Hinterlistige Machtübernahme

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Ein paar Tage bevor der Weltenwanderer die Nachricht erhielt, schlich in einer stark belichteten Stadt eine vermummte und verhüllte Gestalt durch eine der vielen Gassen. Er ließ sich hinter einer sehr großen Kiste nieder und zog einen kleinen Spiegel aus seiner Manteltasche hervor. Als er sein Gesicht genauer betrachtete, wurde der Junge stutzig. Anstelle seiner vor ein paar Stunden noch Saphir-blauen Augen sahen ihn nun zwei Scharlach-rote Augen an. Der Junge schloss seine Augen und hoffte, dass sie nachdem er sie wieder öffnen würde, wieder da wären. Langsam trennten sich die Augenlieder von einander, aber die erhoffte Veränderung fand nicht statt. "Verdammt." bemerkte der Junge und bohrte sich seine Fingernägel in sein Gesicht, verdeckte seine Augen oder drehte seinen Kopf in eine andere Richtung, um dann wieder in den Spiegel zu sehen. Alles half nichts. Dieselben Augen zehrten das Gesicht des Jungen, der anfing zu schluchzen. "Ich kann dir helfen." flüsterte eine erwachsene Stimme neben ihm. Ein durch eine Maske vermummter Mann hatte sich zu ihm heruntergebeugt und sah ihn mit seinen Augen lang und abwartend an. "Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn alles plötzlich anders ist." erklärte sich der Mann, doch der Junge drehte sich weg und wollte den Vermummten nicht ansehen. Irgendetwas schüchterte ihn ein. Irgendetwas war da in seinen Augen, das ihn erschaudern ließ, als ob er in seine Seele blicken würde. "Ich bin genau so wie du." sprach der Mann und gab ihm die Hand. "Lass mich!" rief der Junge und schlug die Hand weg. "Ich brauche deine Hilfe nicht." "Die, die deinetwegen kommen werden, werden dir keineswegs helfen. Ich bin deine einzige Möglichkeit." drängte der Erwachsene. "Woher wisst ihr das alles?" wollte der Junge wissen ehe er die Hand des Mannes ergriff. "Ich habe Augen und Ohren, die alles wahrnehmen, was andere so erzählen. Es sind schon Männer und Frauen auf dem Weg, um dich zu finden. Und die haben wahrscheinlich weniger gute Dinge im Sinn." sprach der Erwachsene. "Willst du dich weiterhin in irgendwelchen Gassen verstecken? Oder willst du mit mir kommen?" fragte er den Jungen. "Woher soll ich wissen, dass Ihr mir nichts antun werdet?" lautete die Gegenfrage des Jungen. "Weil ich deine einzige Chance bin."

"Das dauert mir zu lange!" rief Lilly laut aus und rannte aufgeregt hin und her. "Wenn wir nicht sofort ankommen, kann irgendjemand anderes bereits unseren Auftrag erledigt haben und du hast dann immer noch deine Schuld am Hals." drängte sie. "Da hast du recht, Lilly." sprach Mary ihr zu. "Selbst mir dauert das zu lange." "Sehr gut." sprach der Timewalker und klatschte in die Hände. "Haltet euch fest. Wir verlassen den Warp in 3, 2, 1, jetzt!" rief er und drückte einen Hebel mit aller Kraft nach vorne. In genau diesem Moment versuchte jeder der Anwesen, sich an irgendeinem festen Gegenstand festzuhalten, um nicht von dem kurzen entstandenen Ruck vom Boden in die Luft katapultiert zu werden. "Alle noch da?" fragte der Junge und keuchte erschöpft. "Alles in Ordnung!" rief Mary und löste sich von einer Konsole, an der sie sich gerade noch festgeklammert hatte. Lilly hatte kein so großes Glück gehabt. Sie stand weiter vorne auf, rieb sich den Kopf und sprach ein wenig verwirrt: "Ist jemand verletzt?" Sie erntete starre Blicke in ihre Richtung, als sie abermals ihren Kopf rieb und dann erst kapierte, dass sie gegen eine der Wände mit ihrem Kopf geknallt war. "Hätte schlimmer sein können." gab sie humorvoll ab, erntete aber ernstes Schweigen.

"Komm, Junge. Wir müssen hier lang!" rief der erwachsene Mann und lockte den Jungen in eine Gasse. "Ich habe gedacht, ich sollte raus aus den Gassen!" entgegnete der Junge. "Hast du einen Namen, Junge?" wollte der Erwachsene wissen. "Adrinan." entgegnete der Junge. "Ein komischer Name, Adrinan." sprach der Mann und verbeugte sich leicht. "Ich heiße Sic." stellte sich der wieder vermummte Mann vor. "Also Sic, warum wieder in eine Gasse?" wollte Adrinan wissen. "Siehst du die drei Männer mit den langen schwarzgoldenen Roben?" fragte Sic und ließ den Jungen kurz um die Ecke starren. "Ich sehe sie." antwortete Adrinan und wurde augenblicklich still. "Die sind von der Selben Art wie wir beide. Und sie sind auf der Suche nach dir." sprach Sic zu Ende. "Aber warum nach mir?" wollte der Junge wissen. "Weil du ein Weltenwanderer bist, und noch dazu ein Sensenmann." entgegnete der erwachsene Mann und verstummte. "Erzähl keinen Unsinn!" rief Adrinan laut aus und ihm wurde augenblicklich eine Hand vor den Mund gehalten. "Nicht so laut!" ermahnte Sic seinen Begleiter. "Oder willst du entdeckt werden?" "Vielleicht ist das sogar besser als mit dir hier weiter zu reisen!" entgegnete der Junge, riss sich die Hand aus dem Gesicht, stand auf und wollte aus der Gasse herausgehen. "Nein!" flüsterte Sic. "Komm sofort zurück!" Doch Adrinan wollte nicht hören. "Sie werden dir grausame Dinge antun!" rief der Mann leise. "Warum soll ich dir denn bitteschön glauben?" wollte der Junge wissen und ging auf die offene Straße. "Ich bin deine eigene Hilfe!" flehte Sic. "Nein. Du bist keine Hilfe." sprach Adrinan kalt und drehte sich weg. "Da ist er!" hörte er von weitem einen der Männer rufen. "Er ist nicht verzeichnet. Sofort eliminieren!" befahl der Mann in der Mitte und zog irgendeinen Gegenstand aus einem Holster an seiner rechten Seite. "Nein!" rief Sic und warf sich vor Adrinan, bevor dieser durch einen roten Energiestrahl erwischt wurde. Der Mann knickte vor Adrinan zusammen und atmete nur schwer. "Im Namen des Großen Imperators: Jeder nicht verzeichnete Sensenmann muss eliminiert werden. Jegliche Hilfe wird ebenfalls mit dem Tode bestraft!" rief der Mann in der Mitte und zielte mit seiner Waffe auf den Jungen. "Auslöschen autorisiert!" rief er und schoss auf den Jungen. Die Strahlen verfehlten Adrinan nur leicht und er nahm in einer der Gassen Deckung, doch starrte er fassungslos auf den fast bewegungslosen Körper seines Retters. "Wer hat das angeordnet? Seine eigenen Männer zu ermorden?" keuchte Sic und atmete schwer. "Das war ich." antwortete der Mann in der Mitte, steckte seine Waffe zurück und nahm etwas, was einem Helm glich, ab. Sic sah in kalte Augen. "Wer seid Ihr?" wollte der am Boden liegende Sterbende wissen. "Ihr erkennt nicht, wer vor euch steht!" rief der Mann erbost aus und trat mit einem seiner Stiefel auf die Brust seines erlegten Opfers. "Ich bin der Große Imperator. Und dieser Junge da..." er zeigte auf Adrinan, der sich immer noch hinter der Hauswand versteckte, aber für den Mann, der gerade seinen Beschützer tödlich verwundet hatte. "... gehört nicht in die Welt der Lebenden!" Er zielte auf den Jungen, der versuchte, hinter Kisten Schutz zu nehmen und wurde am Fuß von seinem erlegten Opfer festgehalten. "Ihr tut dem Jungen nichts. Solange ich lebe." keuchte er. "Zu schade." antwortete der Große Imperator kalt und schien zu Lächeln, obwohl er nur seine Mundwinkel ein wenig anhob und alles andere als freundlich aussah. "Ich muss dir schmerzlicher Weise mitteilen, dass du die ganze Ladung Energie abbekommen hast, und nicht nur einen Teil. Dass du es noch lange durchhalten wirst, ist bedenklich." sprach der Mann und grinste kalt. "Lauf, Adrinan! Lauf um dein Leben!" keuchte er und stellte eine letzte Frage. "Was ist passiert, dass man einem so Irren wie euch den Oberbefehl über unser Volk gegeben hat?" wollte der Verwundete wissen. "Es war eine Machtübernahme." antwortete der Große Imperator knapp, zog seine Waffe erneut und schoss erneut auf den verwundeten Körper. Sic erstarrte und starb.

Die Weltenwanderer-Chroniken Band 1: Wer wir sind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt