Kapitel 1

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Es ist besser, sich an die Vergangenheit nicht zu erinnern und die Zukunft nicht zu wissen.

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Wir fuhren über die Laneway Street. Die Straße, welche mich in mein Verderben brachte. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht. Ich hatte noch keinen blassen Schimmer, wie sehr ich mich noch in die Scheiße reiten würde. Und das nur aufgrund einer blöden Wette.

Der rote Mini, in dem ich und meine beste Freundin Alisa saßen, hüpfte leicht auf und ab auf der etwas holprigen Straße.

Ich lehnte meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe und stöhnte auf, als Alisas Navigator uns darauf hinwies, dass wir an unserem Ziel angekommen waren.

,,Wir hätten uns den langen Weg hier her auch sparen können. Die nehmen mich sowieso nicht", murmelte ich genervt.

Na ja, zumindest hoffte ich das. Hoffte es sehr.

,,Du hast die Wette verloren. Du kennst doch die Spielregeln", flötete Alisa und blickte sich nach einem freien Parkplatz um.

Ich schloss meine Augen und atmete einmal tief ein und aus. Das war das letzte Mal gewesen, dass ich mich auf eine Wette eingelassen habe. Das schwor ich mir.

Alisa parkte in eine freie Parklücke und stellte den Motor ab. Dann drehte sie sich mit ihrem Oberkörper zu mir und grinste breit.
,,Stell dir vor, die werden sich für dich entscheiden". Mit großen Augen sah sie mich an. ,,Dann wirst du den mysteriösen Mister X kennenlernen und um ihn mit vierzehn weiteren Mädels werben dürfen!". Sie lehnte sich zu mir vor und hob die Augenbrauen. ,,In einem verdammten Schloss", flüsterte sie letzteres und ließ ihre Augenbrauen spielerisch auf und ab wippen.

Daraufhin hob ich meinen Zeigefinger.,,Du hast vergessen zu erwähnen, dass alles auch noch gefilmt und ausgestrahlt wird", sagte ich mit Nachdruck und kniff meine Augen etwas zusammen. ,,Weißt du eigentlich wie oft ich mich in der ganzen Zeit blamieren könnte?".

Ein paar Sekunden blieb sie still und überlegte. Dann setzte sich ein teuflisches Grinsen auf ihre Lippen.
,,Wette ist Wette, meine Süße. Du wusstest, worauf du dich da einlässt. Und, dass du diese verloren hast, ist ganz allein dein Verschulden", meinte sie unberührt und schnallte sich ab. Sie war erbarmungslos.
,,Und jetzt schwing deinen hübschen Arsch aus dem Auto, sonst verpassen wir noch das Casting", rief sie freudig. Dass sie sich darauf freute, war klar, sie musste da schließlich auch nicht mitmachen.

Seufzend schnallte auch ich mich ab und öffnete die Beifahrertür.
'Sie muss ja auch immer die Spielregeln einhalten. Ganz ehrlich, hierbei hätte sie mich auch mal davonkommen lassen können', dachte ich genervt.

,,Was, wenn wir den Wetteinsatz tauschen? Zum Beispiel auf zwei Monate lang deinen Lieblingskaffee zahlen?", versuchte ich es und klimperte mit meinen Wimpern.

,,Nichts da!", sagte sie und lief schon voraus.

,,Sechs Monate?", rief ich hoffnungsvoll und biss mir nervös auf die Unterlippe.

,,Naahheiinn", flötete sie. Unzufrieden schlug ich die Autotür zu, bevor ich ihr schlecht gelaunt folgte.
Ein Versuch war es wert gewesen. Bei ihr wusste man nämlich nie. Sie konnte in Sekundentakt ihre Meinung ändern. Nur dieses Mal blieb sie leider Gottes stur.

,,Ich glaube wir müssen hier entlang". Überlegte Alisa und zeigte auf eine Schiebetür, wo sich ein Aufsteller mit der Aufschrift "Casting Mister X" neben dran befand.

Ich rollte nur mit den Augen. ,,Ach echt Sherlock?".
Kichernd schlug sie mich daraufhin leicht mit ihrer Hand am Oberarm.

Im Gebäude war ein Pfeil aus Pappe aufgestellt, der auf den Aufzug gerichtet war. Darunter wurde der dritte Stock vermerkt. Wir befolgten der Anweisung und betraten den Aufzug. So langsam verspürte ich, wie meine Beine anfingen leicht zu zittern. Und nein, ich war nicht wegen diesem mysteriösen Mister X nervös. Ich war nervös wegen der ganzen Kameras, die mich im dritten Stock erwarten würden. Ich bin nämlich einer dieser Menschen, die sich für alle und jeden fremdschämt, wenn Leute sich vor der Kamera dumm anstellten oder tollpatschig waren. Und ganz ehrlich, so etwas wollte ich mir ersparen. Das allerschlimmste wäre ja eh, wenn ich zu einer dieser Memes auf WhatsApp werden würde. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken. 'Schrecklich!'

,,Jetzt mach dir nichts ins Hemd". Alisa stupste mich leicht mit der Schulter an. ,,Du wirst dich schon nicht zum Affen machen".
Dann überlegte sie kurz.
,,Aber wenn doch, kann ich jetzt schon mal sagen, dass ich am lautesten lachen werde", grinste sie und ich verkniff mir ein Augenrollen. Es war definitiv einer dieser Tage, an dem das zu oft passierte.

Die Aufzugtür öffnete sich und gab uns nun freie Sicht auf eine Art Lobby. Überall standen rote Sofas herum, auf denen sich schon die verschiedensten Kandidatinnen bequem machten. Der Geräuschpegel war relativ hoch und aufgrund der Lautstärke runzelte ich meine Stirn. In diesem Moment war ich mehr als nur froh darüber, überwiegend nur männliche Freunde zu besitzen. Ansonsten hätte ich mir abertausende von Partys in so eine Lautstärke antun müssen.

,,Sind sie gekommen, um sich einschreiben zu lassen?", fragte mich eine brünette und etwas kleinere Frau freundlich.

Ohne auch nur ein Wort herausbringen zu können, antwortete auch schon Alisa für mich. ,,Ja, ganz genau. Wo müssen wir denn hin?".

Sie zeigte auf den Tisch ganz rechts, wo sich eine Dame mit einem blonden Bob befand. ,,Dort drüben an den Tisch".

Dankend nickte ich ihr kurz mit einem Lächeln zu, bevor wir uns von ihr entfernten.
Während wir auf den Tisch zusteuerten, erblickte ich zwei schlanke Blondinen mit lagen Beinen, die gerade dabei waren den Catwalk zu üben. Sofort hob sich meine linke Augenbraue wie von selbst.

,,Em...sind wir vielleicht falsch?", fragte ich verwirrt und drehte meinen Kopf zu Alisa.

Skeptisch sah auch sie zu den beiden rüber. ,,Wir nicht. Die da, schon".

Bei der Dame am Tisch blieben wir schließlich zum Stehen. Augenblicklich hob sie ihren Kopf. ,,Henk, hol das Schild von unten wieder hoch! Das sind die letzten beiden für heute!", rief sie einem Mann mit einem Bierbauch zu, der gerade dabei war seinen Hotdog zu verspeisen. Genervt legte er ihn auf den Teller vor sich ab und schlürfte lustlos zum Aufzug.

,,Nein, Nein. Ich bin nur zur Unterstützung für meine Freundin hier da", stellte Alisa sofort klar und legte eine Hand auf meine Schulter, um zu verdeutlichen, dass ich diese besagte Freundin von ihr war.

,,Was hättest du denn zu verlieren, Kleines?", fragte die Dame ohne auch nur aufzuschauen, während sie etwas auf das Blatt vor ihr kritzelte. ,,Namen?".

Alisa wusste daraufhin nichs zu erwidern und ich sah das als meine Chance, welche ich sogleich ergriff. ,,Alisa Morgenson und Mira Tonke", sagte ich schnell und nickend notierte sie unsere Namen.

Geschockt und mit großen Augen drehte Alisa ihren Kopf zu mir.

,,So, dann werde ich das mal weiter geben", sagte die Dame und verließ uns mit klackernden Schritten.

,,HA HA", meinte ich und steuerte auf eines der roten Sofas zu, um dort Platz zu nehmen. ,,Stell dir vor, die werden sich für dich entscheiden", ahmte ich die Worte nach, welche sie mir noch vor zehn Minuten im Auto gesagte hatte und verstellte meine Stimme. ,,Dann wirst du den mysteriösen Mister X kennenlernen und um ihn mit vierzehn weiteren Mädels werben dürfen!". Ich setzte mich auf eines der noch freien Sofas. ,,In einem verdammten Schloss", flüsterte ich letzteres, genauso wie sie es vorher tat.

,,Halt die Klappe'', sagte sie nun nicht mehr so gut gelaunt und ließ sich neben mich auf das Sofa fallen.

'Mit gehangen, mit gefangen, würde ich mal sagen', dachte ich und grinste zufrieden. Was sie kann, konnte ich schon lange.

Mister XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt