Kapitel 4

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Ich wachte auf. Hmmm, das Bett auf dem ich lag fühlte sich so komisch an.
"Nein, nein, nein, nein. Sie werden sich jetzt nicht bewegen. Nur die Augen öffnen. Sie befinden sich in einem Krankenhaus. Nicht erschrecken."
Waaaaas?! Oh Gott, hatte ich getrunken? Ich hatte mir doch fest vorgenommen, nicht anzufangen, zu trinken, obwohl es mich sicherlich von so manchem Schmerz befreien würde.

"Was ist passiert?"
"Ein gewisser Andrew Carter hat Sie gestern Abend hierher gebracht. Sie waren bewusstlos. Er meinte, er hätte keine Ahnung, was mit Ihnen los sei." Oh Gott, mein Chef hatte mich hierher gebracht?
„Habe ich irgendwelche Verletzungen?"
„Sie hatten innere Blutungen und Sie haben die ganze Nacht und den Tag verschlafen. Es ist bereits 23.00 Uhr nachts. Wir haben die Blutungen aber gestoppt und morgen können wir Sie dann schon entlassen."
Ich musste über Nacht bleiben?!
„Oh. Ja toll. Ich habe keine Wechselklamotten."
„Kein Problem. Andrew Carter hat sich bereit erklärt Ihnen ein paar von seinen zu bringen, da er nicht wusste, wo Sie wohnen."
Die Krankenschwester lächelte nett.
„Oh! Super.", grummelte ich.
„Was ist denn eigentlich passiert?", fragte die Krankenschwester.
Musste ich jetzt erzählen? Mist, ich sah ihren Blick. Die würde nicht locker lassen.
„Ein Kollege", ich betonte das Wort extra, „hat mich zwei Mal fest in den Bauch geschlagen. Ich möchte noch Anzeige gegen ihn erstatten."

Die Krankenschwester war sichtlich entrüstet.
„Wer macht den so etwas?! Das ist ja unerhört!
Ich kann Ihnen direkt ein Telefon bringen, um die Polizei zu informieren."
Ich nickte.
„Das wäre gut."

Zwei Stunden später klopfte es.
Ich ging davon aus, dass es die Krankenschwester war, die mich heute schon den ganzen Tag zur Weißglut getrieben hatte, demnach war mein Tonfall auch sehr genervt.
„Heeeerein."
Die Tür ging auf und dort stand Herr Carter.
Mit einer kleinen Reisetasche.
„Oh. Guten Abend Herr Carter."
„Ich bringe Ihnen Zahnputzzeug, Anziehsachen, die von mir sind und noch paar andere Sachen."
„Danke. Ach ja, morgen um 12.30 Uhr wäre eigentlich ein Interview mit Mad, Sie wissen schon, der Autor... Können Sie das übernehmen?"
„Ja. Bringen Sie sie mir bitte baldmöglichst zurück. Und seien Sie bitte ehrlich, wenn es Ihnen nicht gut geht. Den Vertrag können Sie mir dann morgen geben."
Dann verließ er das Zimmer.
Es war ja ganz nett von ihm, mir Anziehsachen zu bringen, aber von ihm?! Ich meinte, es gab doch bestimmt welche vom Krankenhaus und Zahnputzsachen auch...

Ich schaute in die Tasche.
Ein Pulli, eine Hose, Socken, Kulturbeutel, na ja. Immerhin keine Unterwäsche. Das wäre sonst peinlich geworden.

Es kam noch eine Krankenschwester. Sie wusch mich und putzte mir die Zähne.
Sehr Peinlich.
Morgen musste ich wieder fit sein, deswegen legte ich mich schlafen. Was komisch war, weil ich ja schon lag.

Um 7 Uhr war ich bereits wach und mir tat tatsächlich fast nichts mehr weh. Genau wie die Krankenschwester gesagt hatte.
Ich läutete.
Kurz darauf war schon eine Krankenschwester da, bei der ich mich erkundigte, ob ich aufstehen dürfe.
Ich durfte, da meine Verletzung wohl nicht so schwerwiegend gewesen war.
Sie half mir trotzdem beim Anziehen.
Ich musste mich ja schließlich noch schonen.

Die Anziehsachen, die ich jetzt trug  rochen ein bisschen nach dem Aftershave, dass Herr Carter immer hatte.
Irgendwie roch es ziemlich gut.
Das war mir noch nie aufgefallen.

Am späten Nachmittag durfte ich dann endlich nach Hause gehen. Besser gesagt ein Taxi fuhr mich.
Den Vertrag, der in meiner Handtasche gewesen war, unterschrieb ich nach mehrmaligem Durchlesen. Man konnte ja nie vorsichtig genug sein.
Ich freute mich schon Chefin der Finanzabteilung zu werden.
Ich „besaß" somit dann 1/3 der Firma, Andrew 1/2 und Herr Anderson 1/6.

Seit wann nannte ich ihn Andrew?
Das ging irgendwie leichter von der Zunge.

Ich war dann doch erst mal so geschafft von dem ganzen Krankenhauszeug, dass ich mich hinlegte.
Natürlich nicht ohne vorher zu duschen.
Kalt verstand sich.

Im Bett hing ich dann mal wieder meinen Gedanken nach.
Der vorgestrige Arbeitstag hatte mich sehr getroffen. Sehr.
Es war wieder wie im Kinderheim, wo ich nach dem Tod meiner Eltern gewesen war.
Ich wurde verachtet, geschlagen, gehänselt und beschimpft.
Es war nicht so, dass sich alle gegen mich verschworen hatten.
Nein, jeder kämpfte für sich alleine gegen die anderen.
Ich war immer schon alleine gewesen. Ich würde auch weiterhin klarkommen.
Seit 27 Jahren alleine. Seit 4 Jahren mit keinem Mann mehr geschlafen.
Allein.

Früher war ich immer in den Sex Club  gegangen. Ich wollte alles vergessen: Wer ich war, warum ich dort war, alles.
Der Sex war meistens gut. Doch nach 5 Jahren nicht mehr das, was ich wollte.
Ich hatte es außerdem nicht nötig, in einen Sex Club zu gehen. Ohne Sex ging es auch.
Ganz normal.
Okay, vielleicht nicht normal, aber auch nicht schlimm.

Am nächsten Morgen scannte ich den Vertrag ein, da ich laut Krankenschwester noch einen Tag zu Hause bleiben sollte.
Ich schickte ihn dann per Mail zu Andrew.

Danach folgte meine Morgenroutine und ich setzte mich an meinen Laptop, um wenigstens von zu Hause ein bisschen was arbeiten zu können.

Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ein kurzes vibrieren.

Eine neue E-Mail.

Oh, von wem denn? Na ja, eigentlich war es ja klar. Fast niemand sonst hatte meine Mailadresse.

Sehr geehrte Frau Foss,

ich hoffe, Sie erholen sich.
Da Sie nun zu 1/3 die Firma leiten, möchte ich Ihnen ein paar Informationen geben.
• Sie werden mich auf alle Treffen, die mit dem Verlag zu tun haben begleiten
• Sie werden sich mit mir um die Firma „kümmern" (Sitzungen zu neuen Plänen, Monatssitzungen, ...)
• Sie haben jetzt Verantwortung

Grüße
Carter

Nett, wie immer.
Sie haben jetzt Verantwortung.
Als ob ich das nicht wüsste.
Morgen ging dann ein neuer Teil meines Lebens los.
Chefin der Finanzabteilung.
Hörte sich schon gut an.
Ich würde mich bei meinen neuen Kollegen
vorstellen, mich in die Themen einarbeiten, jedoch meinen jetzigen Schreibtisch behalten.
Ich konnte ja immer mal wieder zur Finanzabteilung „rüber schauen".

Ich arbeitete einige Sachen, für die ich in der Arbeit normalerweise keine Zeit fand und die Zeit verging recht schnell.

Irgendwann lag ich dann im Bett.
Und träumte von...
Andrew?!

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