Eine Stadt namens Alptraum

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"Setzen Kurs auf Landeplatz. Ich wiederhole. Setzen Kurs auf Landeplatz." rief der Timewalker seinen Begleitern zu und gab dem Pult vor ihm einen Klaps. "Los, Schätzchen! Wir haben's gleich geschafft."
"Mary. Wenn wir ankommen, überlass mir das Reden. Die Weltenwanderer mögen es manchmal nicht, wenn Menschen ihr "heiliges Land" betreten. Besonders nicht der hohe Rat." meinte er und wandte sich an seine sterbliche Begleiterin. "Nicht böse gemeint, aber es ist besser wenn du dich ein wenig zurücknimmst. Wenn sie aber trotzdem mit dir reden wollen, dann rede mit ihnen."
Mary nickte verständnisvoll und lächelte leicht.
"Alles in Ordnung. Ich mach schon nichts falsches." entgegnete sie ihm und funkelte ihn an. "Ich bin doch das freundliche Mädchen von der Erde."
Das Raumschiff setzte Kurs auf eine riesige, fast vollkommen freie Plattform, bestehend aus meterdicken Stein-Platten, auf denen hin und wieder Weltenwanderer herum liefen, Kisten trugen oder kleinere Raumgleiter beluden. Beim Anblick einiger kleinerer Raumschiffe musste er grinsen. "Die CB-6-Klasse. Hab ich damals mit meinen Freunden entwickelt. Sehr wendig, sehr schnell, energiesparend und zu guter Letzt die ersten Raumschiffe, die mit Torn-Geschwindigkeit, also tausendfache Lichtgeschwindigkeit fliegen können. Dafür braucht man aber eine sehr, sehr lange Ausbildung, um so ein Ding in der Geschwindigkeit nicht in das nächste schwarze Loch zu schicken." Er sah zu einem blauen, mit schwarz-goldenen Strichen und Symbolen "lackierten" Gleiter und zeigte mit dem Finger auf ihn. "Mein anderes Schiff. Neben der Odysseus, versteht sich." meinte er und wandte sich zu Mary. Sie lehnte sich zu ihm herüber. "Wieviel hast du bitteschön noch erfunden?" fragte sie verwirrt nach. "Frag besser nicht. Die Menge an Dingen, die ich erfunden habe, macht dich noch verrückt." antwortete er auf ihre Frage. Mary schwieg. Anscheinend hatte ihr Wille, nachzufragen, wohl versagt. Der Weltenwanderer landete sein Raumschiff und drückte auf einigen Knöpfen herum. "Tarn-Modus deaktivieren. Zuhause kann man sich nicht verstecken." rief er dem Armaturenbrett zu, das daraufhin einmal rot aufblinkte. "Nicht jetzt! Deaktiviere den Tarn-Modus!" Wieder blinkte die Armatur. "Ich reiß dich gleich klein, wenn du nicht tust, was ich dir sage!" drohte er und die Steuerung machte ein traurig piepsendes Geräusch. "Tschuldigung! Hab's nicht ernst gemeint. Nicht weinen!" entschuldigte sich der Junge und hielt sich beide Hände an den Kopf. "Ich bin auch echt ein Idiot!" rief er laut aus, als sich das Schiff immer weiter in Richtung Plattform senkte. Mary sah ihn verärgert an. "Bestimmte Maschinen haben Gefühle, okay? Ich vergesse bloß immer wieder, welche das waren!" versuchte er die Situation zu entschärfen. "Du hast dein Schiff zum heulen gebracht. Entschuldige dich!" rief sie herrschend aus und Lilly musste versuchen, nicht zu kichern. "Hab ich!" antwortete der Timewalker zickig. "Mach es richtig." forderte Mary und zeigte auf das Armaturenbrett. "Los!" Der Junge sah sie geschockt an. "Okay, droh dem Unsterblichen." flüsterte er leider etwas zu laut. "Das war keine Entschuldigung!" meckerte Mary und zeigte erneut auf die Steuerung. "Entschuldigen. Jetzt! Bevor ich dich dazu zwinge, deine Unsterblichkeit aufzugeben!" Das reichte dem Jungen wohl vollkommen und seine Tochter brach in lautes Gelächter aus. Er sah sie erschrocken an und wandte sich dann an die Steuerung. "Es tut mir leid. Ehrlich! Es kommt nie wieder vor, ich schwöre es! Bei meinem Splitter!" flehte er die Maschine hastig und voller Angst an. Sie erkannte die Entschuldigung an, denn daraufhin fing das Armaturenbrett an, freudig zu piepsen. "Meine Güte. Wen hab ich da bloß auf mein Schiff gelassen?" murmelte er erleichtert.

Die Rampe senkte sich und heraus stiegen die drei Benutzer des Raumschiffes, die sofort von einer Gruppe in rot und golden gekleideter Männer und Frauen empfangen wurden. Der Timewalker verbeugte sich, seine beiden Begleiter taten es ihm gleich. "Oberster Kanzler. Es ist eine Ehre, Sie hier zu sehen. Es geht um den Auftrag, wenn ich richtig liege?" fragte der Junge, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. "In der Tat." antwortete ihm eine tiefe, kratzige und rauchige Stimme. "Wir haben von einem Sensenmann erfahren, der vor irgendetwas oder jemanden auf der Flucht zu sein scheint. Wir wollen, dass er in Sicherheit gebracht wird. Ihr beiden kennt die drei Regeln, nicht wahr?" Mit der letzten Frage richtete er sich an den Timewalker und seine Tochter. "Ja. Ich erinnere mich an die Regeln so gut, wie an die Geburt des ersten künstlichen Menschen." antwortete der Junge. "Dann wiederhole sie noch einmal, sodass eure Begleiterin sie ebenfalls versteht." Der alte Mann nickte lächelnd Mary zu, die ihm zurück lächelte.

"Regel Nummer 1: Sieh einem Sensenmann niemals in die Augen. In den Augen jedes Lebewesens ist die restliche Lebenszeit des blickenden Individuums zu sehen. Wende deine Augen ab, sodass er niemals erkennen kann, ob deine Lebenszeit bereits verwirkt ist. Regel Nummer 2: Berühre einen Sensenmann niemals. Die Berührung setzt entweder einen plötzlichen permanenten Tod ohne Rückkehr in Gang, oder ein tödliches Ereignis wird sich in nächster Zeit zutragen. Regel Nummer 3: Es ist dir gestattet, mit einem Sensenmann zu reden. Erwähne aber niemals deinen Tod in der Gegenwart eines Sensenmanns, oder er könnte dafür sorgen, dass du einen plötzlichen Tod erleidest oder er früher eintritt als erwartet." beendete der Junge seine Aufzählung und holte tief Luft. "Sehr gut gemacht, Zita." lachte der alte Mann und klopfte ihm auf die Schulter.

"Der letzte Aufenthaltsort des Gesuchten ist eine Stadt mit dem Namen Alptraum im äußeren Teil des äußersten Außenringes des Planeten Venetar. Mehrere Agenten berichteten mir, dass eine vermummte Gestalt Jagd auf ihn macht. Wir haben keine Ahnung wer er sein könnte, aber Gerüchte machen sich breit." erklärte der Oberste Kanzler wandte sich an die drei. "Welche Gerüchte?" fragte Zita, der der wirkliche Name des Timewalkers war. "Man sagt, dass der Große Imperator zurückgekehrt ist." beantwortete der alte Mann die Frage. "Den Namen habe ich schon einmal gehört. Wer ist der Große Imperator?" wollte Mary wissen. "Mary..." zischte Zita, wurde aber von dem Obersten Kanzler zurückgewiesen. "Eine gute Frage. Der Große Imperator ist alt. Uralt. Er ist der erste Herrscher über Everwhere und denkt, dass alleine er das Recht hat, uns und das restliche Universum zu beherrschen. Für einen Angriff auf eine unschuldige Rasse wurde er in die Verbannung geschickt. Nun erzählen sich einige Stimmen, dass er zurückgekehrt ist. Wenn das der Fall sein sollte, kann nur ein Wunder uns alle retten. Er ist alt. Und verrückt. Und er wird alles in seiner Macht stehende tun, um seinen "rechtmäßigen" Platz wieder zu erlangen. Zita Morpheus, du musst aufpassen. Wenn du ihm begegnen solltest, kann nur ein Wunder dich wieder retten. Er hat angeblich Weltenwanderer unter sich versammelt, eine eigene kleine Armee anscheinend, und er wird alles tun, um dich entweder auf seine Seite zu ziehen, oder er wird dein Untergang sein. Wenn er zurückkehrt, werden die Sterne verschwinden, Everwhere wird wieder zu einer Welt des Grauens und eine einzelne unsterbliche Seele wird an dem Ort, an dem Engel fallen, sein Ende finden." beendete der alte Mann seinen langen Monolog und sah Zita scharf aber auch sorgend an. "Egal, was du tust: Versuche bloß nicht, ihn herauszufordern!" Der Weltenwanderer schluckte. "Ich tu lieber das, was Ihr mir sagt." meinte er leise und verbeugte sich tief. "Wenn der Sensenmann bei uns sicherer ist als auf seiner Seite, werde ich ihn mit Freuden finden und hierhin bringen." meinte seine Tochter und verneigte sich. "Ich helfe, wo ich kann. Auch wenn ich nicht weiß, wie und wie viel." sprach Mary und verneigte sich ebenfalls. Zita war der erste, der sich wieder erhob, sich zu seinen Begleitern umdrehte und anfing zu sprechen. "Na dann, Abmarsch. Wir haben einen Sensenmann zu finden."

Die Weltenwanderer-Chroniken Band 1: Wer wir sind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt