Kapitel 47

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Eine Weile war jeder seinen Gedanken nachgehangen.
Dann regte sich Andrew.
"Ich hätte dir doch nicht von der Verlobung erzählt." Es hatte ihn sichtlich Mühe gekostet, diesen Satz auszusprechen.

"Das wusste ich."
"Ja?"
"Ja. Aber danke, dass du es mir jetzt noch gesagt hast. Damit steigen deine Punkte auf meiner Beliebtheitsskala."

Er sah mich erleichtert an.
Seine Augen durchbohrten meine förmlich und unter diesem Blick wurde mir schon wieder ziemlich warm, wobei es draußen ja schneite, was hieß, dass mein Körper sich mal wieder verselbstständigte.

"Du hast bei mir immer noch einige Punkte."
"Ist das so?"
"Ja und sie steigen. Du hast dich verändert. Positiv und wenn du mich weiterhin so ansiehst, dann kann ich mich nicht zurückhalten."
"Aha." Etwas anderes fiel mir auf seine Worte nicht ein, denn ich konnte nicht mehr klar denken.
Ich erinnerte mich daran, dass mal jemand gesagt hatte, man solle an viele Schafe denken, um sich abzureagieren und da meine Mitte immer heißer und feuchter wurde, musste ich diese Taktik jetzt wohl anwenden, denn auch wenn ich ihn wollte, musste ich ihn erst einmal zappeln lassen. So schnell bekam er mich dann auch nicht wieder zurück. Das hatte ich mir fest vorgenommen, wobei mein Vorhaben bei seinem Blick auf wackligen Füßen zu stehen schien.

"Du willst mich zurückbekommen, Andrew? Dann musst du dir aber schon etwas Besseres als solche Sprüche überlegen. Und außerdem muss ich dich erst einmal ein bisschen besser kennenlernen."
"Also gibst du mir noch eine Chance?"
"Vermassele es nicht."
Natürlich konnte ich nicht einfach ja sagen.
"Das werde ich sicher nicht. Nicht bei dir."
"Gut. Ich freue mich schon."
"Du kannst dich auf etwas gefasst machen."

Das klang zwar einerseits vielversprechend, doch irgendwie hatte ich jetzt auch ein mulmiges Gefühl, auf was ich mich da nur eingelassen hatte. Denn ich war mir sicher, dass er ein verdammt guter Spieler war.

"Hat der Marillen Kuchen eigentlich geschmeckt?", fragte er mich plötzlich und bei dem abrupten Themenwechsel musste ich leicht lächeln. Typisch für ihn.
"Ja, sehr gut sogar."
"Okay, dann bestelle ich mir den noch, bevor wir wieder ins Büro zurückmüssen."

Er winkte einen Kellner herbei und gab seine Bestellung auf.
"Sie haben Glück, das ist unser letztes Stück heute."
"Perfekt.", Andrew lächelte und bei diesem Lächeln wurde mir warm.
So hatte er seit Paris nicht mehr gelächelt.

Ich wurde mir immer mehr bewusst, dass er der Mann war, in den ich mich verliebt hatte und auch noch verliebt war, denn das Sprichwort, beziehungsweise war ich mir nicht sicher, was genau es eigentlich war, "Schmetterlinge im Bauch haben", ergab jetzt ordentlich Sinn.
In meinem Bauch mussten gleich tausende ausgeschlüpft sein.

Andrews Kuchen kam und er probierte sogleich das erste Stück.
"Mhhh.", er seufzte.
Dann schnitt er mit seiner Gabel ein weiteres Stück ab und hielt es mir vor den Mund.
"Du willst bestimmt auch noch einmal eins."
"Ähhm..." Ich war ein bisschen überfordert.
Er brachte die Gabel einfach so weit an meinen Mund heran, dass ich gar nicht anders konnte, als das Kuchenstück zu essen.
Die Gabel schmeckte, so komisch es auch klang, noch ein wenig nach Andrew und mir lief ein Schauer über den Rücken.
"Schmeckt's?"
"Ja." Ich schob noch ein "Obwohl du sie vorher abgeschleckt hast." hinterher.
"Das magst du nicht? Hätte ich nicht gedacht, denn deine Küsse in Paris haben mir etwas..."
"Ja, ja. Ist schon gut.", unterbrach ich ihn.

Er grinste mich an.
"Julie, ich bin so froh, dass wir uns wieder normal unterhalten können."
"Ich war ja gar nicht so sehr daran schuld, dass wir nicht geredet haben."
"Okay, Point taken."
Er sah mich mit einem Blick an, bei dem meine Knie weich wurden.
"Ich möchte einen Kuss, Julie."
Und bei diesen Worten wurden meine Knie noch weicher.
"Du musst dich erst beweisen, Andrew."
Ich hatte mir das fest vorgenommen. So schnell würde er mich nicht herumkriegen. Sonst würde er am Ende alles mit mir machen, weil er wusste, dass ich nicht lange sauer bleiben würde. Das war zwar einmal anders gewesen, doch in mein früheres Ich wollte ich um keinen Preis zurückkehren.

"Ich will aber einen!", regte er sich wie ein Kind auf. Allein der Blick passte nicht zu einem Kind.
"Bekommst du heute aber nicht."
Danach sagte er nichts mehr, doch sein Blick hatte sich nicht verändert.

Zwanzig Minuten später verließen wir das Café und gingen gemeinsam zurück zum Büro.
Schon das Wort "gemeinsam" ließ mein Herz höherschlagen.
Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich jemals so empfinden würde, doch es war Realität und es fühlte sich gut an, wenn ich auch ein wenig Angst verspürte.
Doch ich hatte mal gelesen, dass zu jeder Liebe auch Angst dazugehörte, somit war ich ein wenig beruhigt.

Als wir ein paar Meter gegangen waren, legte Andrew plötzlich seinen Arm um meine Schulter.
Erst wollte ich mich herauswinden, doch Andrew meinte nur, dass ich das gar nicht erst versuchen solle.

Er ließ seinen Arm um mich herum geschlungen bis wir das Bürogebäude erreichten.
Davor nahm er ihn weg.
"Wir sind ja kein Paar oder so.", meinte er.
"Ja, das weiß ich."

Wir gingen nebeneinander zum Aufzug und wollten gleichzeitig auf den Knopf drücken.
Als sich unsere Finger berührten verspürte ich das Kribbeln, das so oft in Büchern beschrieben wurde, und von dem ich nicht geglaubt hatte, dass es existierte. Es war fast schon eine Art Stromschlag.

Ich zog meine Hand weg und sah aus dem Augenwinkel, dass Andrew leicht grinste. So, das hatte er also extra gemacht.
Auf einmal war ich mir nicht mehr sicher, ob ich mit ihm zusammen sechzehn Stockwerke hochfahren wollte.

Ich stieg aber trotz meiner Zweifel ein, alles andere wäre ja auch komisch gewesen und stellte mich direkt in die gegenüberliegende Ecke.
"Hast du etwa Angst, dass ich über dich herfalle? Das wird nicht passieren, schließlich möchte ich dich nicht verärgern."
"Nein, nein. Ich muss mich nur immer sehr überwinden, alte Gewohnheiten abzuwerfen. Ist es so besser?" Und mit diesen Worten kam ich ihm näher. Jetzt würde ich den Spieß umdrehen.
Ich lehnte mich an ihn und drückte ihn leicht an die Aufzugswand. Mit einem Lächeln bemerkte ich, dass ich jetzt das tat, wovon ich vorher gefürchtet hatte, Andrew würde es bei mir tun.

Ich rieb mich leicht an ihm und bemerkte seine Reaktion auf mich auch sofort. Was es mir schwerer machte, nach Plan fortzufahren und nicht einfach über ihn herzufallen.
Doch als ich das Pling hörte, was bedeutete, dass der Aufzug oben angekommen war, fand ich meine innere Stärkte wieder und hauchte ihm ein "Hättest du wohl gerne." ins Ohr.
Mit diesen Worten verließ ich den Aufzug und ging in mein Büro.
Auf diesen Abgang konnte ich wirklich stolz sein.
Auch wenn in mir das Verlangen nach ihm stärker geworden war.

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Ein neues Kapitel für euch nach etwas längerer Zeit, hoffe, es gefällt euch und was haltet ihr von der jetzigen Situation? Wollt ihr, dass sie sich bald näherkommen oder soll das Ganze noch etwas länger dauern?

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