-Rumms-
Mit voller Wucht schlägt Tina ihre Hand mit der Handfläche auf die Tischplatte. Emma fährt vor Schreck zusammen und guckt Tina mit weit aufgerissenen Augen an.
Was zur Hölle..."Sag mal Emma, willst du uns verarschen? Dieser Zustand ist doch nicht erst seit gestern so. Sag mir jetzt bitte, seit wann er schon wieder an dem Punkt ist, wo er sich bis zur Besinnungslosigkeit vollaufen lässt."
Tinas Augen funkeln Emma böse an.
Vor ca einer Stunde ist Daves Mutter gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten hier aufgetaucht und nimmt Emma seitdem ins Kreuzverhör.
Dave war gestern nach einem Auftritt in Tschechien betrunken vor ein Auto gelaufen. In seinem Blut wurde schließlich ein Alkoholwert von 3,2 Promille festgestellt. Daves Familie hat ihn heute auf eigene Kosten in eine Klinik nach Dresden verlegen lassen. Dort liegt er mit einer Gehirnerschütterung, Schürfwunden im Gesicht und jeder Menge Prellungen.
Emma zuckt mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht mehr... Irgendwann im vorletzten Jahr oder so kam er plötzlich wieder besoffen von der Bandprobe..."
Mit ihren Lippen versucht sie weitere Worte zu formen, doch kein Ton verlässt ihren Mund. Sie start auf ihre Hände, die zur Faust geballt vor ihr auf der Tischplatte liegen. Die Fingerknöchel sind ganz weiß. Emma bemerkt, wie sich ihre Fingernägel in ihre Handflächen bohren, während ihre Knie anfangen unkontrolliert zu zittern. Sie schafft es nicht, Tina in die Augen zu schauen, spürt aber deutlich die vorwurfsvollen Blicke die auf ihr ruhen.
"Emma, wir sind schwer enttäuscht von dir. Wie konntest du ihn wieder in sein Unglück laufen und es so weit kommen lassen?"Emma spürt, die Wut, die in ihr aufsteigt. Ewigkeiten hat sie Dave zuliebe nichts von seinem Rückfall nach außen dringen lassen. Oft stand er heulend vor ihr, hat sich für sein Verhalten entschuldigt, sie angefleht, dass sie niemandem etwas sagt und hoch und heilig geschworen, dass er das wieder in den Griff bekommt. Immer und immer wieder hat Emma versucht ihm zu glauben. Sie wollte ihm helfen, ihm eine Stütze sein... sie hatten einander doch einmal so sehr geliebt. Sie wollte und konnte das nicht einfach hinschmeißen. Und jetzt soll sie für all die Aussetzer von Dave verantwortlich sein? Sie drückt ihre Hände noch weiter zur Faust zusammen. Sie hofft so ihre Wut zu verlagern und nicht augenblicklich zu explodieren, um Tina die Meinung zu sagen. Sie hatte einfach keine Ahnung davon, was Emma alles in Kauf genommen hat, um diesen Schein zu wahren. Immer darauf bedacht, dass Dave sein Saubermann-Image behält. Everbodys Darling. Oft wurde ihr aus dem Umfeld gesagt, was sie doch für ein Glück mit ihm hatte. Er sei so charmant, smart und gutaussehend. Zwischen den Zeilen konnte Emma oft heraushören, dass man nicht verstand, warum ausgerechnet sie die Frau an seiner Seite war.
Keiner hatte eine Ahnung davon, dass die letzten Monate, wenn nicht sogar Jahre von Demütigung und Erniedrigung geprägt waren. Dave kam an 3-4 Tagen die Woche besoffen nach Hause, warf ihr an den Kopf wie dumm, fett und unfähig sie doch sei. Nachdem er einen Schwall an Hasstiraden auf sie losgelassen hatte, warf er sie meistens unter lautem Gebrüll, oder auch mit körperlichem Einsatz aus der Wohnung. Das waren die Nächte, in denen sie Zuflucht im Treppenhaus suchte und die Momente, die sie zu Paddy führten.Wenn sie am nächsten Morgen in die Wohnung zurück kam, traf sie nahezu immer auf einen gut gelaunten Dave, der so tat, als wäre nie etwas gewesen. Das Geschehene wurde nicht mehr angesprochen.
Stattdessen war Emma damit beschäftigt, die Spuren der Nacht zu beseitigen. Nicht selten ist Dave volltrunken und im Halbschlaf durch die Wohnung gewandelt und hat seine Blase irgendwo entleert. Der Urin muss inzwischen schon zwischen sämtliche Ritzen des Dielenbodens gekrochen sein. Emma weiß schon nicht mehr, wie oft sie auf allen Vieren durch die Wohnung kroch und versucht hat, den Schaden in Grenzen zu halten.
Von Dave kam kaum ein Dankeschön dafür, geschweige denn eine ernst gemeinte Entschuldigung. Es war inzwischen zur Normalität geworden, dass er regelmäßig die Kontrolle über seine Körperfunktionen verlor.
Emma bemerkte, wie sie sich immer weiter voneinander entfernten.
Oft verspürte sie nichts als Ekel für ihn, dennoch hielt sie an dieser Beziehung fest."Hörst du mir überhaupt zu?"
Tinas schrille Stumme bahnte sich den Weg durch Emmas Schleier aus Gedanken und ließ sie leicht aufschrecken.
"Ich denke, es ist besser, wenn Dave nach dem Krankenhaus erstmal zu uns zieht. Ihr solltet euch Gedanken darüber machen, wie es mit eurer Beziehung weiter geht. Du tust ihm nicht gut, Emma, merkst du das denn nicht?"Jetzt hatte Emma die Nase gestrichen voll.
"Ich höre immer Du Du Du... Wieso ich? Was habe ich damit zu tun, dass er sich immer wieder volllaufen lässt? Denkst du, ich habe ihm beim Saufen die Flasche gehalten?" Obwohl ihre Lippen bebten, war ihre Stimme laut und bestimmt.
Tina schaute wie ein aufgescheuchtes Reh. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte. Ihr Lebensgefährte saß die ganze Zeit wie ein begossener Pudel neben ihr, ohne auch nur einmal etwas zur Unterhaltung beizutragen.
"Sei mal nicht so unverschämt, mein Fräulein" zischt Tina auf einmal los.
"Unverschämt? Ich? Vielleicht sollten wir uns nochmal genauer darüber unterhalten, wer hier eigentlich unverschämt ist. Du kreuzt hier auf und bombardierst mich mit Vorwürfen. Interessiert es dich eigentlich überhaupt gar nicht, was dein Sohn zu all dem zu sagen hat?"
Emmas böse Augen fixieren Tina.
"Er ist schwer verletzt und muss sich schonen." Bringt sie schließlich hervor.
Emma kann kaum glauben, was sie da hören muss.
"Aha, und weil er der Verwundete ist, ist er automatisch unschuldig und ich werde stattdessen hier mit deinen Vorwürfen konfrontiert? Es ist ja immer einfacher, jemand anderen verantwortlich zu machen, wenn man merkt, dass einem eigentlich das eigene Leben um die Ohren fliegt."
Emma steht auf und geht schnellen Schrittes zur Wohnungstür, während sie die anderen beiden in der Küche zurück lässt.
Sie reisst die Tür auf und ruft Richtung Küche:
"Ich würde euch bitten, meine Wohnung zu verlassen, ich denke, es gibt nichts mehr zu sagen."
Emma wundert sich gerade selbst über ihren eigenen Mut.
Kurz darauf stolziert Tina wutentbrannt gemeinsam mit ihrem Feund aus der Wohnung.
Als die Tür hinter den beiden ins Schloss fällt, brechen bei Emma alle Dämme.
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Von Allem Ein Bisschen
FanfictionEmma wohnt mit ihrem Freund in einer wunderschönen Altbauwohnung in der Dresdner Neustadt. Nach außen scheint alles so perfekt. Eines Tages findet der neue Nachbar Emma in Tränen aufgelöst im Treppenhaus und die Fassade droht zu bröckeln...