13. Ehrenamtlicher Einsatz

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Es war früh am Morgen. So früh, dass die Sonne noch nicht aufgegangen und der Himmel dunkel war. Doch obwohl es so früh war, war eine junge Frau bereits munter dabei, ihre Arbeit zu verrichten. Sie hatte mehrere hundert Holzsplitter vor sich auf dem Boden ausgebreitet und räumte diese aufmerksam von links nach rechts und wieder zurück. Ihr Arkani ließ währenddessen seine Nase aufgeregt über die Splitter fahren. Von Zeit zu Zeit bellte es stolz. Dann schob seine Trainerin den Splitter auf einen kleinen Haufen. Sie selbst suchte die Splitter mit einer Lupe nach jedem noch so kleinen Indiz ab.

So arbeiteten die beiden mehrere Stunden lang. Irgendwann puzzelten sie die rausgelegten Stücke zusammen. Das Ergebnis ließ die Rothaarige irritiert die Stirn runzeln. Nach einer Weile richtete sie sich auf und ging entschlossen auf ihr Galoppa zu, welches ein wenig entfernt graste. Als es sie sah, kam es jedoch direkt auf sie zu. Brav ließ es sie aufsteigen, während sie Arkani zurück in den Ball rief. Diese Erkenntnis war der Beweis den sie gebraucht hatte. Der Beweis für alles, woran sie seit Jahren mit ganzem Herzen glaubte. Sie trieb das Pokémon mit entschlossener Stimme zur Eile und es verfiel augenblicklich in einen runden Galopp.

~~~

Am Frühstückstisch herrschte eine unangenehme Stille. Und auch wenn hier unangenehm stand, konnte jeder der Anwesenden bestätigen, dass damit wirklich sehr unangenehm gemeint war. Am unangenehmsten. Es herrschte so dicke Luft, dass man sie hätte schneiden können. Allerdings betraf das nur den Großteil der Anwesenden. Azura betraf es nicht. Sie saß in aller Seelenruhe auf ihrem Stuhl und rührte Honig in ihren Tee, wärend sie das Spektakel mit dem gleichen Interesse verfolgte, wie andere Leute eine Fernsehsendungen beobachten würden. Der kreisrunde Tisch machte das ganze zum perfekten Schauplatz und Azura wartete gespannt darauf, dass gleich jemand den ruhigen Morgen ins Chaos stürzen würde. Vorzugsweise Gladio.

Gladio und Lilly saßen sich gegenüber. Neben Lilly - zu nah neben Lilly - saß Gary. Gladio versuchte Lilly und Gary gerade gleichzeitig mit bösen Blicken zu strafen, während Lilly herausfordernd und Gary nicht weniger bissig zurück funkelten. Auch Tali ließ es sich nicht nehmen, dem Trainer aus Kanto ein paar vernichtende Blicke zuzuschleudern. Eine der Bediensteten die Gladio eine Tasse Kaffee gebracht hatte, war zögernd ein paar Schritte von ihm entfernt stehen geblieben, als fürchtete sie, er würde die Tasse sonst nach Gary werfen. Nicht ganz zu Unrecht, wie Azura gestehen musste. Während Lilly verärgert ein Messer ihn den Käseleib vor sich stach, versenkte Gladio ungewohnt rabiat die Zähne in seinem Brötchen. Tali hatte den Mund bereits für eine zynische Bemerkung geöffnet, als - ganz zu Azuras Ärger - ihr Drama plötzlich unterbrochen wurde. Eine Polizistin ritt auf ihrem Galoppa in die Eingangshalle und verursachte damit ein allgemeines Aufseuftzen unter den Bediensteten und ein pikiertes Schnauben bei der Pokémontrainerin.

"Aloha."
Sie stieg ab und rief ihr Galoppa in den Ball.
"Aloha", grüßten die anderen genervt zurück. Die rothaarige Polizistin sah mit hochgezogenen Augenbrauen in die Runde, ehe sie in trockenem Tonfall verkündete:
"Ohne euer liebliches Kaffeekränzchen unterbrechen zu wollen, würde ich gerne mit dem Champion unter vier Augen sprechen."
Tali, Gladio und Azura wechselten besorgte Blicke und schließlich nickte Gladio.
"Alle und Gary gehen bitte raus."
Die Bediensteten flüchteten geradezu aus dem Raum. Sie schienen jeder Form eines Gespräches nur allzu gern aus dem Weg zu gehen. Lilly schien ihren Bruder währenddessen mit ihren Blicken erdolchen zu wollen.
"Dein Ernst, Gladio?"
Gladio verengte finster die Augenbrauen.
"Du kannst auch gleich mit rausgehen!"
Gary legte der Forscherin beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.
"Ist schon gut. Ich warte draußen."
Ein Aufschrei von Gladio ließ ihn zusammenzucken.
"Nicht anfassen!"
Er seufzte nur und folgte dem letzten Dienstmädchen welches den Raum verließ.

Nun deutlich leerer, wirkte die Eingangshalle viel größer als zuvor. Die Polizistin zog eine Augenbraue in die Höhe und sah skeptisch in die Runde.
"Also unter vier Augen verstehe ich etwas anderes."
Azura starrte zurück ohne zu blinzeln.
"Sie wissen alle von dem... Vorfall. Wenn Sie mir dazu etwas sagen wollen - und das nehme ich stark an - können sie es vor allen sagen, dann spare ich mir die Wiederholung."
Sie zuckte mit den Schultern.
"Wie Sie wünschen. Ich darf doch?"
Dabei zeigte sie auf den nun leeren Stuhl von Gary. Lilly nickte nur kühl und besah Gladio mit einem vernichtenden Blick. Die Rothaarige setzte sich und verschränkte die Finger ineinander.
"Ich arbeite mit an dem Fall Professor Mohn."
Azura nickte wissend.
"Nun ja, als Polizistin stehe ich im Dienst der Insel. Das bedeutet vor allem, dass ich nur dort ermitteln darf, wo mein Vorgesetzter mir die Erlaubnis erteilt."
Sie holte kurz Luft und schloss die Augen.
"Das schließt meine heutige Ermittlung aus."
Tali sah skeptisch auf.
"Sie haben illegal ermittelt?"
Sie zuckte schuldbewusst zusammen.
"Ich nenne es Einsatz im ehrenamtlichen Willen."
Lilly starrte sie entsetzt an.
"Warum um Himmels Willen sollten Sie so etwas tun? Liegt Ihnen denn gar nichts an Ihrem Job?!"
Die Rothaarige drehte beleidigt den Kopf in ihre Richtung.
"Natürlich ist mein Job mir wichtig! Das bedeutet aber nicht, dass er meine oberste Prioritäten ist."
Gladio stützte müde die Ellenbogen auf die Tischplatte.
"Was zur Hölle wollen Sie denn überhaupt von uns? Wollen Sie uns jetzt verhaften aufgrund von Beweisen die Sie illegal erworben haben?"

Mord im MondscheinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt