Cassaras sah Alea empört an. Vor dieser Unterhaltung hatte sie sich tagelang gefürchtet. Sie musste ihm erklären, dass sie den Silberumhang nicht mehr hatte.
„Mura hat ihn mir geklaut und ist damit ins Meer verschwunden. Ich war zu dem Zeitpunkt noch eine Landgängerin und konnte ihr nicht folgen", stotterte sie nervös. Selbst wenn sie damals Schwimmhäute gehabt hätte, wäre sie wohl kaum so schnell wie eine Nixe gewesen.
„Ich hätte ihn behalten sollen", zischte Cassaras, woraufhin Alea sich einen guten Meter kleiner fühlte.
„Du warst kein Meermädchen, du hattest keine Erinnerungen. Wie idiotisch!", regte er sich auf. Allerdings sagte er damit, dass er es nicht bereute Alea den Umhang gegeben zu haben, sondern darüber, ihr dieses wichtige Relikt in diesem Zustand überlassen zu haben.
„Sie ist mit dem Umhang bestimmt zur Nixenstadt, um Königin zu werden", überlegte Cassaras verächtlich. Daran hatte Alea auch bereits gedacht. Gleichzeitig lief er die Planken auf und ab.
„Die Elvarion soll den Umhang besitzen. Das weiß sie ganz genau!", regte er sich weiter auf, als könne Mura ihn hören.Alea schwieg derweil. Sie wusste nicht, was sie sagen solle. Cassaras hatte es sich zum Lebensziel gesetzt diesen Umhang zu bekommen und somit Nixenkönig zu werden. Er hatte Alea jahrelang verfolgt, mit dem Hintergedanken, ihr diesen eines Tages stehlen zu können. Doch dann kam er zu einem Sinneswandel. Er überließ der Elvarion den Umhang und beschützte damit ihr Schicksal, die Meere und Thea. Dass ausgerechnet Mura den Umhang bekam, brachte ihn zurecht zum kochen. Er wurde sein ganzes Leben lang gemobbt und verstoßen. Jeder im Nixenvolk verachtete ihn, jedoch war Mura am schlimmsten von allen gewesen, so Cassaras.
Alea war so sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie garnicht bemerkte, dass Cassaras aufgehört hatte zu sprechen. Nach weiteren schweigsamen Minuten sah er wieder auf.
„Du kommst morgen mit mir Meermädchen", verkündete er.„Wir schwimmen zur Nixenstadt und holen den Umhang zurück". Alea sah ihn verwundert an.„Wir?", wiederholte sie überrascht. Cassaras wollte anscheinend mitkommen. Dabei bezeichnete er sich selbst als Einzelgänger.
„Der Oblivion und Thea kommen auch mit", ergänzte er mit einem düsteren Blick.
„Okay", antwortete Alea. Sie war noch immer überwältigt von der Situation. Nicht nur, dass sie eine Nixenstadt zu sehen bekommen würde, sie würde sich auch noch den Silberumhang zurückholen. .„Ich werde am Nachmittag da sein", verabschiedete er sich und sprang über Deck.Alea wollte noch etwas erwidern, da war er schon weg. Sofort rannte sie unter Deck, um den Anderen von den Neuigkeiten zu erzählen. Sie hörte Stimmen im Salon, weshalb sie dort als erstes nach sah. Tatsächlich bereiteten Thea und Tess gemeinsam das späte Mittagessen vor, Sammy und Ben sprachen über etwas albernes und Lennox spielte eine verspielte, fast schon romantische Melodie, auf seiner Gitarre. Als er sie am Türrahmen stehen bemerkte hörte er auf zu spielen.
„Wie lief es?", erkundigte er sich.
„Ich wollte eigentlich mithören, aber ein gewisser Bruder hat das mir nicht erlaubt", beschwerte sich Sammy und sah verschwörerisch zu Ben, welcher vielsagend lachte.
„Ihr hattet bestimmt einiges zu besprechen", vermutete er und wuschelte Sammy durchs rote Haar.
„Kann man so sagen", deutete Alea immer noch überrumpelt an.
„Dein Unterton gefällt mir garnicht", schaltete sich nun Lennox ein und legte seine Gitarre endgültig beiseite. Alea atmete ein letztes Mal hörbar aus, bevor sie zu erzählen begann.
„Cassaras weiß, dass Mura den Umhang hat", weihte sie die Bande ein.
„Was?!", sprang Lennox auf. Erschrocken dolmetschte Ben für Thea, die bisher noch nicht wusste, dass Cassaras den Umhang für sich behalten wollte und deshalb Alea jahrelang beschützte. Ihr war lediglich klar, dass er ursprünglich für ihren Wanderer gedacht war, und das sollte auch so bleiben.„Und er will, dass wir ihn wieder holen - schon morgen", fuhr Alea fort. Ihr ganzer Körper bebte vor Aufregung. Das war eine Nummer größer als ein verlassenes Dorf nach Rotfarn zu plündern.
„Würden wir dort denn nicht auffallen? Also als Landgänger?", überlegte Tess, während sie das Gemüse schälte. Nun kamen sie zum unangenehmen Teil.
„Damit hast du den Nagel auf den Kopf getroffen" murmelte Alea vorsichtig. Bens Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass er wusste, worauf sie hinaus wollte.
„Nur Lennox, Thea und ich werden los schwimmen. In Begleitung von Cassaras natürlich", ließ sie nun den Fisch aus dem Netz. Empört sprang Sammy auf.
„Ich lasse mir doch keine Nixenstadt entgehen!", protestierte er.
„Wir haben aber keine andere Wahl. Du weißt genau, wie Mura auf Landgänger reagiert. Und dort ist sie auch noch Königin! Niemand würde ihre Befehle in Frage stellen", stellte sich Ben auf Aleas Seite. Er schien sich darüber bereits Gedanken gemacht zu haben.
„Tut mir Leid, Flipper", entschuldigte er sich. Enttäuscht schob Sammy die Unterlippe nach vorne.
„Na schön. Das kostet euch aber viele Kekse!", gab er schließlich nach. Alea hatte zwar gerade erst ihre Schulden bei ihm abgebaut, hatte aber nichts einzuwenden.„Scorpio wird eine Sauerstoffflasche brauchen", fiel Tess ein. Das stimmte. Lennox konnte zwar die Luft unglaublich lange anhalten, jedoch auch nicht ewig. Bedrückt sah er zur Seite. Er konnte seine Landgängerseite nicht ausstehen.
„Ich gehe sie für dich auffüllen", bot sich Ben an und verließ auch schon den Raum.Thea legte den gerade zubereiteten Salat beiseite und setzte sich neben Lennox auf das Sofa.
„Haben wir denn schon einen Plan?", fragte sie in die Runde. Nachdenklich schüttelte Alea den Kopf.
„Nein, bisher noch nicht. Cassaras kennt das Königreich am besten. Wenn wir einen Plan schmieden sollten, dann mit ihm zusammen", hielt sie mit ihrer Anführer-Stimme fest. Wie so oft traf sie als Elvarion die Entscheidungen in der Gruppe. Alle nickten zustimmend.Es dauerte nicht lange und das Mittagessen, welches eigentlich bereits als frühes Abendessen galt, war fertig. Nachdem alle aufgegessen hatten, übte Ben wieder mit Alea Gebärdensprache. Lennox setzte sich auch dazu. Er ließ sich in Gefangenschaft von Orion zwar von Hage darin unterrichten und war schon etwas weiter als Alea, trotzdem übte er fleißig mit. Auch Tess schloss sich ihnen an. Sie konnte am wenigsten Gebärdensprache und schien daran arbeiten zu wollen.
Am Abend backte Alea mit Thea Entschuldigungskekse für Sammy. Es war ein schönes Gefühl mit ihrer Schwester zu backen - fremd und dennoch vertraut. Sobald sie fertig waren schlug sich Sammy ordentlich die Wampe voll.
Und so neigte sich der Tag dem Ende zu. Je näher die Sonne dem Horizont kam, umso näher kam die Alpha Cru dem Silberumhang.
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Alea Aquarius Band 7 (Fanfiction)
FanfictionDie Alpha Cru hat sich aufgeteilt. Während Sammy, Ben und Tess nach Rom segeln um Orion abfangen zu können, hat sich Nelani auf die Suche nach Keblarr begeben. Alea und Lennox machen sich also alleine auf den Weg nach Loreley. Dort hoffen sie auf T...