23. Gebrochenes Herz

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Nana schwieg kurz. Doch dann runzelte sie die Stirn.
"Aber... Die war doch sowieso mit dem Trainer-Ass zusammen. Ich hätte nicht gedacht, dass du es ihr trotzdem sagst."
Tali ließ niedergeschlagen den Kopf hängen.
"Hab's ihr nicht gesagt."
"Wie hast du dann einen Korb bekommen?"
Er vergrub stöhnend das Gesicht in seinen Händen.
"Als ich es ihr sagen wollte, ist sie gerade mit diesem Kerl in seinem Zimmer verschwunden!"
"Oh..."
Sein Gesicht war stark gerötet, doch sie war sich nicht sicher, ob es vom Zorn, vom Alkohol oder einfach davon kam, dass ihm das Ganze peinlich war. Vermutlich ein bisschen von allem. Sie machte erneut Anstalten ihn hochzuziehen, doch er bewegte sich kein Stück.

"Tali-"
Dieser unterbrach sie lallend.
"Weißt du, eigentlich bist du auch ganz hübsch."
Die Polizistin verzog das Gesicht.
"Na vielen Dank..."
Doch Tali war noch nicht fertig.
"So im Dunkeln siehst du fast hübscher aus als Lilly."
Die blinzelte irritiert.
"Irgendwie fällt es mir schwer, das als Kompliment zu sehen."
Er stand schwankend auf und machte ein paar wackelige Schritte in ihre Richtung.
"Bist du sicher, dass du nicht mit mir ausgehen möchtest? Ich hab Geld~"
Und damit fiel er erneut zu Boden und war offenbar mitten im Gespräch eingeschlafen. Nana zückte einen Pokeball.
"Oh Gott sei Dank, ich dachte schon, ich muss mir das die ganze Nacht antun. Komm raus, Galoppa."
Das Pokémon kam aus dem Ball und stuppste sie sanft an. Die Polizistin strich dem Pokémon über die Schnauze, ehe sie auf den betrunkenen Inselkönig am Boden deutete. 
"Kannst du mir helfen, ihn nach Hause zu bringen?"
Es schnaubte, rieb seine Stirn an ihrem Arm und senkte dann bereitwillig den Kopf. Vorsichtig zog sie den schlafenden Tali über den Rücken des Pokémons.

Nachdem sie mithilfe ihres Pokémons den betrunkenen Tali vor die Haustür seines Onkels geschleppt hatte, klopfte sie nach kurzem Zögern an. Der ehemalige Inselkönig öffnete verschlafen die Tür. Als er Tali sah, riss er überrascht die Augen auf.
"Warum-?"
Er unterbrach sich.
"Vielen Dank fürs Zurückbringen. Und verzeih die Umstände."
Sie wank nur ab.
"Ist nicht der Rede wert, er hatte einen harten Tag."
Gemeinsam trugen sie ihn ins Wohnzimmer und legten ihn auf der dort stehenden Couch ab. Schmunzelnd breitete Hala eine Decke über seinem Neffen aus, bevor er sich an Nana wandte.
"Weißt d, warum er sich so betrunken hat? Das sieht ihm gar nicht ähnlich."
Die Polizistin senkte den Kopf.
"Er hat es mir gesagt, aber es wäre nicht richtig das ohne sein Wissen weiterzusagen."
Hala nickte verständnisvoll.
"Hast ja recht."

~

Blinzelnd öffnete Tali am nächsten Morgen die Augen. Er hatte einen wirklich merkwürdigen Traum gehabt. Langsam setzte er sich auf und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz durch seinen Schädel fuhr. Keuchend ließ er sich zurück in die Kissen fallen. Benommen bemerkte er, dass er nicht in seinem eigenen Haus, sondern in dem seines Onkels lag. Mit verzerrtem Gesicht stand er schließlich schwankend auf und kippte ein Glas Wasser nach dem anderen herunter, bis sein Kater ertragbar wurde. Mit einem erleichterten Seufzer ließ er sich auf einen Stuhl am Küchentisch fallen.
"Gut geschlafen?"
Einen Aufschrei unterdrückend wirbelte er herum und fand sich Auge in Auge mit Nana. Erschrocken stolperte er zurück.
"Na- Nana? Was machst du in meinem Haus?"
Er korrigierte sich.
"In dem Haus meines Onkels."
Hala betrat hinter ihm die Küche.
"Sie hat dich gestern zu mir gebracht, nachdem du betrunken auf den Straßen herumgefallen bist. Du solltest ihr dankbar sein. Jetzt deckt bitte den Tisch, ich gehe uns ein paar Brötchen kaufen."

Als Hala das Haus verlassen hatte, wandte sich Tali mit gerötetem Gesicht wieder an Nana. Ihm kam der unangenehme Gedanke, dass sein Traum überhaupt kein Traum gewesen war.
"Also, wegen gestern Nacht..."
Sie fing an zu lachen.
"Ja, das sieht man nicht oft."
Er wich zerknirscht ihrem Blick aus.
"Tut mir wirklich leid."
Die Polizistin klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
"Keine Sorge, das bleibt unter uns. Und wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, sollten wir zurück zum Æther-Paradies. Dann können wir anfangen die Dorfbewohner zu befragen."
Tali nickte dankbar. Ohne es zu merken, war Nana langsam aber stetig ein Teil ihres kleinen Teams geworden. Und wenn er ehrlich war, war auch Gary ein Teil davon.

Mord im MondscheinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt