Der Schlüssel

392 43 5
                                    

Emma hastet mit zwei Papiertüten gefüllt mit Einkäufen durch die Neustadt. Der Himmel hängt wieder verdächtig voller dunkler Wolken und sie möchte noch vor dem nächsten Regenguss ihre Haustür erreichen.  Heute ist mal wieder einer dieser Tage an denen sie das ganze Kopfsteinpflaster hier verteufelt.
Mit kleinen tippeligen Schritten versucht sie über die großen unebenen Steine zu sprinten, die vom letzten Schauer noch ganz nass sind. Sie geht fest davon aus, dass sie äußerst albern dabei aussieht.
Gerade als sie die rettende Haustür erreicht hat und in ihrer Tasche nach dem Schlüssel sucht, wird sie von der Seite angesprochen.
"Ähm, hallo...hallo du, kann ich dich mal was fragen?"
Emma dreht sich um und schaut in das Gesicht einer jungen Frau.
Noch bevor Emma auf die Frage antworten kann, richtet diese schon die nächste Frage an sie.
"Weißt du, ob Paddy Zuhause ist?"
Erst jetzt bemerkt Emma, dass dahinter noch eine weitere Frau steht, die Emma mit großen fragenden Augen anschaut.
Beide sind äußerst hübsch, ungefähr in Emmas Alter, sehr schlank mit schlichten Frisuren. Vielleicht etwas stark geschminkt, aber jeder wie er mag, denkt sie sich. Beide tragen dunkle aber unterschiedliche Kleider mit dezentem Muster und darüber eine Strickjacke.  Emma empfindet das Outfit etwas unpassend für diese  Wetterverhältnisse. Ohne ihre Softshelljacke geht sie nämlich momentan nicht vor die Tür.

"Ähm, keine Ahnung." antwortet Emma schließlich, während sie den Schlüssel in das Türschloss steckt.
"Aber er wohnt doch hier, oder etwa nicht?" fragt die Frau nun fast etwas panisch.
Emma wirft ihr nur noch kurz einen verdutzten Blick zu, bevor sie ins Haus tritt und die schwere Holztür hinter ihr ins Schloss fällt.
Emma wundert sich, dass sie erst gefragt wird, ob Paddy Zuhause ist und dann daran gezweifelt wird, ob er überhaupt hier wohnt.

Schwerfällig schleppt sie ihre Einkäufe drei Stufen nach oben zu den Briefkästen.
Wäre Dave nicht gerade bei der Bandprobe, könnte er ihr die Einkäufe bis in die letzte Etage schleppen.
Jetzt muss sie allein versuchen alles unbeschadet nach oben zu bekommen.
Gerade als sie sich dazu entschließt zunächst die eine und danach die andere Tüte nach oben zu tragen, öffnet sich die Tür zum Hinterhof und Paddy kommt freudestrahlend auf sie zu. Im Hinterhof befinden sich die Anwohnerparkplätze. Hier in der dicht bebauten Dresdner Neustadt ist das echt Gold wert.
"Hey Emma, warte ich helfe dir"
Paddy schnappt sich die zweite Tüte, die Emma eigentlich später holen wollte und geht hinter ihr die Treppe nach oben.
"Dein Besuch wartet draußen. Vielleicht solltest du unten an der Haustür und oben endlich mal dein Namensschild anbringen." teilt Emma ihm mit, während sie beide schnaufend die Etagen erklimmen.
"Mein Besuch?" Paddy bleibt kurz stehen und schaut sie fragend an.
"Ich erwarte keinen Besuch."
"Ja, aber da stehen zwei Frauen unten vor der Tür, die mich gefragt haben, ob du Zuhause bist."
Paddys Miene verdunkelt sich kurz
"Ah, okay, ich werde mich gleich darum kümmern."
Emma ist von seiner Reaktion etwas überrascht, sie möchte jedoch nicht weiter nachbohren, weil sie irgendwie das Gefühl hat, dass er nicht weiter darüber reden möchte.
Als sie oben angekommen sind, stellt Paddy die Tüte vor Emmas Wohnung ab und schaut sie besorgt an.
"Geht es dir denn gut? Du warst schon ein paar Tage nicht bei mir."
Emma wagt es nicht, seinen Blick zu erwiedern, stattdessen starrt sie auf die alten Steinfliesen am Boden.
"Nunja, das ist ja eigentlich ein ganz gutes Zeichen." flüstert sie leise.
"Stimmt" gibt er ihr Recht.
"Kannst du kurz hier warten, ich habe noch was für dich."
Emma hebt den Kopf und schaut ihn überrascht an, während er schnellen Schrittes zu seiner Wohnungstür eilt und diese aufschließt.
Kurz danach steht er wieder vor ihr und lächelt sie an.
Er nimmt ihre Hand, öffnet vorsichtig die Handfläche und legt etwas hinein.
Als Emma diese wieder öffnet, starrt sie auf einen einzelnen Schlüssel an dem ein grünes Kleeblatt aus Metall hängt.
"Paddy, was ist das?" Sie schaut ihn völlig ungläubig an.
"Mein Wohnungsschlüssel, beziehungsweise ein Wohnungsschlüssel von mir."
Emma versteht gar nichts mehr, ihre Gedanken drehen sich im Kreis.
"Was soll ich denn damit?" Sie weiß überhaupt nicht, wie sie das jetzt interpretieren soll.
Paddy schaut ihr tief in die Augen.
"Pass auf Emma, aus meinem Dies & Das ist in den letzten Tagen etwas mehr geworden. Ich werde in den nächsten Tagen, vielleicht auch Wochen nicht in Dresden sein und wenn nur kurz. Ich kann nicht entspannt abreisen, wenn ich nicht sicher sein kann, dass du nicht wieder im Treppenhaus sitzen musst." Seine Augen schauen sie besorgt an.
"Paddy, dass kann ich aber nicht, ...ich meine das geht nicht, ich kann doch nicht einfach..."
Paddy nimmt ihre Hand und hält sie fest.
"Emma, bitte tu mir diesen Gefallen. Ich möchte mir keine Sorgen um dich machen müssen."
Emma nickt. "Ich kann dir nichts versprechen. Aber ich versuchs." Sie lächelt ihn an.
Gerade als sie ihn fragen möchte, was er in der nächsten Zeit so treiben wird, klingelt sein Handy. Er drückt noch kurz ihre Hand, bevor er ans Handy geht und in seiner Wohnung verschwindet.

Emma räumt die Einkäufe in den Kühlschrank und setzt sich anschließend an den Küchentisch, um einen Kaffee zu trinken

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Emma räumt die Einkäufe in den Kühlschrank und setzt sich anschließend an den Küchentisch, um einen Kaffee zu trinken. Vor ihr liegt Paddys Schlüssel. Mit ihren Fingern fährt sie die Rundungen des Kleeblatts nach. Sie ist immer noch ganz gerührt von seinem Freundschaftsdienst. Jetzt muss sie nur noch einen passenden Platz finden, wo sie den Schlüssel vor Dave verstecken kann. Er würde in ca zwei Stunden von der Bandprobe kommen, bis dahin hat sie sicher einen sicheren Platz gefunden.
Zu gern würde sie wissen, was Paddy die nächsten Tage und Wochen so treibt. Sein Leben wirkt auf Emma wie ein großes Mysterium. Er hat keinen festen Rhythmus zu dem er immer das Haus verlässt, oder wiederkommt. Oft hat er den Raum verlassen und telefoniert, wenn sie bei ihm war. Sie hat jedoch nie wirklich mitbekommen, worum es in diesen ganzen Telefonaten ging.
Noch mehr würde Emma jedoch interessieren, was es mit den beiden jungen Frauen von vorhin auf sich hat. Paddys Reaktion war äußerst komisch und sie kann  sich überhaupt  nicht erklären, welche Rolle sie in Paddys Leben einnehmen. Irgendeine Rolle scheinen sie ja zu spielen. Woher wussten sie sonst, dass Paddy hier wohnt.
Vielleicht war eine davon Paddys Freundin,...oder nein, vielleicht seine Exfreundin? Vielleicht ist Paddy ja vor ihr nach Dresden geflohen und versteckt sich jetzt hier in der Wohnung. Das würde auch erklären, warum er noch kein Namensschild angebracht hat. Eigentlich geht es Emma nichts an, aber Paddy macht so ein Geheimnis um seine Person, dass ihre Neugierde geweckt ist.
Sie steht auf, um aus dem Fenster zu gucken und herauszufinden, ob die Mädchen immer noch vor der Haustür stehen, oder ob Paddy sie inzwischen rein gebeten hat.
Als sie aus aus dem Fenster schaut, kann sie die beiden zunächst nicht entdecken, bis ihr Blick auf die andere Straßenseite fällt. Dort sitzen die beiden auf einer Bank, haben die Köpfe zusammengesteckt und unterhalten sich, während sie immer wieder verstohlen zur Eingangstür gucken.
Emma wundert sich über dieses komische Verhalten und kann nur den Kopf schütteln.
"Komische Weiber" denkt sie sich, während sie sich wieder hinsetzt und ihren Kaffee weiter trinkt.

Von Allem Ein BisschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt