Geheimnisse

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Emma steht in der Küche und presst ein paar Orangen aus, als sie hört, dass Paddy ins Bad verschwindet.
Sie hatte sich bereits vor einiger Zeit aus seiner Umarmung geschält und war in die Küche gegangen, um etwas Frühstück vorzubereiten.

Paddy und sie waren gestern eng umschlungen auf dem Sofa eingeschlafen, nachdem sie noch einige seiner Demo-Songs durchgehört hatten.

Emmas Nacken schmerzte. Sie hatte anscheinend die ganze Nacht auf Paddys Unterarm gelegen.
Jetzt stand ihr der Sinn nach einem gesunden Start in den Tag. Die Orangen reichten noch gerade so für zwei kleine Gläser Saft. Paddys Müsli war bis auf ein paar Haferflocken gänzlich aufgebraucht, also beschloss sie, gleich noch schnell zum Bäcker zu gehen.
Im Radio lief ein Song, den Emma Anfang der 2000er rauf und runter gehört hat.
Sie drehte ihn lauter und sang mit, während sie einen Kräuterquark zubereitete.

Plötzlich schlingen sich zwei Arme von hinten um ihre Hüften und Emma spürt Paddys Atem im Nacken.
Er haucht ihr zarte Küsse auf den Hals.
"Warum so traurig?"

Emma muss grinsen.
"Nein, gar nicht traurig. Ich bin in Gedanken gerade in meinen frühen 20igern. Da hatte ich meine Emo- Phase."
Sie streicht ihm sanft über die feinen Haare an seinen Unterarmem, während Paddy mit einsteigt und die Textzeilen leise mitsingt.

Emma dreht sich überrascht zu ihm um. Ihre Blicke treffen sich.
"Du kennst den Song?"

Paddy stupst mit seiner Nasenspitze gegen ihre.
"Emmchen, ich habe zwar früher auf einem Schloss und einem Boot gelebt, aber nie auf dem Mond."

Emma muss grinsen.
"Ich weiß nicht, aber ich dachte irgendwie..."
Paddy fällt ihr ins Wort.
"Du dachtest irgendwie, dass ich nur die Musik meiner Familie höre oder was?"
Emma schaut ihn völlig verdutzt an und nickt.
"Ich weiß wie absurd das klingt, aber anscheinend habe ich das irgendwie gedacht. Aber stimmt, du hattest ja auch neulich schon erzählt, wie gern du auch Coldplay hörst..."

Paddy bricht in schallendes Gelächter aus.
"Oh man, du bist immer wieder für Überraschungen gut..."

Sie guckt ihn beleidigt an: "Wie wäre es, wenn du mal den Tisch deckst, anstatt mich hier noch weiter auszulachen? Ich gehe jetzt nämlich Brötchen holen..."

Paddy ist gerade dabei einen Roibuschtee aufzugießen, als Emma zurück kommt

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Paddy ist gerade dabei einen Roibuschtee aufzugießen, als Emma zurück kommt.
Sie schmeißt die riesige Bäckertüte auf den Küchentisch und lässt sich auf das grüne Sofa - ihr Zufluchtsort-  plumpsen und beobachtet Paddy dabei, wie er das Teesieb über der Spüle sauber macht.
"Na, immer noch beleidigt?"
Er dreht sich zu ihr und schaut sie mit einem breiten Grinsen an, doch sogleich verflüchtigt es sich, als er Emmas Gesicht sieht.
Sie ist leichenblass.
"Emma, alles okay?"
Er geht auf sie zu und kniet sich vor sie.
Erst jetzt bemerkt er, dass Emma etwas fest in ihrer Hand umklammert hält.
Wortlos öffnet sie ihre Faust und hält Paddy ein zerknülltes Blatt Papier hin.
Er nimmt es aus ihrer Hand und starrt auf die Botschaft, die auch dieses Mal in Großbuchstaben geschrieben steht.

WER NICHT HÖREN WILL, MUSS FÜHLEN!!!

Wortlos schaut er immer und immer wieder darauf, als könne er zwischen den Buchstaben den Absender ausfindig machen.

"Das lag gerade eben vor meiner Tür. Als ich vorhin losgegangen bin, war es definitiv noch nicht dort. Das heißt, hier scheint sich jemand auf die Lauer zu legen. Ich finde das ganz und gar nicht lustig." Emma schaut ihn aus erschrockenen Augen an.
"Du meinst, das hat jemand vor deine Tür gelegt, in den 10 Minuten, in denen du beim Bäcker warst?"
Er spürt, wie sein Mund ganz trocken wird.

Emma nickt.
"Paddy, was soll das bedeuten? Wenn ich WAS nicht hören will? Was gibt es an 'Schlampe' falsch zu verstehen?"

Paddy spürt, wie es ihm die Kehle zuschnürrt.
"Emma, das war nicht der einzige Zettel. Einen Tag nach dem ersten lag noch ein anderer vor deiner Tür. Ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen. Wir hatten gerade eine wundervolle Nacht hinter uns, wir waren glücklich. Ich wollte uns diese Leichtigkeit nicht von einem doofen Zettel kaputt machen lassen."
Er nimmt ihre Hände in seine und fängt an sanft ihre Finger zu küssen.
Emma zieht sie ruckartig zurück und schaut ihn mit großen Augen an.
"Lass das, Paddy und sag mir lieber, was auf diesem Zettel stand."

Er schafft es kaum, ihr in die Augen zu sehen, so sehr nagt das schlechte Gewissen an ihm.
"Dass du die Finger von mir lassen sollst."

Emma schlägt sich die Hände vors Gesicht.
"Das glaube ich nicht, das glaub ich einfach nicht." Sie fängt leise an zu schluchzen.
Paddy tätschelt ihr unsicher das Knie.
"Emma, ich finde heraus, wer diese Zettel schreibt. Versprochen. Und ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen."

Emma nimmt die Hände vom Gesicht und schaut ihn aus tränenverhangenen Augen an.
"Darum geht es mir nicht. Mir ist durchaus nicht egal, welche infantilen Weiber mir diese Nachrichten schreiben. Es geht mir aber vielmehr darum, dass du mir das verheimlicht hast, Paddy. Sind wir tatsächlich schon an dem Punkt in unserer kurzen Beziehung, wo wir nicht mehr ehrlich zueinander sein können?"

Paddy richtet sich auf und setzt sich zu Emma aufs Sofa. Er bereut zutiefst, dass er ihr nichts von der Nachricht erzählt hat.
"Emma, es tut mir leid, dass ich dir das verheimlicht habe. Ich will nicht, dass du mir nicht mehr vertraust. Ich wollte dich nur nicht unnötig damit belasten. Es ist doch alles so wunderschön mit uns. Ich hatte gehofft, dass diese Person spürt, dass diese Botschaften uns nichts anhaben können. Ich hätte dich einweihen müssen... Kannst du mir nochmal verzeihen?"
Er spürt, wie der Kloß in seinem Hals immer dicker wird und er langsam nach Worten ringt.
Emma tastet vorsichtig nach seiner Hand und umschließt sie fest.
"Schau mich an, Paddy."

Er hebt den Kopf und schaut in ihre Augen, in denen immer noch ein paar kleine Tränen glitzern.
"Versprich mir, dass du mich nie wieder anlügst."

Von Allem Ein BisschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt