Der November ging so zu Ende, wie er begann. Regnerisch.
Emma hasst die Tage an denen sie sogar tagsüber das Licht in ihrer Wohnung anmachen muss.
Überhaupt war alles in ihrer Wohnung trist und unbehaglich.Dave hatte in den letzten Tagen seine Sachen geholt, während sie im Büro war.
Wenn sie jetzt auf die kahlen Stellen schaut, an denen vorher Daves Möbel standen, wird sie jäh daran erinnert, dass sie ihr Leben jetzt irgendwie allein meistern muss.Der November und Dezember waren Monate mit sehr guter Auftragslage und sie würde keine Probleme haben, die anfallenden Kosten zu stemmen. Vielmehr machte sie sich Sorgen, wie es danach weiter gehen soll.
Der Schmerz über das Ende dieser Beziehung war längst verflogen, beziehungsweise war sie sich gar nicht richtig sicher, ob sie überhaupt jemals sowas wie Trennungsschmerz verspürt hatte.
War es nicht vielmehr die Wut und Trauer über das eigene Versagen?
Das Lügenkonstrukt das nicht mehr aufrecht gehalten werden konnte.Jetzt im Dezember würden wieder diese Tage kommen, an denen man normalerweise mit seinen Liebsten um einen Adventskranz sitzt, dem Flackern der Kerzen zusieht und den Bauch mit Plätzchen füllt.
Sie würde mit niemanden die heimelige Adventszeit genießen können.
Dave war weg, und ihre Familie lebte weit entfernt. Die Anzahl ihrer Freunde konnte sie inzwischen an einer Hand abzählen. Das war auch etwas, das die Beziehung zu Dave mit sich brachte -Einsamkeit.
Es war einfacher, die Lügen nur einem kleinen Kreis von Menschen aufzutischen, anstatt bei einem großen Freundeskreis den Überblick zu behalten.Sie hatte Paddy seit einer gefühlten Ewigkeit nicht gesehen. Die Arbeit verschlang nahezu ihre ganze Freizeit. Sie wusste, dass nach Weihnachten die Auftragslage deutlich einbrechen würde und sie wieder wesentlich mehr Freizeit hätte.
Ihrer Meinung nach ein total schlechtes Timing, jetzt wo sie das Gefühl hatte, dass sie und Paddy irgendwie miteinander verbunden waren.
Der Abend, an dem er sie vor Daves Wutausbruch schützte, hatte beide auf eine unsichtbare Art und Weise näher zueinander gebracht.
Jedes Mal, wenn sie an ihn dachte, machte ihr Herz einen Sprung und eine wohlige Wärme kroch ihren Körper empor.
Sie vermisste ihn.
Paddy hatte das Gefühl, als würde er sich zeitweise in einem Winterschlaf befinden.
Draußen wurde es gar nicht mehr richtig hell, so dass er sich meist erst gegen Mittag aus dem Bett schälte.
Nachmittags machte er sich dann oft auf den Weg in die Kommune. Dort halfen er Jork dabei ein neues Tonstudio einzurichten.Er hatte Emma seit Tagen nicht gesehen. Wenn er tagsüber bei ihr klingelte öffnete ihm niemand und wenn er spät abends nach Hause kam, war das Licht in ihrer Wohnung bereits erloschen.
Sie hatte ihm erzählt, dass sie bedingt durch die ganzen Feiern und Weihnachtsmärkte viel zu tun haben würde, dennoch machte es ihn traurig, dass er sie nicht mehr zu Gesicht bekam.Er hoffte, dass sie auch so gern in seiner Nähe war, wie er in ihrer.
Anscheinend hatte er da aber einen völlig falschen Eindruck gewonnen.
Emmas Leben war momentan mit schmerzlichen Veränderungen und Trennungen gefüllt. Wie konnte er glauben, dass sie noch Platz für ihn haben würde, in diesem ganzen Tohuwabohu?
Paddy hatte heute mit Micha und Jork noch eine kleine Jam-Session gemacht, bevor er sich schließlich auf dem Weg nach Hause begab.
Es hatte leicht geschneit und die Straßen waren menschenleer. Selten kam ihm ein anderes Auto entgegen, von dessen Scheinwerferlicht er geblendet wurde. Die meiste Zeit fuhr er durch stockdunkle Nacht, bis er schließlich Zuhause ankam.Mühsam quält er sich die Stufen durch das Treppenhaus hoch in die 4.Etage. Er wurde allmählich von einer bleiernen Müdigkeit gepackt.
Gerade als er den Schlüssel in sein Schloss stecken will, wird die Tür hinter im geöffnet und ein schmaler Lichtkegel fällt ins Treppenhaus."Paddy?"
Als er sich zu ihr umdreht, steht sie in einen Bademantel gewickelt in ihrer Tür und schaut ihn müde an.
Er macht einen Schritt auf sie zu.
"Warum schläfst du noch nicht? Wie spät ist es? 3Uhr?""Halb vier." Sie lächelt ihn an.
"Ich habe auf dich gewartet, weil ich dich fragen wollte, ob du mich morgen auf den Adventsmarkt in der Kommune begleitest?"Paddy fängt an, über das ganze Gesicht zu strahlen. Heute herrschte bereits reges Treiben auf dem Schlossgelände, alle waren mit Vorbereitungen beschäftigt und er hatte überlegt, morgen vielleicht kurz vorbei zu schauen. Sicher war er sich aber nicht.
Jetzt wo er die Aussicht auf eine zauberhafte Begleitung hatte, sah das natürlich ganz anders aus.
"Sehr gern."Sie schenkt ihm ein zauberhaftes Lächeln.
"Ich freu mich. Unsere Agentur hat nämlich die diversen Bands und Walking-Acts dort vermittelt und ich müsste auch mal nach dem Rechten sehen. Also haben wir eine Verabredung?""Wir haben eine Verabredung." Paddys Augen funkeln sie an.
"Super, dann bin ich gegen halb 5 bei dir." Sie hebt nur noch einmal kurz die Hand zum Abschied und ist dann auch schon wieder hinter ihrer Wohnungstür verschwunden.
Paddy lenkt seinen Wagen über die dunklen Straßen Richtung Schloß der Künstlerkommune.
Es ist schon eine Weile her, seitdem Emma das letzte Mal dort war.
An einer kaum befahrenen Landstraße parkten sie das Auto etwas abseits. Die letzten Meter zum Schloss würden sie zu Fuß zurück legen.
Mehrere kleine Menschengruppen schoben sich den breiten Kiesweg zum Schloss hinauf.
Links und rechts wurde dieser von kleinen Fackeln gesäumt.
In der Luft lag ein Duft nach Feuer und süßem Gebäck.
Da war es auf einmal, dieses heimelige Gefühl der Adventszeit, das Emma in den letzten Tagen so sehr vermisst hatte.Als sie durch den steinernen Torbogen treten, macht sich bei Emma umgehend ein sehr behagliches Gefühl breit.
Überall waren kleine Stände aufgebaut, an denen Kunsthandwerk zum Verkauf angeboten wurde.
Zwischendrin gab es eine reichliche Auswahl an diversen Köstlichkeiten.
Emma und Paddy steuerten zunächst einen Stand mit Glühwein an.
"Einen zum Aufwärmen?" fragt Paddy sie verschmitzt.
"Sehr gern." sie lächelt ihn an.Obwohl sie sich so lange nicht gesehen hatten, war die Stimmung zwischen ihnen sofort wieder sehr vertraut.
Emma erzählt von dem Stress der letzten Arbeitstage und der mauen Auftragslage, mit der sie im Januar rechnen muss.
Sie spürt, wie er an ihren Lippen klebt und jedes ihrer Worte aufmerksam verfolgt.
Zwischendurch nimmt sein Blick einen Ausdruck an, den Emma nicht deuten kann..."Wäre es okay für dich, wenn ich dich kurz hier allein lasse?" fragte Emma nachdem der erste Glühwein ihre Kehlen heruntergeflossen war.
"Ich müsste mich nur mal kurz bei der Band und den Walking Acts blicken lassen."Paddy nickt.
"Kein Problem, ich warte hier auf dich."Kurz darauf ist Emma im bunten Treiben des Schlosshofes verschwunden.
Paddy lässt sich auf eine der vielen Bierbänke fallen und checkt die Nachrichten auf seinem Handy, als er plötzlich von der Seite angesprochen wird.
"Hallo Paddy."Als er aufschaut blickt er in zwei weibliche Augenpaare.
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Von Allem Ein Bisschen
ФанфикEmma wohnt mit ihrem Freund in einer wunderschönen Altbauwohnung in der Dresdner Neustadt. Nach außen scheint alles so perfekt. Eines Tages findet der neue Nachbar Emma in Tränen aufgelöst im Treppenhaus und die Fassade droht zu bröckeln...