Die Abendsonne hinterlässt ein angenehmes Gefühl auf Emmas Haut, als sie die Wege des kleinen Parks ganz in der Nähe ihrer Wohnung entlang geht. In der Ferne ziehen ein paar dicke Wolken auf.
Sie hat fast den ganzen Tag in der Agentur verbracht und nutzt nun den lauen Sommerabend für einen Spaziergang, bevor die Sonne gänzlich verschwunden sein wird. Als sie den kleinen Kiesweg abbiegt, der zur großen Wiese führt, setzt ihr Herzschlag kurz aus.
Er sitzt dort, etwas abseits des Weges auf einer Bank zwischen zwei Bäumen und ist in ein Buch vertieft. Emma hat nicht damit gerechnet ihn hier zu treffen. Sie dachte, er würde noch ewig auf Reisen bleiben.
Sie zögert kurz, bevor sie ihren Weg schließlich fortsetzt."Darf ich?" Emma steht völlig verunsichert neben der Bank, auf der Paddy Platz genommen hat.
Sie erschrickt, als er den Blick hebt und sie direkt anschaut.
Seine Augen haben an Glanz verloren und sitzen in tiefen dunklen Höhlen.
Er nickt und deutet auf den Platz neben sich.
Eine gefühlte Ewigkeit sitzen die beiden schweigend nebeneinander und beobachten ein paar Jugendliche beim Bolzen, bis Paddys leise Stimme schließlich die Stille durchbricht.
"Ich kenne diese Frau nicht..."
Er dreht sich zu ihr um und schaut sie an. Die Traurigkeit in seinen Augen bricht ihr das Herz.
"Okay...", mehr bringt sie nicht hervor, bis er schließlich weiter spricht.
"Es muss irgendwann Ende letzten Jahres gewesen sein. Ich war hier im Park unterwegs, als mir plötzlich eine wildfremde Frau um den Hals fiel und mich küsste. Als ich sie leicht verwirrt von mir schob, schaute sie mich entsetzt an und entschuldigte sich unzählige Male, weil sie mich wohl verwechselt hatte. Ich hatte keinen Grund, ihr diese Geschichte nicht zu glauben, bis du mir das Bild unter die Nase gehalten hast."
Emma bekommt einen dicken Kloß im Hals, als er das sagt.
Er wendet den Blick wieder von ihr ab und schaut zur großen Wiese, wo die Jugendlichen gerade dabei sind ihre provisorischen Tore abzubauen.
"Ich verstehe...", wispert sie leise.
Etwas zögerlich tastet sie nach seiner Hand, die er neben sich auf der Bank abgelegt hat. Als ihre Finger schließlich zaghaft seinen Handrücken berühren, dreht er seine Hand um und öffnet sie, um ihre Finger in seiner Handinnenfläche aufzunehmen und ganz fest zu umschließen.
Emma fällt in diesem Augenblick ein Stein von Herzen.
Er dreht sich wieder zu ihr um und schaut sie mit seinen ozeanblauen Augen an, die bei Emma immer wieder weiche Knie verursachen.
"Emma, es tut mir leid.""Wofür entschuldigst du dich, Paddy? Ich war die verdammte Idiotin von uns beiden. Kannst du mir nochmal verzeihen, dass bei mir die Sicherungen durchgebrannt sind? Ich hätte dir die Chance geben müssen, das alles zu erklären, anstatt Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen." Sie spürt wie ihr die Tränen in die Augen schießen. Sie schämt sich so sehr für ihr Verhalten.
Er beugt sich nach vorn und lehnt seine Stirn an ihre. "Natürlich verzeihe ich dir, meine kleine Idiotin."
Jetzt muss Emma grinsen.
Sie schließt die Augen und genießt die unerwartete Nähe zu Paddy.Völlig durchnässt und außer Atem kommen Emma und Paddy vor ihren Wohnungstüren an. Kurz nachdem Paddy ihr erklärt hatte, dass diese Frau eine völlig Fremde für ihn sei, brach ein gewaltiger Sommerregen los und setzte die Wege in Windeseile unter Wasser.
"Ich glaube, eine Dusche und ein paar trockene Klamotten würden uns ganz gut tun."
Emma klebt ihr hellblaues Leinenkleid klatschnass am Körper und sie ist sich nicht sicher, ob es eventuell auch den Blick auf ihre Unterwäsche freigibt.
Sie spürt, wie Paddy ihren Körper mustert und errötet leicht."Dann nichts wie rein mit dir, bevor du eine Lungenentzündung bekommst." Er deutet kurz zu ihrer Wohnungstür, bevor er schließlich den Schlüssel in sein Schloss steckt.
"Du hast mir gefehlt", kommt es Emma leise über die Lippen.
Er dreht sich wieder zu ihr und sie glaubt wieder ein kleines Strahlen in seinen Augen erkennen zu können.
"Du mir auch, Emmchen."Gerade als Emma den Klingelknopf betätigen möchte, öffnet sich die Wohnungstür und Paddy steht mit einem breiten Grinsen vor ihr.
"Na, möchtest du dir Duschgel von deinem Nachbarn leihen?"Emma spürt, wie ihre Wangen erröten.
Paddys Blick haftet abwartend auf ihr.
"Möchtest du reinkommen?"Emma nickt zögerlich, bevor ihr ein leises "ja" über die Lippen kommt.
"Geh ruhig schonmal ins Wohnzimmer, ich muss nur noch kurz zum Auto was holen. Du kennst dich ja aus." Er zwinkert ihr zu, bevor er die Tür hinter sich ins Schloss zieht.
Emma steht nun völlig allein im dunklen Flur. Sie schließt die Augen und atmet einmal tief ein.
So sehr hat sie diesen bekannten Geruch vermisst. Aus dem Wohnzimmer ertönt leise Musik.
Die alten Holzdielen knarren unter ihren Füßen, als sie hinein geht.
Auf dem Fernsehtisch brennt eine kleine Kerze. In einer kleinen Schale auf dem Wohnzimmertisch liegt ein Räucherstäbchen, welches einen warmen holzigen Duft im Raum verteilt. Sie lässt sich auf das große Sofa fallen und kuschelt sich in die unzähligen Kissen. Erst jetzt wird ihr so richtig bewusst, wie sehr ihr das hier alles gefehlt hat.
Sie lauscht der Musik, die aus den Lautsprecherboxen kommt.
Massive Attack. Paddy und sie haben dieses Album unzählige Male gehört, während sie eng umschlungen auf dem Sofa lagen und alles um sich herum vergaßen.
Sie schließt die Augen und legt den Kopf in den Nacken.
Als sie die Augen wieder öffnet, bemerkt sie direkt Paddy, der sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen beobachtet, während er lässig im Türrahmen lehnt. Emma hatte gar nicht bemerkt, dass er schon wieder zurück war.
"Stehst du schon lange da?", möchte sie wissen.
"Ein paar Minuten vielleicht." Seine Augen Strahlen sie an, als er das sagt.
"Ich finde, du passt ganz gut auf mein Sofa."Emma richtet sich auf und fixiert ihn mit ihrem Blick.
"Findest du?"
Er nickt und macht einen Schritt auf sie zu.
Sie steht auf, so dass die beiden jetzt direkt voreinander stehen.
Mit ihren Zeigefingern hakt sie sich in seinen Gürtelschlaufen ein und zieht ihn näher zu sich.
"Noch besser würde es passen, wenn du daneben liegst...", haucht sie zärtlich in sein Ohr.
Paddy fährt mit seinen Händen vorsichtig über ihre Schultern unter ihre Haare und platziert seine Hände in ihrem Nacken. Er beugt sich zu ihr nach unten und legt seine Lippen auf ihre...
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Von Allem Ein Bisschen
FanfictionEmma wohnt mit ihrem Freund in einer wunderschönen Altbauwohnung in der Dresdner Neustadt. Nach außen scheint alles so perfekt. Eines Tages findet der neue Nachbar Emma in Tränen aufgelöst im Treppenhaus und die Fassade droht zu bröckeln...