Emma hastet mal wieder durch die Straßen der Dresdner Neustadt. Sie hatte sich mit Tobi im Büro verquatscht. In einer dreiviertel Stunde wollte sie eigentlich bei Dave im Krankenhaus sein. Sie soll ihm ein paar Sachen zum Anziehen mitbringen und er möchte mit ihr über irgendwas reden. Bereits den ganzen Tag graut es Emma vor diesem Gespräch und sie versuchte sich mehr schlecht als recht die letzten Stunden abzulenken.
Als sie in ihre Straße einbiegt, kann sie bereits vom Weiten erkennen, dass Paddy umringt von 3-4 Mädchen etwas abseits der Haustür steht.
Sie vermutet, dass auch die dabei sind, die bereits seit einiger Zeit hier vor der Haustür rumlungern. Emma dachte zunächst, dass es sich um Fans handeln würde, doch diese Idee verwarf sie schnell. Paddy war jahrelang im Kloster. Er stand nur noch bedingt in der Öffentlichkeit und Musik machte er auch nicht mehr für die breite Masse. Woher sollten also Fans kommen? Emma glaubte inzwischen, dass eines der Mädchen vielleicht Paddys Freundin ist, die immer ein paar Freundinnen im Schlepptau hat.
Emma möchte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und nähert sich so unauffällig wie möglich der Szenerie. Aus den Augenwinkeln kann sie sehen, dass Paddy zu ihr guckt, bevor sie schnell ins Haus verschwindet.
Gerade als sie die Stufen der zweiten Etage erreicht hat, kann sie hören, dass jemand die Treppen hinter ihr hochgerannt kommt.
"Emma, warte bitte." Paddy ist fast auf ihrer Höhe angekommen, als Emma stehen bleibt.
Seine Augen strahlen sie an und seine Wangen sind von der Kälte ganz gerötet.
Obwohl seine Haare mal wieder einen anständigen Schnitt gebrauchen könnten, sieht er sehr gut aus. Emma schämt sich dafür, dass sie hin und wieder diese Gedanken hat. Ihr Freund liegt im Krankenhaus und versucht seine Blessuren ausheilen zu lassen, während ihr diese Gedanken über Paddy im Kopf herumspuken.
"Warum hast du es denn so eilig?" wird sie schließlich von Paddy aus ihren Gedanken gerissen.
"Ich muss zu Dave ins Krankenhaus und ihm ein paar frische Klamotten vorbei bringen, außerdem, warst du beschäftigt und ich wollte nicht stören."
Paddy winkt ab "Ach das. Da hättest du nicht gestört."
Emma wundert diese Aussage. Waren ihm die Mädchen etwa nicht so wichtig, wie er anscheinend ihnen?
"Wie geht es dir denn? Seitdem du vor drei Tagen bei mir warst, habe ich nichts mehr von dir gehört und gesehen." Paddys Blick wirkt nun fast ein bisschen besorgt.
Emma hatte sich bewusst etwas zurück gezogen, nachdem sie Paddy von ihrem Geheimnis verraten hat. Sie schämte sich einerseits für ihr verkorkstes Leben, andererseits wollte sie für Paddy keine Last sein. Im Grunde war er ja nur ihr Nachbar, auch wenn sie sich inzwischen sehr vertraut sind. Oft fragt sie sich, ob sie sich jemals wirklich kennengelernt hätten, hätte Paddy sie damals nicht im Treppenhaus aufgelesen.
"Ich weiß..." stammelt Emma leise hervor. "Ich dachte, vielleicht würdest du erstmal etwas Ruhe vor mir haben wollen, nachdem ich dir das alles von Dave und mir erzählt habe. Ich möchte dir außerdem nicht zur Last fallen."
Paddy durchdringt sie jetzt fast mit seinen dunkelblauen Augen.
"Du fällst mir nicht zur Last, ganz im Gegenteil. Ich freue mich immer sehr über deine Gegenwart."
Emma errötet fast ein bisschen, als er das sagt und sie spürt, wie ihr Herz anfängt kurz zu stolpern.
Da ist wieder dieses undefinierbare schöne Gefühl, dass ihren Körper umspielt, wenn sie Paddy sieht, oder an ihn denkt.
Seitdem sie ihm von ihrem Geheimnis erzählt hat und Paddy auch von seinem Vater sprach, hat sie sogar ein bisschen das Gefühl, dass sie auf unsichtbare Art und Weise ein kleines bisschen miteinander verbunden sind.
"Hättest du Lust heute Abend mit mir noch einen Tee trinken zu gehen? Hier um die Ecke ist eine kleine Cafe-Bar, die ganz wundervollen Yogi-Tee mit aufgeschäumter Milch anbietet." Er schaut sie fragend an.
"Das Blumenau?" fragt Emma.
Paddy strahlt "Ja, genau. Kennst du es etwa?"
Emma muss schmunzeln.
"Natürlich. Das ist mein Stamm-Lokal. Ich hole dich gegen 19Uhr ab, okay? Ich hoffe, dass ich dann wieder aus dem Krankenhaus zurück bin."
Paddys Strahlen wird nun noch breiter und sie laufen gemeinsam die letzten Stufen zu ihren Wohnungen nach oben.19.14 klopft Emma zaghaft an Paddys Tür. Sie ist schon eine ganze Weile
aus dem Krankenhaus zurück. Sie hat jedoch noch eine Weile benötigt, um sich zu sammeln und das Gesagte zwischen sich und Dave zu verarbeiten.
Ein Abend in netter Gesellschaft ist genau das, was sie nach diesem Tag gebrauchen kann.
Als Paddy die Tür öffnet, schaut er mal wieder in ein vom Weinen gerötetes Augenpaar.
"Alles okay?" fragt er vorsichtig.
Emma nickt. "Ja, ist es. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir anstatt Tee heute Abend mit Wein vorlieb nehmen?"
Paddy grinst.
"Aber nur unter einer Bedingung. Ich zahle."Als die beiden am Blumenau ankommen, ist es schon gut besucht. Am Tresen sind bereits alle Plätze belegt. Paddy und Emma setzen sich an einen Tisch ganz weit hinten. Emma ist das ganz Recht und sie beschleicht das Gefühl, dass auch Paddy nichts dagegen hat, dass sie etwas fernab vom Trubel und von neugierigen Blicken sitzen.
Die Karte bietet zwar keine große Auswahl an Weinen, sie entscheiden sich aber schließlich für eine Karaffe mit trockenem Rotwein.
Paddy hat auf dem kurzen Fußweg hierher kaum ein Wort gesprochen.
Emma glaubt, dass er ihr das Reden überlassen möchte. Er scheint zu spüren, dass der Besuch im Krankenhaus sehr emotional und aufwühlend war. Emma ist so dankbar für sein empathisches Wesen. So oft hat ihr dieses in letzter Zeit über den ein oder anderen Zusammenbruch hinweggeholfen."Auf uns." Emma hebt das Glas und stößt es an Paddys.
Er lächelt sie an. Seine dunklen Augen strahlen etwas Warmes aus. "Auf uns und unsere gute Nachbarschaft."
Emma senkt den Kopf und starrt vor sich auf die Tischplatte. "Wer weiß, wie lange die noch bestehen wird.." flüstert sie leise.
"Wie meinst du das?" Paddys Stimme klingt deutlich überrascht.
Emma hebt wieder den Kopf und schaut ihn an.
"Dave hat sich heute von mir getrennt. Er wird nach dem Krankenhausaufenthalt direkt ausziehen und nach dem Aufenthalt bei seinen Eltern auch nicht wieder zurückkehren. Ich weiß nicht, ob und wie lange ich mir die Wohnung allein überhaupt leisten kann. Durch meine Selbstständigkeit habe ich monatlich kein festes Einkommen, mit dem ich kalkulieren kann."
Paddys Blick wirkt nun deutlich besorgter.
"Und wie geht es dir damit?" Sein Blick ruht auf ihr, als er das sagt.
"Damit, dass ich nicht weiß, ob ich die Wohnung halten kann?"fragt Emma schließlich.
"Auch, aber primär geht es mir um eure Trennung. Wie fühlst du dich?"
Emma klammert sich an ihr Weinglas und versucht ihr Gedankenwirrwar der letzten Stunden in Worte zu fassen.
"Hm...weißt du Paddy, im Grunde hat Dave das gemacht, wozu ich über Jahre zu feige war. Er hat diese Beziehung beendet. Klar tat es weh, als es ausgesprochen war und ich habe in den letzten Stunden ordentlich Tränen vergossen. Anfänglich war es bestimmt der Schmerz über den Verlust dieser Beziehung, doch zum Schluss waren es Tränen der Erleichterung."
Sie schaut Paddy in die Augen.
"Ich hatte ja schonmal am Rande erwähnt, dass da schon lange keine Liebe mehr im Spiel war..."
Gerade als Emma weiterreden möchte, betreten zwei Frauen das Blumenau und schauen sich suchend um.
"Fuck, lass uns hier abhauen." Paddy nimmt Emma an die Hand und zieht sie nach oben...
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Von Allem Ein Bisschen
FanfictionEmma wohnt mit ihrem Freund in einer wunderschönen Altbauwohnung in der Dresdner Neustadt. Nach außen scheint alles so perfekt. Eines Tages findet der neue Nachbar Emma in Tränen aufgelöst im Treppenhaus und die Fassade droht zu bröckeln...