1. Ein Schreck in den frühen Morgenstunden

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Es war 5:00 Uhr morgens, als die idyllische Stille von einem lauten Klingeln zerissen wurde. Unzufrieden brummend stieß das hellblonde Mädchen den außerordentlich penetranten Gegenstand von ihrem Nachttisch. Es gab heute sowieso keinen Grund aufzustehen. Die Welt hatte sie schon gerettet. Sie war der Champion Alolas. Sie hatte Necrozma, Lunala und einen Haufen merkwürdiger Ultrabestien gezähmt. Sie war eine Heldin.
"Und Helden müssen nicht früh aufstehen!",
beschloss sie nickend. Ihre Pokémon hatten jedoch andere Pläne. Fuegro saß auf ihren Füßen und sah sie herausfordernd an, als wollte er sie mit Blicken zum aufstehen zwingen, Cosmog zwitscherte fröhlich über ihrem Kopf vor sich hin und Mimigma versuchte bereits die Tür zu öffnen.
"Also gut, ich steh auf..."
Auch Helden haben wohl keinen freien Tag, wenn sie Pokémon haben, die auf sie angewiesen sind. Im Normalfall bildete sie sich nicht wirklich etwas auf ihre Titel und Errungenschaften ein, aber wenn es um ihren wertvollen Schlaf ging, war das etwas anders. Im Gegensatz zu vielen anderen Bewohnern Alolas, war sie nämlich der Meinung, dass ihre Pokémon die Welt gerettet hatten. Immerhin hatte sie Necrozma nicht persönlich, per Hand zu Fuß, besiegt. Fuegro, Lunala, UHaFnir, Amigento, Agoyon und Lavados hatten Necrozma am Ende besiegt, nicht der Trainer der hinten dran stand.

Aber genug davon, sie hatte nicht vor den restlichen Tag mit Gedanken über vergangene Erfolge zu vertrödeln. Schnell machte sie sich fertig und ging mit ihren Pokémon in den Garten um zu frühstücken. Lunala kam wie jeden Morgen von ihren nächtlichen Streifzügen zurück, um mit ihnen zu frühstücken. Vermutlich würde sie dann wieder den ganzen Tag schlafend in der Garage verbringen.

Doch etwas war an diesem, ansonsten so gewöhnlichen Morgen anders. Erst fiel es ihr nicht auf, doch als Lunala ihr zur Begrüßung den Kopf entgegen streckte, konnte das Mädchen einen feinen Riss in ihrem Nackenschild erkennen. Verwundert zog sie den Kopf des Pokémons näher an sich heran. Überall auf dem Körper des Pokémons waren Schrammen und Schnitte zu finden. Das Mondpokémon roch außerdem merkwürdig und schien seltsam abwesend, fast so, als bedrückte es irgendetwas. Nachdem das Mädchen Lunala abgesucht hatte, konnte sie auch identifizieren nach was Lunala stank. An den Klauen des Pokémons, klebte Blut. Erschrocken schnappte sie sich den dazugehörigen Pokeball - eine neue Erfindung die ihr Professor Eich und Lilly aus Kanto geschickt hatten -, ließ die anderen Pokémon im Garten zurück und rannte zum Pokecenter.

Schwester Joy war entsetzt als die junge Trainerin ihr den Pokeball in die Hand drückte.
"Was ist geschehen?"
Azura zuckte verzweifelt mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht! Als sie heute morgen von einem ihrer üblichen, nächtlichen Spazierflüge zurück kam, habe ich sie so vorgefunden."
Die Pinkhaarige inspizierte vorsichtig den geschundenen Körper des Pokémons.
"Ich kann mir nicht erklären woher solche Kratzer kommen können. Sie sind riesig! Was auch immer die hinterlassen hat muss gleich groß oder größer als Lunala gewesen sein."
Erstaunte, türkisfarbene Augen musterten die Krankenschwester.
"Wurde sie etwa in einen Kampf verwickelt?"
Die Angesprochene schien unsicher.
"Die Kratzer sind so groß, dass ich eher von einem Zusammenstoß mit einem Gebäude ausgegangen wäre. Aber sie sind so tief und gleichmäßig, dass sie eigentlich nur von Krallen stammen können. Außerdem spricht die Form der Kratzer für sich selbst. Aber wirklich sicher macht mich das hier."
Sie tippte ein paar mal gegen Lunalas Krallen.
"Es klebt Blut daran, aber es ist nicht ihr eigenes. Wir haben hier nichts womit wir das Blut analysieren können, sonst könnten wir so heraus finden was passiert ist. Für den Notfall bewahre ich trotzdem eine Probe davon auf."

Die blonde Trainerin sah seufzend dabei zu, wie ein paar rosa Pokémon Lunala mit in den hinteren Teil des Gebäudes nahmen. Sie war verwirrt. Es gab nicht viele Pokémon die groß genug waren, um Lunala die Stirn bieten zu können. Ebenso hatte in etwa die Hälfte davon keine langen Krallen. Die Pokémon denen so etwas möglich gewesen wäre, konnte sie jedoch mit Sicherheit ausschließen und an einer Hand abzählen:
Die Kapus waren die Beschützer der Insel. Außerdem waren sie mit Lunala befreundet und würden sie niemals angreifen. Solgaleo war sicher in der Ultrametropolis zu Hause und befand sich ebenfalls nicht mit Lunala im Streit. Necrozma selbst war gerade irgendwo im Universum auf der Suche nach einem Artgenossen. Es war zwar nicht wirklich mit Lunala selbst befreundet, doch respektierte es Azura und verdankte ihr seine Freiheit. Amigento könnte möglicherweise auch noch in Frage kommen, doch sie und Gladio waren immer in der Nähe des Pokémons, sodass es unmöglich war, einen Kampf zwischen Lunala und Amigento nicht zu bemerken.

Mord im MondscheinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt