doch du wirst stärker. Deine Flügel werden wachsen. Und irgendwann werden deine Flügel gewachsen sein und di bist stark und kannst über all die Zweifel hinweg fliegen. Sieh es doch so. Da kannst du mir vielleicht glauben." Er sah sie an. Sie wusste nicht genau. Diese Vorstellung war echt schön. Was wenn es wirklich so war? Wünschen würde sie es sich auf jeden Fall. Irgendwie fand sie es ja schon schön gesagt. Vielleicht sollte sie ihm jetzt einfach für diesen Moment glauben. Er hatte ja vielleicht doch recht. Mit zittriger und tränenerstickter Stimme antwortete sie ihm:"Okay, ich glaube dir. Zwar erst einmal nur für diesen Moment doch ich glaube dir. Das hast du echt schön gesagt und du könntest recht haben." Er war froh sie etwas überzeugen zu können. Ihm war klar das sie ihm wohl nie ganz glauben würde doch für den Moment war er froh sie vor schlimmeren bewahrt haben zu können und ihr etwas Kraft geben zu können. Sie kuschelte sich während den Gedanken an ihn. Er wusste, irgendwann würde sie es auch noch sehen das sie wertvoll ist. Ihre Flügel müssen noch wachsen und bis dahin würde er immer für sie da sein.

Silbermond OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt