Mord im Mondschein

28. Im allgemeinen Chaos

Tali und Nana hatten nach der "Entführung" nur tatenlos zusehen können, wie Lilly und Gary versuchten, sich dem Kommissar zu widersetzen. Panisch raufte Tali sich die Haare.
"Wir müssen ihnen irgendwie helfen!"
Nana sah entsetzt zu dem Kommissar, welcher ein gigantisches Onyx in den Kampf gerufen hatte.
"Nein, nicht! Lilly pass auf!"
Ihr schriller Aufschrei ging in einem lauten Tosen unter, als das Onyx seinen massiven Steinkopf auf den Boden donnern ließ. Eine riesige Staubwolke wirbelte auf und machte es unmöglich weiter als bis zu den eigenen Fußspitzen zu sehen. Trotzdem stürzten beide auf die Stelle zu, wo ihre Freunde eben noch gestanden hatten. Weit kamen sie jedoch nicht, da hinter ihnen eine Tür aufging und sie jemand in das Haus zerrte. Hustend rieb Nana sich die Augen.

"Wer-?"
Professor Kirsch sah besorgt auf die beiden herab, wie sie hustend auf seinem Fußboden saßen.
"Was ist denn da draußen los?"
Tali starrte zuerst ihn, dann die Pizza auf der Küchenzeile entgeistert an.
"Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, dass wir heute auf der Suche nach Ihnen mehrmals - ich betone MEHRMALS - beinah umgekommen wären, während Sie hier drinnen in aller Seelenruhe Ihre Pizza gemampft haben?!"
Professor Kirsch senkte entschuldigend den Kopf.
"Verzeihung. Mir war nicht bewusst, wie bald ihr meine Hilfe benötigen würdet."
Tali funkelte ihn vorwurfsvoll an.
"Es geht hier um Leben und Tod! Jede Sekunde zählt."
Nana ging beschwichtigend dazwischen.
"Trotzdem danke für die Rettung."
Dann schüttelte sie ungläubig den Kopf.
"Dass er so weit gehen würde,  hätte ich nicht gedacht."
Auf Professor Kirschs fragenden Blick hin, erklärte sie:
"Kommissar Wolf hat sein Onyx auf Lilly und Gary gehetzt."
Ihre Stimme zitterte. Tali warf ihr einen besorgten Blick zu. Dann linste er vorsichtig durch eines der Fenster auf die Straße.
"Verdammt!"
Er duckte sich rasch unter den Fenstersims. Der Professor und Nana hoben fragend den Kopf.
"Was ist?"
"Die suchen nach uns."
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Tali zerrte Nana hinter die Küchenzeile.
"Kein Wort."
Stumm lauschten sie dem nun energischen Klopfen an der Tür.

Professor Kirsch öffnete langsam.
"Gibt es ein Problem, Kommissar?"
Seine Stimme klang ungewöhnlich kühl. Kommissar Wolf hatte erschrocken die Augen geweitet.
"Professor Kirsch! Verzeihen Sie die Umstände."
Er versuchte unauffällig an dem Professor vorbeizusehen, doch dieser stellte sich ihm in den Weg.
"Suchen Sie etwas?"
Ein anderer Polizist antwortete.
"Zwei Verbrecher auf der Flucht. Eine rothaarige ehemalige Polizistin und Halas Neffe."
Der Professor sagte noch etwas, doch Nana hörte nicht mehr zu.

"Ehemalige Polizistin?"
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Keuchen.
"Die haben mich ohne Weiteres aus dem Dienst entlassen!"
Tali sah sich währenddessen neugierig um.
"Und ich werde wohl immer nur Halas Neffe sein. Egal, was ich tue."
Viel zu sehen gab es nicht. Auf einer Komode standen ein paar Fotos von verschiedenen Pokémon, einige Pokébälle, eine Flasche Parfüm und ein Paar weiße Handschuhe. An der Wand hingen Karten von den verschiedenen Regionen und mehrere Kittel. Auf dem Küchentisch lagen Reagenzgläser und eine Schutzbrille. Tali seufzte. Es sah genauso aus, wie bei Professor Kukui. Hier gab es nichts, was ihm weiterhelfen konnte.

Die Tür wurde wieder geschlossen. Professor Kirsch schüttelte kurz den Kopf.
"Da kommt man einmal nach Alola..."
Er sah Tali und Nana fragend an.
"Ich denke, ihr solltet vorerst hier drin bleiben. Ich habe mich heute mit ein paar Leuten unterhalten und einige fragen sich bereits, ob an der Geschichte des Kommissars nicht etwas dran sein könnte."
Er öffnete die Haustür wieder.
"Ich werde mich wie besprochen nach Hinweisen umhören, noch bringt mich keiner mit euch in Verbindung."

Als der Professor das Haus verlassen hatte, setzten sie sich an den Küchentisch. Nana hatte nachdenklich die Stirn in Falten gelegt.
"Irgendwie finde ich es merkwürdig, dass die Dorfbewohner jetzt auf einmal nicht mehr hinter Azura stehen. Die ganze Zeit sah es so aus als würden sie ihr glauben."
Tali nickte zustimmend.
"Ich verwette meinen Titel als Inselkönig darauf, dass Wolf irgendjemanden von hier auf seine Seite gezogen hat, damit er Gerüchte verbreitet. Die Dorfbewohner vertrauen keinen Außenstehenden und Azura wohnt schon länger hier, als der Kommissar."
Die Rothaarige sah ihn entschlossen an.
"Wenn wir den Verräter finden, haben wir auch etwas Festes gegen meinen Abteilungsleiter in der Hand."