Kapitel 29

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Ich war verwirrt und mir fiel partout nichts ein, was ich jetzt hätte machen können.
Ein Streit mit Andrew. Ein Abendessen mit meiner Tante, dich ich zwar schon zweimal in meinem Leben getroffen, aber beide Male nur als Autorin gesehen hatte. Okay, beim zweiten Mal hatte sie mir indirekt Tipps auf unsere Verwandtschaft gegeben und inzwischen wusste ich auch, was sie damit hatte bezwecken wollen, doch im Grunde war ich ratlos.
Und dann hatte ich da auch noch dieses komische Gefühl in meiner Magengegend, dass ich diesen Streit mit Andrew gewollt hatte.
Also um es zusammenzufassen: Ich hatte keine Ahnung, was ich als nächstes tun sollte, ich fühlte mich für Andrews und meinen Streit verantwortlich und... Ach was brachten solche Zusammenfassungen denn schon?
Überblick? Nein, bei mir definitiv nicht. Am Ende fand ich nur noch mehr heraus.
So wie zum Beispiel, dass Madame Rombouz mir diese kleinen versteckten Tipps nur gegeben hatte, um auf ihre Art zu fragen, ob ich bereit war, sie kennenzulernen.

Wieso musste mein Leben so kompliziert sein?
Ich war mir durchaus bewusst, dass ich hier gerade so etwas wie eine Midlife-Crisis hatte, was ich eigentlich nur aus Filmen kannte, doch ich dachte eben gerade über fast alles in meinem Leben nach.
Fast alles waren zwar nur Andrew und Madame Rombouz, doch es fühlte sich trotzdem wie eine an.

Wenn ich dieses treffen heute Abend hatte, musste ich mich vorher sowieso noch duschen, deshalb duschte ich mich, um runterzukommen. Ganz nebenbei bemerkte ich, dass Andrew das vorhin schon zu mir gesagt hatte und ich es nicht hatte wahrhaben wollen.

Ich stieg unter die Dusche und ließ mir das eiskalte Wasser über das Gesicht rieseln.
Langsam wurden meine Gedanken wieder klarer und deutlicher und ich entspannte mich ein wenig.

Ich musste das mit Andrew jetzt unbedingt wieder geradebiegen, denn mit diesem Gefühl, das ich in meinem Bauch hatte, konnte ich auf keinen Fall heute Abend zu Madame Rombouz.
Wo war er eigentlich?
Vielleicht unten im Restaurant oder der Bar.
Oder auch irgendwo in Paris, wo ich ihn nie finden würde, wenn er nicht gefunden werden wollte.
Ich stieg trotzdem aus der Dusche und zog mich an, um ihn suchen zu gehen.
Ich band mir meinen dunkelroten Mantel zu und machte mich auf den Weg.

Nach zehn Minuten war ich mir sicher, dass er sich nicht im Hotel aufhielt und trat deshalb nach draußen.
Was ich nicht bedacht hatte, dass es ersten Anfang Dezember richtig kalt war und zweitens schneite.
Die Tage, die ich hier in Paris war, waren nämlich im Vergleich zu heute noch recht mild gewesen.
Es musste jetzt zum Nachmittag hin so kalt geworden sein, denn ich konnte mich gar nicht erinnern, dass es am Vormittag schon so kalt gewesen war.

Ich versetzte mich in Andrew hinein. Wohin würde er, wenn er an genau der gleichen Stelle wie ich jetzt stehen würde, gehen?
In den Park? Nein, zu kalt.
In ein Café!
Nur leider gab es hier allein schon in der Straße, in der ich stand zehn verschiedene Cafés.
Vielleicht in eins, das er kannte.
Ja, das ergab Sinn und ich wusste nur eine Möglichkeit, die alle Kriterien erfüllte.
Das Café, wo ich ihm seinen ersten Kaffee gekauft hatte.
Ich beeilte mich sehr. Schließlich wollte ich ihn nicht verpassen.

Als ich nach zwanzig Minuten das Café erreichte, war ich ziemlich aus der Puste.
Als ich mich gerade in das Café nach drinnen bewegen wollte, fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte.
"Hey Andrew, es tut mir leid!", klang irgendwie so null acht fünfzehn.
Außerdem war es ja nicht nur das.
Ich musste an mir arbeiten. Und mich mehr in den Griff bekommen.
Und ich wollte, dass Andrew dabei an meiner Seite war.
Und ich wollte, dass er das wusste.

Nur wie sagte ich das jetzt am besten?
Ich hatte kaum noch Zeit, um zu überlegen, denn gerade als ich mich überwunden hatte, die Tür des Cafés aufzumachen, kam Andrew heraus. Und stieß mit mir zusammen.

"Was machst du hier?" Oh nein! Er war immer noch richtig sauer. Wobei das Wort verletzt es wahrscheinlich besser getroffen hätte.
"Ich wollte gerade hineingehen."
"Okay, dann mache ich dir mal den Weg frei."
"Nein. Ich wollte zwar hineingehen, aber nur weil ich vermutet habe, dass du da drin bist."

"Okay. Und was wolltest du bei mir?"
"Mich entschuldigen. Dir sagen, dass es mir leidtut."
"Mhh. Noch was?"
"Ja. Du hattest recht, mit dem was du vorher zu mir gesagt hast. Mit allem." Mal wieder, dachte ich und es erstaunte mich aufs Neue, dass er mich bereits so gut kannte.
Na ja, er hatte mich wahrscheinlich zehn Jahre lang beobachtet und so manches über mich herausgefunden.
"Und?" Er war aber auch gar nicht einsichtig. Was konnte ich denn noch tun, um mich zu entschuldigen?
"Ja, ich will, dass wieder alles gut zwischen uns ist."
"Mhhh."
Was war denn mit ihm los? Es konnte ihn doch nicht so sehr verletzt haben, dass er nicht mal nach einer Entschuldigung, die mich viel Überwindung gekostet hatte, wieder gut mit mir war.
"Hey, Andrew!" Ich wollte nach seiner Hand greifen, doch er zog sie weg.
"Was kann ich denn noch machen?"
Doch anstelle einer Antwort bekam ich nur einen von diesen Andrew-Blicken, die ich rein gar nicht deuten konnte.

Wir gingen nebeneinander weiter, ohne jedoch irgendein Wort miteinander zu sprechen.
Er beschleunigte immer mehr und ich hatte Mühe, neben ihm herzulaufen.
"Andrew!?"
"Gib mir einfach Mal Zeit, Juliette." Oh, er war wirklich immer noch sauer. Aber es hatte doch so gut zwischen uns funktioniert.

Ich reflektierte meine Handlungen vom heutigen Tag und bemerkte, dass ich mich sehr naiv verhielt. Ich dachte mit einer Entschuldigung wäre alles wieder gut und ich dachte, dass nur weil zwei Menschen sich liebten, immer alles harmonisch sein würde.
Doch es war mehr als das in einer Beziehung.
Ich wusste eigentlich so wenig über Partnerschaften, das wurde mir jetzt bewusst.
Das lag natürlich daran, dass ich bis jetzt nicht wirklich in einer echten Beziehung gewesen war.
Und noch während wir nebeneinander zum Hotel zurückgingen überlegte ich, was die Grundbausteine einer Partnerschaft waren, damit sie funktionierte.

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