Die Umarmung

355 31 10
                                    

"Jetzt hör mir mal zu Dave, du hast auch in dieser Wohnung gelebt. Die Nebenkostenabrechnung bezieht sich auf das letzte Jahr, demnach hast du dich ebenso an den entstandenen Kosten zu beteiligen. Außerdem bist du unserem Vermieter noch deinen Anteil für die Miete schuldig, die du mir zugesichert hat."
Emma hat Mühe, dass ihre Stimme nicht einen schrillen Ton annimmt und sie kaum noch zu verstehen ist. In ihr brodelt es. Nicht das erste Mal versucht sie Dave davon zu überzeugen,  dass er auch seinen Anteil an der Nachzahlung der Nebenkosten und der Miete zu leisten hat. Alles was Emma entgegen schlägt, ist die eisige Kälte, die ihr nur allzubekannt vorkommt.

Er hatte sich kein bisschen geändert.
"Ich darf dich daran erinnern, dass du als einzige Mieterin im Mietvetrag  stehst. Wenn du der Meinung bist, weiterhin allein dort zu wohnen, dann mache mich nicht dafür verantwortlich, wenn dir jetzt die Kosten über den Kopf wachsen."
Sie kann deutlich hören, dass ein hämisches Grinsen auf seinen Lippen liegt.
"Dave, es geht um LETZTES JAHR, nicht um dieses Jahr." Emma ist kurz davor die Fassung zu verlieren.
"Mir egal, bei mir gibt's eh nichts zu holen..  ", noch ehe Emma etwas entgegnen kann, hat er aufgelegt.
Ihr entfährt ein schriller Schrei.
Das  ältere Paar, dass ihr gerade entgegen kommt guckt sie völlig entsetzt an und wechselt die Straßenseite, noch bevor sie auf dem Fußweg aufeinander treffen.

Als Emma an dem kleinen italienischen Feinkostladen ankommt, muss sie zunächst tief einatmen, bevor sie das Ladenlokal betritt.
In ihrer Jackentasche fischt sie nach dem 100€ Schein, den Paddy ihr heute morgen mit den Worten  "Kauf uns was Leckeres für einen gemütlichen Abend", zugesteckt hatte.
Sie hat mit ihm noch nicht über ihre konkrete finanzielle Situation gesprochen. Er weiß, dass es finanziell nicht so rosig bei ihr aussieht. Dass ihr das Wasser nahezu bis zum Hals steht, hat sie ihm gegenüber aber bisher  verschwiegen.
Sie weiß, dass er nicht auf den Kopf gefallen ist und so übernimmt er in den letzten Tagen sämtliche Kosten für Restaurantbesuche und Lebensmittel. Es wird nicht darüber gesprochen, dass sie ihm die Hälfte des Geldes zahlen soll.
Jedes Mal, wenn sie beim Zahlvorgang nach ihrem Portemonnaie fischt, in dem eh gähnende Leere herrscht, legt er ihr die Hand auf den Unterarm und lächelt sie an, bevor er schließlich das Bezahlen überninmt.
Emma ist das mehr als unangenehm, jedoch bleibt ihr momentan nichts anderes übrig, als es dankend anzunehmen.

Unentschlossen steht Emma vor dem Kühltresen und betrachtet die üppige Auswahl an Antipasti.

"Mario, pack mir bitte von allem ein bisschen ein. Mein Freund und ich wollen es uns heute richtig gut gehen lassen."

"Dein Freund?" Marios braune Augen schauen Emma funkelnd an.
Er kannte sie und Dave schon seit vielen Jahren. Oft hat er das Catering für die ein oder andere Veranstaltung von Emmas Agentur ausgerichtet.
Mario konnte Dave nie leiden. Er sagte ihr immer, dass seine Augen böse sind und sein Blick wie der eines jungen umtriebigen Wolfes auf der Jagd wirkt.
Emma hatte ihm nie gesagt, wie Recht er mit seiner Vermutung hatte, dennoch war Mario stets davon überzeugt Emma an einen seiner zahlreichen Cousins zu verkuppeln.

"Ist er Italiener?" möchte er schließlich von Emma wissen.
Sie schüttelt den Kopf "Nein, er ist Ire."
"Macht nichts, fängt auch mit 'i' an. Lasst es euch schmecken."
Mit einem Zwinkern reicht er Emma die prall gefüllte Tüte über den Tresen.

Beladen mit der leckersten Antipasti und zwei Flaschen trockenem Rotwein klingelt Emma bei Paddy.

Ihm fallen fast die Augen aus dem Kopf, als er die Tür öffnet und sieht, was Emma alles besorgt hat.
"Hast noch jemanden eingeladen?", möchte er mit einem frechen Grinsen auf den Lippen wissen.

Emma drückt ihm die Sachen in die Hand.
"Quatsch nicht, mach dich lieber schonmal nützlich. Ich bringe nur schnell meine Post in die Wohnung und tätige einen schnellen Anruf für die Arbeit, dann komme ich rüber."
Bevor Paddy widersprechen kann ist Emma auch schon hinter ihrer Wohnungstür verschwunden.

Gerade als Emma mit dem Anruf für die Agentur fertig ist und das Telefon zurück zur Ladestation im Flur bringt, fällt ihr Blick auf den Stapel Post, den sie vorhin aus dem Briefkasten geholt hat.
Ganz oben liegt ein Brief, den sie zuvor nicht bemerkt hat.
Mit Druckbuchstaben hatte jemand fein säuberlich "Emma" auf die Vorderseite geschrieben. Ein Absender ist nicht zu erkennen.
Etwas zaghaft greift Emma nach dem Umschlag und öffnet ihn.

Plötzlich fallen drei Fotos heraus, direkt vor ihre Füße. Bereits, als sie sich nach unten beugt, um die Bilder aufzuheben, kann sie erkennen, was darauf abgebildet ist und es schnürrt ihr förmlich die Kehle zu.

Schnellen Schrittes geht Paddy zur Tür als es klopft

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.


Schnellen Schrittes geht Paddy zur Tür als es klopft.
"Warum kommst du denn nicht einfach rein, schließlich hast du einen Schlüssel?", ruft Paddy während er schwungvoll die Tür öffnet.

Er erstarrt, als er in Emmas leere Augen schaut.
"Was ist los?", möchte er wissen.

"Kannst du mir das erklären?", mit einem Tonfall, den Paddy nicht von Emma kennt, hält sie ihm etwas unter die Nase.
Mit zittrigen Fingern nimmt er die drei Fotos in seine Hände.
Darauf zu sehen ist Paddy in inniger Umarmung mit einer Frau.
"Wo hast du die her?", er schaut sie entsetzt an.

"Heißt das, du willst nicht mal leugnen, dass du das bist?", Emmas Augen füllen sich vor Wut und Enttäuschung mit Tränen.
Langsam schüttelt er den Kopf.

"Emma, das ist nicht das, wonach es aussieht. Ich kann  dir das erklären."

Emma geht einen Schritt auf ihn zu.
"Paddy, du bist das auf dem Bild, richtig? Und das ist eine Umarmung, oder nicht? Und wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass sie dir hier auf diesem Bild einen Kuss auf den Mund drückt."  Sie tippt energisch auf das Foto in Paddys Händen, wo er in eindeutiger Pose mit einer Frau abgelichtet ist.

Paddy versucht ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter zu legen.
"Ich kann dir das erklären Emma, hör mir doch wenigstens mal zu." Er fleht sie förmlich an.

Sie schlägt seine Hand von ihrer Schulter.
"Ich will keine Erklärung von dir, Paddy. Du bist tatsächlich kein bisschen besser als all die anderen Typen da draußen." Emmas schrille Worte hallen durchs Treppenhaus.

Mit einem Schwung schmeißt sie Paddys Wohnungschlüssel vor seine Füße.
"Den brauche ich nicht mehr. Ich bin mit dir fertig, Michael Patrick Kelly."

Emma dreht sich um und rennt schnellen Schrittes die Treppe runter.

Sie will nur noch weg...weit weit weg.


Von Allem Ein BisschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt