Gefühle

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Als Emma das Blumenau betritt kann sie Paddy zunächst nicht entdecken und vermutet, dass er wie beim ersten gemeinsamen Besuch hier, etwas weiter hinten sitzt.
Direkt nachdem sie um die Ecke geht, fällt ihr Blick auf ihn. Er tippt auf seinem Handy  und scheint um sich herum kaum etwas mitzubekommen.

Emmas Herz fängt wie wild an zu pochen, als sie auf ihn zugeht. So sehr hat sie seine Nähe die letzten Wochen vermisst. Umso glücklicher war sie, als er vorhin einem gemeinsamen Gespräch zugestimmte, obwohl sie ihn einfach so im Tonstudio des Schlosses überrumpelt hatte.

Als sie an den kleinen runden Bistrotisch heran tritt, schaut Paddy auf und packt sein Handy hastig beiseite.
"Hey!" Mehr kommt gerade nicht über ihre Lippen.
Sein Anblick raubt ihr mal wieder den Atem. Kerzenschein der kleinen Teelichter überall lässt seine dunklen Augen funkeln. Seine Haare trägt er wild durcheinander, während ihm ein paar Strähnen ins Gesicht fallen.
"Hey." Auch ihm scheint nichts Besseres einzufallen, als diese knappe Begrüßung.

Sie bestellen sich beide einen Yogi-Tee und Emma fängt zunächst an von der Zeit bei ihrer Familie zu berichten und von ihrem Neffen Theo, während Paddy mit wachen Augen an ihren Lippen klebt.

Paddy schweigt die ganze Zeit, lediglich ein kleines Lächeln streift ab und zu seine Lippen.
Gerade als Emma den Honig von ihrem Löffel langsam in den Yogi-Tee fließen lässt, ergreift Paddy das Wort.
"Du hast mir wahnsinnig gefehlt, Emma."
Emmas Herz schlägt bis zum Hals.
Sie traut sich kaum ihren Blick aufzurichten.
Als sie es schließlich doch tut, treffen sich ihre Blicke und da ist es wieder...dieses vertraute wärmende Gefühl, welches ihren Körper umhüllt.
"Du mir auch." Kommt es ihr flüsternd über die Lippen.
"Ich bin so ein verdammter Idiot Emma. Es tut mir leid, dass ich dich so ignoriert habe. Ich will dich nicht verletzen, aber ich war mit der gesamten Situation maßlos überfordert."

"Aber warum? Ich wollte lediglich, dass du über Nacht bei mir bleibst. So wie wir es schon oft gemacht hatten. Paddy ich hatte keine Absichten und ich hätte schonmal gar nichts gemacht, was du nicht auch gewollt hättest...." gerade als sie weitersprechen möchte fällt Paddy ihr ins Wort: "Genau das wäre das Problem gewesen, Emma. Ich hätte in dieser Nacht alles mit dir gewollt. Ich habe gespürt,welche Reaktionen deine Küsse und deine Nähe in mir hervorgerufen haben und ich wollte deine Situation nicht maßlos ausnutzen."
Er senkt den Blick und rührt in seiner Tasse umher.
"Was meinst du mit 'meiner Situation', Paddy?" Emma versteht nun überhaupt nichts mehr.

"Nunja, du bist frisch getrennt, hast vieles durchgemacht. Du musst doch in dem absoluten Gefühlschaos stecken..." er schlägt mit seinem Löffel beim rühren immer wieder gegen die Tassenwand und verursacht für Emmas Ohren einen unangenehmes Geräusch dabei.
"Ich muss deiner Meinung nach vielleicht in einem Gefühlschaos stecken, tue es aber nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass die Jahre der Demütigung und Erniedrigung endlich ein Ende haben.  Da war schon lange keine Liebe mehr im Spiel, Paddy. Das weisst du aber auch." Sie fixiert ihn mit ihrem Blick in der Hoffnung, dass er sie endlich wieder ansieht...
Nix.

Stille.

"Paddy, schau mich bitte an."
Als er seinen Blick wieder aufrichtet, sieht sie in seine traurigen Augen.
"Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dich bei mir zu haben." Sie schenkt ihm ein sanftes Lächeln.

"Ich mir doch auch." wispert er leise.
Vorsichtig tastet Emma auf der Tischplatte nach Paddys Hand.
Gerade als ihre Fingerkuppen seinen Handrücken streifen, zieht er seine Hand ruckartig weg.
Emma ist völlig verunsichert.
Hatte er nicht noch vor ein paar Sekunden gesagt, dass er sie bei sich haben möchte?
Was wird das hier?
Ihr Herz schlägt gegen ihren Brustkorb und sie traut sich nicht mehr auch nur eine kleine Bewegung zu tun.
"Emma, das geht nicht... Da gibt es noch etwas, das du wissen solltest."
Die Herzschläge gegen ihren Brustkorb weichen nunmehr einem starken Hämmern, welches ihr fast die Luft zum Atmen nimmt.
"Was?" Sie schaut ihn fragend an.
"Nunja, ich habe doch Silvester in der Kommune gefeiert." Sie nickt wissend, als er das sagt.
"Weißt du noch Rahel..., vom Wintermarkt im Schloss?..."
Emma ist sich gerade nicht sicher, ob sie weiter hören möchte, was Paddy ihr zu sagen hat.
"Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber wir sind uns dort näher gekommen..."

Emma glaubt den Boden unter den Füßen zu verlieren, als er das sagt.
Seine weiteren Worte, dringen wie durch dicke Wolken zu ihr hindurch.
Ein starkes Ziehen durchfährt ihren Körper...
"Wie, ihr seid euch näher gekommen?" Sie spürt, dass ihre Stimme fast versagt.
"Nunja, der Alkohol, dann die Sehnsucht nach dir...eines kam zum anderen..."
"Duuuu, duuuu hast mich ignoriert Paddy und hast dich tot gestellt.. Du hättest keine Sehnsucht nach mir haben müssen." Fällt sie ihm ins Wort.
"Habt ihr etwa...?" Sie wagt kaum es auszusprechen.
Paddy reißt die Augen weit auf, als sie das sagt.
"Oh mein Gott, Emma nein.. das musst du mir glauben. Wir haben nicht miteinander geschlafen..."
Emma spürt einen kleinen Kieselstein von ihrem Herzen fallen, als er das sagt.

"Wir haben uns irgendwann nach Mitternacht von den anderen abgeseilt und etwas rumgeknutscht. Da war wirklich nicht mehr, das musst du mir glauben."

Emma spürt Tränen in ihren Augen aufsteigen.
"Das macht es aber nicht besser, oder ungeschehen, Paddy..." Sie fängt leicht zu Schluchzen an.
"Ich weiß..." bringt er kleinlaut hervor.

"Ich glaube, ich brauche erstmal etwas Zeit für mich..."
Emma springt von ihrem Stuhl auf.
Die Tränen fließen nun unaufhaltsam über ihre Wangen.
Die Leute schauen von ihren Tischen auf, als sie hastig an ihnen vorbei stürzt.
Emma will nur noch raus hier, weg von Paddy. Weg von dem, was er ihr vielleicht noch zu sagen hat.
Kurz bevor sie raus in die kalte Winternacht tritt, hört sie ihn noch ihren Namen rufen, doch sie kann nicht zurück zu ihm.
Ihre Gedanken brauchen Platz,...sie muss nachdenken, weinen, traurig sein...

Schnellen Schrittes geht sie die Stufen zu ihrer Wohnung nach oben.
Noch mit Winterjacke bekleidet schmeißt sie sich schließlich auf ihr Sofa und lässt ihren Tränen freien Lauf, bis sie irgendwann einschläft...

Sie hört so auch nicht mehr das Klingeln und leise Klopfen an ihrer Wohnungstür...

Von Allem Ein BisschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt