Kapitel 42

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Es war eine weitere Woche, nach meinem Abenteuer in Paris vergangen und nichts wirklich Erwähnenswertes passiert. Andrew hatte ich nicht zu Gesicht bekommen und auch nicht freiwillig aufgesucht und ich hatte bereits zehn neue Kollegen eingestellt. Zehn war eine ganz schön große Zahl und die Personalabteilung hatte viel Mühe, sie in alles einzuarbeiten und ihnen zu erklären wie es hier so ablief. Wenn die Probezeit in sechs Wochen um wäre, würde ich mich dann noch um die fehlenden vier, die momentan durch Herr Ackermann und Frau Plotze ausgeglichen wurden, kümmern.

Heute war mein vorletzter Arbeitstag. Der 22. Dezember.
Ich konnte nicht sagen, dass ich mich nicht auf meinen Urlaub freute, doch es war bei weitem nicht so groß wie es die meisten meiner Kollegen verspürten.
Überall waren kleine Kugeln aufgehängt worden und es glitzerte an jedem Eck.
Auch wenn einige nicht gläubig waren, feierten sie das Fest in vollem Eifer mit.
Ich wusste jetzt schon, dass ich alleine zuhause sein würde, ohne Baum, denn die Nadeln machten mich immer so aggressiv.

In meinem Büro angekommen, hängte ich meiner Jacke über meine Stuhllehne und fuhr den Computer hoch.
Ich hatte bereits eine morgendliche Runde Joggen hinter mir, was mich eigentlich meistens frisch machte und mir einen guten Start in den Tag gab.

Da klingelte das Telefon.
Oh, ich hasste es immer noch, wenn jemand mich direkt, nachdem ich in der Arbeit angekommen war, anrief. Vor allem hatte ich dafür ja eigentlich meine zwei neuen Sekretäre, demnach musste es jemand sein, der mich direkt erreichen wollte.

"Juliette Foss aus der Personalabteilung und Finanzabteilung. Guten Morgen."
"Guten Morgen Juliette."
Nein! Es war Andrew. Wie hätte es auch anders sein können?
"Heute ist das monatliche Meeting. Es beginnt um 10 Uhr im Konferenzraum."
Nein! Ich hatte gehofft, es würde diesen Dezember wegen der Geschäftsreise und dem ganzen Weihnachtstrubel ausfallen.
"Okay, dann bis um 10 Uhr."
"Ja."
Ich wollte gerade auflegen, da hörte ich, dass er schon vor mir aufgelegt hatte.
Aha.

Bis um zehn Uhr hatte ich zum Glück noch etwas Zeit, da ich unbedingt noch einige Dateien überprüfen und in unsere Datenbank hochladen musste.
Als ich damit fertig war, war es kurz vor zehn.
Perfektes Timing.
Als ich dann vor dem Konferenzraum stand, war dieser jedoch noch abgeschlossen.
Ich ging weiter zu Andrews Büro und klopfte.

"Noch eine Minute."
Er klang etwas außer Atem. Wieso das denn?
Als er dann die Tür öffnete, erkannte ich auch den Grund, er hatte ein Regal in seinem Büro verschoben. Warum er das jetzt gerade machte, war mir schleierhaft, doch ich kümmerte mich auch nicht weiter darum.
"Kann es losgehen? Der Konferenzraum ist nämlich noch abgeschlossen. Und bisher kann ich Herrn Anderson auch noch nirgends entdecken..."
"Das liegt daran, dass das Meeting auch erst in einer viertel Stunde beginnt."
"Und ich bin 15 Minuten zu früh da, weil...?"
"Weil ich mit dir sprechen möchte."
"Es gibt nichts zu besprechen."
"Doch. Ich habe die Verlobung gelöst."

Okay, das musste ich dann doch erst einmal verdauen.
Er hatte sie gelöst? Wegen mir? War ich ihm so wichtig?
Doch was auch immer er jetzt machte, er hatte es nicht zu dem Zeitpunkt getan, an dem er es hätte tun sollen, erinnerte ich mich. Und obendrein hatte er mich angelogen.
Ich wusste genau, dass er meine Reaktion auf das Gesagte genauestens prüfte, doch ich tat ihm nicht den Gefallen und blieb kühl.
"Und das erzählst du mir, weil...?"
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich von forschend zu gequält, denn meine "Antworten" nervten ihn offensichtlich, was sie natürlich auch sollten.
"Ich dachte, es interessiert dich."
"Interessieren? Weil wir zusammen waren?" Ich betonte das waren.
"Ja und du mir immer noch etwas bedeutest."
"Andrew es bringt nichts mehr.", flüsterte ich. Ich hätte auch gar nicht laut sprechen können.
"Warum?"
"Akzeptiere es einfach."
"Nein, das werde ich aber nicht."
"Wirst du müssen."
Warum konnte er nicht einfach aufgeben und mich in Ruhe lassen.
"Verschließt du dich jetzt wieder vor mir?"
"Nein."; sagte ich mit letzter Kraft.
Es machte mich wirklich unheimlich fertig, hier mit ihm zu diskutieren.

Kurze Zeit blieb es still. Dann sprach er weiter.
"Okay. Dann lasse ich dich in Ruhe.", seine Stimme durchschnitt sein Büro.
"Ich glaube, wir sind hier fertig. Die Konferenz beginnt gleich."
"Andrew, was soll denn dieses Verhalten jetzt. Das ist kindisch."
"Für Sie bin ich Herr Carter."
Und da verschlug es mir zum ersten Mal in meinem Leben die Stimme.

"W... also... Dich siezen?"
"Sie siezen. Ja."
Dann drehte er sich um und trat zur Tür. Kommen Sie bitte mit in den Konferenzraum.
Ich verstand die Welt nicht mehr.
Was hatte ich denn jetzt gemacht?!
Konnten wir nicht einfach professionell bleiben?

Ich verließ nach ihn sein Büro und schloss die Tür hinter mir.
Herr Anderson stand schon vor dem Konferenzraum und wartete.
"Guten Morgen."
"Guten Morgen Herr Anderson.", erwiderte ich seine Begrüßung.
Andrew sagte nichts. Nur weil ich ihn jetzt siezen sollte, würde sich nichts daran ändern wie ich ihn in Gedanken nannte.

Er sperrte die Tür auf und wir setzten uns an den Tisch.
"Bevor wir über den Verlag sprechen, möchte ich Ihnen eine Umgestaltung unseres Büros vorschlagen."
Herr Anderson und ich schauten uns erstaunt an. Damit hatten wir beide wohl überhaupt nicht gerechnet.
"Da ich finde, dass wir uns untereinander besser absprechen sollten und mehr in Kommunikation treten sollten, schlage ich vor, dass Sie, Frau Foss, und Sie, Herr Anderson, hier auf dieses Stockwerk umziehen und sich eines der beiden Büros nehmen, die noch zur Verfügung stehen. So befinden wir uns dann alle auf einem Stockwerk und müssen nicht alles telefonisch beziehungsweise nachdem wir mit dem Aufzug zu dem jeweiligen Büro hinunter oder hinauf gefahren sind besprechen."

"Und wie stellen Sie sich das dann unten in den Abteilungen vor? Wer hält dort Ordnung?", fragte Herr Anderson.
"Soweit ich weiß, hat Frau Foss zwei persönliche Assistenten. Solche können Sie sich auch zur Hilfe nehmen. Wählen Sie sich eine Person Ihres Vertrauens aus und beauftragen Sie sie damit."
Herr Anderson nickte.
Ich nickte auch, aber als Zustimmung für seinen Plan.
Etwas anderes wäre Herrn Anderson und mir wohl auch kaum übriggeblieben, denn so wie Andrew es gesagt hatte, war bereits alles geplant.
"Kommen wir also zur finanziellen Lage, Frau Foss..." 

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