Kapitel 36

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Der Morgen danach war immer so ein Klischee. Und ich hasste Klischees.
Entweder er begann mit einem "Ich wachte auf, die Sonne schien durch das Fenster und mit einem müden Lächeln, begegnete mir mein wer auch immer Liebhaber mit seinem Blick." Es gab natürlich auch noch andere Alternativen, beispielsweise die "wo ist mein wer auch immer Liebhaber? Gestern war er doch noch da. Nein, er konnte sich doch nicht einfach so aus dem Staub gemacht haben."
oder das ultimative "hektische Anziehen und verschwinden, nur um zwei Stunden später wieder im selben Bett mit derselben Person zu sein."

Wie gesagt, mochte ich keine Klischees, was wohl auch der Grund für meinen "Morgen danach" sein mochte.
Denn an meinem "Morgen danach" mit Julien tropfte Wasser aus der Decke über uns, was wohl auch der Grund sein musste, warum ich aufgewacht war, denn ein großer Teil des Bettes war nass.
Über uns musste wohl irgendetwas ausgelaufen sein, denn sonst hätte es nicht in regelmäßigen Abständen von der Decke getropft.
Neben mir beschwerte sich Julien lautstark und das war das erste Mal, dass ich ihn nach der Nacht wahrnahm.
Er stand auf, um einen Eimer zu holen und ging aus dem Zimmer.
Währenddessen machte ich mich daran, mich anzuziehen, da ich nackt geschlafen hatte, was ich eigentlich hasste, aber nach dieser Nacht nicht weiter verwunderlich war.
Als Julien dann zurückkam, begab ich mich in die Küche und dann wurde mir bewusst, dass ich Élo vergessen hatte. Gleich unser zweites Treffen hatte ich vergessen! Das konnte doch nicht wahr sein.
Ich fasste mir an die Stirn.

Dann würde ich sie heute noch besuchen, bevor mein Flug ging.

Als ich zwanzig Minuten später an Juliens Haustür stand, war ich nicht so wehmütig wie ich gedacht hatte.
"Jetzt gehst du endgültig."
"Ja, ich denke schon."
"Du denkst?"
"Du könntest mir doch deine Nummer geben."
"Könnte ich, ja. Willst du das hier wiederholen?" IN seiner Stimme schwang Unglauben mit.
"Nein, denke ich nicht, aber wir können doch in Kontakt bleiben."
"Ja, können wir.", sagte er und schrieb mir mit einem Kuli, den er aus einer Schublade neben sich zog seiner Nummer auf meinen Arm.
"Magst du mich jetzt?"
"Nein, ganz sicher nicht."
"Ich dich doch auch nicht."
"Und schon wieder lügen wir beide."; meinte er.
Ich lächelte leicht.
"Mir ist schon klar, dass das nur "Rebound Sex" war, aber danke für die Nacht."
"Du bedankst dich?"
"Wieso nicht?"
"Weil du dich nie bedankst."
"Dann habe ich es dann eben jetzt gerade zum ersten Mal getan."
"Vielleicht mag ich dich doch."
"Ja, ich dich vielleicht auch. Du schreibst mir?"
"ich schreibe dir."
"Okay."
"Okay."

Er schloss die Haustür mit einem Klicken hinter mir.
Jetzt kamen mir die Stunden mit Julien noch ganz unwirklich vor, doch später würden sie harte Realität werden. Zum Beispiel, wenn ich auf Andrew treffen würde.
Sollte ich es ihm sagen?
Aber warum, er hatte mir ja auch seine Freundin verschwiegen.
Also hatte ich das gemacht, um Andrew zurückzuschlagen?
Nein, so war ich doch nicht!
Hatte ich es immer schon mit Julien tun wollen?
Nein, das war spontan gewesen.
Na ja, vielleicht doch eine Mischung aus beidem.

Ich ging die Straße runter und merkte, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte, um vor dem Flug noch Élo auf Wiedersehen zu sagen und mich bei ihr zu entschuldigen.
Jetzt saß ich mal wieder in der Patsche, weil ich bei einem Mann Gefühle zugelassen hatte, der mich betrogen hatte und ich dadurch mit einem Anderen geschlafen hatte und deswegen meinen Termin mit meiner Tante, die ich erst seit ein paar Tagen kannte, verpasst hatte und eventuell meinen Flug beim Versuch, mich zu entschuldigen, verpassen würde.
Das waren ja mal wieder ganz schön viele "unds".

Ich bog an der Kreuzung nach rechts ab, um zu Élos Wohnung zu gehen.
Als ich ihre Haustür sh, beruhigte ich mich aus irgendeinem Grund. Denn ich war sehr wohl ziemlich nervös und langsam stellten sich meine Schuldgefühle ein, die ich erstaunlicherweise doch hatte.
Wobei ich eigentlich schon immer gewusst hatte, dass ich zu solchen Gefühlen in der Lage war.

Ich betätigte die Klingel und kurz darauf ertönte das Summen, mit dem ich die Tür öffnen konnte.
Ich stieg die Treppe nach oben und wunderte mich, dass die Türe nicht wie bei meinem letzten Besuch offenstand.
Als ich dann noch einmal klingelte hörte ich eilige Schritte vor der Tür und als sie geöffnet wurde, blickte ich direkt in Andrews dunkelblaue Augen. 

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Ein kurzes Kapitel :)


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