Silberfäden und Abschied

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Die Jungs nahmen Platz, Lennox setzte sich gleich neben Alea. Kurz darauf kam Sammy in den Salon. In seiner Hand hielt er eine Dose aus der er zwei Silberfäden holte und diese behutsam auf den Couchtisch platzierte.
"Waltet eures Amtes, Lennox Scorpio und Alea Aquarius", sagte er mit einer übertriebene Handbewegung. Alea musste schmunzeln, konzentrierte sich jedoch schnell wieder.

Vorsichtig nahm sie einen Silberfaden in die Hand. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Doktor Orion wie er in Rom seinen Kaffee trank und sich plötzlich erschrak, diese Vision kannte sie bereits.

Sie legte den ersten Faden beiseite und nahm den zweiten in die Hand.
Lennox und sie saßen an einer Küste um ein Lagerfeuer. Eng umschlungen kuschelten sie. Ein warmes Gefühl überkam Alea. Man hörte das Feuer knistern. Am liebsten hätte sie eine Ewigkeit in dieser Vision geschwelgt, doch dann war sie auch schon vorbei. Sie lag auch diesen Faden beiseite.

Mit einem kleinen Grinsen öffnete sie wieder ihre Augen.
"Was hast du gesehen ?", fragte Ben neugierig. Alea wurde sofort rot. Verlegen blickte sie zu Lennox.
"Ich sah uns beide. Wir saßen eng beieinander an einer Küste. Alles schien so friedlicher", beschrieb sie unbeholfen. Die Vision wirkte so wunderschön, allerdings war es Alea etwas unangenehm diese vor der ganzen Cru zu erläutern. Lennox schmunzelte glücklich, schien aber beim Thema bleiben zu wollen.
"Und die zweite Vision ?", fragt er.
"Dieselbe wie das letzte Mal, Orion in Rom", erklärte Alea leicht enttäuscht nichts Neues gesehen zu haben, gleichzeitig aber auch glücklich, dass dies immer noch eintreten solle. Schließlich konnte sich die Zukunft jederzeit verändern.

"Probier du es mal, Lennox", bat Tess ihn und reichte ihm einen Fäden. Als Landgängerin offenbarten sich für sie keine Zukunfts-Visionen sobald sie die Fäden berührte. Lennox nahm den Faden dankend an. Sofort verstarte sich sein Blick, und er schienen wie weggetreten. Plötzlich weiteten sich seine Augen und er begann schneller zu atmen. Als er den Faden beiseite legte schnappte er sich sofort den nächsten. Erneut starte er ins Leere. Aleas Knie begannen zu beben. Was hatte er gesehen? Waren sie etwa in Gefahr? Bevor sie noch tiefer in ihren Gedanken versinken konnte, war Lennox geistig wieder bei ihnen.

"Und? Was hast du gesehen ?", fragte Alea wie aus der Pistole geschossen. Lennox sammelte sich kurz bevor er sprach.
"Ich sah wie die Alpha Cru schnell durch eine Straße ran. Ich glaube wir waren auf der Flucht", sagte er besorgt, " in der zweiten Vision sah ich Alea und mich. Wir versteckten uns hinter einem Felsbrocken".
"Wovor habt ihr euch denn versteckt", hakte Ben nach. Lennox wirkte nachdenklich. Vermutlich versuchte er sich an die kurzen Filmabschnitte zu erinnern.
"Ich weiß es nicht", gab er schließlich Zähne knirschend zurück, "ich konnte nicht wirklich einschätzen ob wir uns in Gefahr befanden". Eine bedrückende Stille überkam die Truppe. Alle schienen gedankenversunken.

Reflexartig zog Sammy seine Gute-Laune-Hupe, schien sich aber dann an Lennox' Warnung vor Darkonern zu erinnern.
"Das ist mir alles zu ernst. Ich muss jetzt unbedingt in alle Ecken lachen!!", verkündete er und verschwand auch schon hinter der Türe. Das war sein Ritual um böse Geister auf dem Schiff zu vertreiben. Tess ging ebenfalls nach oben. Nur Ben, Lennox und Alea blieben im Salon sitzen.

Schließlich war es Ben, der das Schweigen durchbrach: "Vielleicht sollten wir die ganze Aktion abblasen. Das scheint mir dann doch zu gefährlich". Bedrückt fuhr er sich mit der Hand durch seine Rockstarfrisur, welche inzwischen schon zu lang war.
Ernst und fürsorglich zugleich sah er die beiden an.
In Alea überschlugen sich die Gefühle, doch dann wurde ihr Geist plötzlich klar. Der Elvarion-Modus hatte eingesetzt.
Mit starker Stimme sprach sie: "Nein! Das ist eine einmalige Gelegenheit Orion zu überraschen, ihm das Handwerk zu legen. Außerdem brauchen wir Thea!!". Im Herzen spürte sie ein leichtes Stechen, doch die Elvarion in ihr schob dies beiseite.
"Um Orion einer Lafora zu unterziehen kann es nur von Vorteil sein, dass ich wieder an Meermädchen bin", fuhr sie fort. Selbstbewusst hob sie das Kinn.

Mit ihren entschlossenen Worten schien sie Ben überzeugt zu haben, denn er nickte stolz. Zufrieden ging auch er zurück zum Deckshäuschen. Alea und Lennox waren nun alleine. Er schien immer noch in Gedanken versunken. Beruhigend nahm sie seine Hand, woraufhin er sie mit seinen auzurblauen Augen erfasste. Obwohl er Alea voll und ganz vertraute macht er sich Sorgen.
"Dir darf nichts passieren", murmelte er.
"Das wird es auch nicht. Du bist bei mir", sagte sie zuversichtlich. "Und was wenn Darkoner auftauchen? Sie sind eine ganz andere Nummer als Landgänger". Die Tatsache, dass Darkoner vor ein paar Wochen das Schiff enterten und Lennox nichts unternehmen konnte schien ihn verunsichert zu haben.

Alea wusste nicht was sie sagen sollte, weshalb sie sie beschloss garnichts zu sagen. Sie nahm ihn einfach in den Arm. Er roch nach Weite, Wärme und Wasser. So blieben sie eine Weile und sagten nichts, das war aber auch nicht nötig. Lennox schien sich beruhigt zu haben, denn er entspannt sich. Liebevoll zog er sie näher an sich ran. Alea streichelte mir ihrer linken Hand vorsichtig seinen Arm. Sie hätte ewig neben ihm bleiben können, doch dann rief Ben: "Land in Sicht!!".
Sie hörte jemanden zweimal mit den Füßen auf die Planken stampfen. Das war das Zeichen, dass alle an Deck kommen sollten. Alea löste sich aus der Umarmung, hult aber immernoch Lennox' Hand. So gingen die beiden nach oben.

Ein starker Windstoß stieß Alea die Haare aus dem Gesicht. Sammy kam auf die beiden zu gerannt. Anscheinend konnte er seine trüben Gedanken erfolgreich loswerden.
"Dort vorne ist Piombino, eine italienische kleine Stadt", beschrieb er und deutete auf eine wunderschöne Küste, "dort legen wir gleich an", fügte er hinzu.
Wie aufs Stichwort rief Ben: "Anker lichten!". Jeder ging auf seinem Posten. Alle wussten was zu tun war, und die Bande funktionierte wie ein Uhrenwerk. Ben ließ die Hercules ins Wasser. Es war zu gefährlich gleich am Strand zu halten, weshalb sie ein Stück rudern mussten.

"Ich wäre dann soweit", murmelte Ben wehmütig und Alea holte ihren Rucksack aus der Mädchenkajüte. Tess versteckte sich hinter einem Pokerface, doch ihr stand die Trauer, Alea gehen zu sehen, ins Gesicht geschrieben. Sammy hatte sogar kleine Tränchen in den Augen.
"Tschüss, Schneewittchen", jammerte er und umarmte Alea ganz fest. "Tschüss Scorpio", ging er zu Lennox.
Sogar Fussel und Tante Hildegard verabschiedeten sich mehr oder weniger. Bedrückt kletterten Ben, Lennox und Alea die Reling zur Hercules runter.
"On se verra", nuschelte Tess leise.

In Piombino angekommen umarmte Ben Lennox brüderlich. "Möge euch stets guter Wellenschlag begleiten", verabschiedete er sich und sah die beiden an. Lennox nickte ihm anmutig zu. Alea wollte noch etwas sagen, doch dann verschwand Ben auch schon wieder und ruderte mit dem Schlauchboot zurück zum Schiff. Ein Weilchen sahen Lennox und Alea ihm noch hinterher. "Verabschiedungen sind nun mal nicht sein Ding", dachte sie sich.

Nun waren sie auf sich gestellt.

Alea Aquarius Band 7 (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt