Der falsche Prinz

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Am nächsten Morgen ging die Reise der beiden weiter. Sam erinnerte sich immer noch an die Worte, die Emilia ihm letze Nacht ins Ohr gesagt hatte.
Emilia und ihr Begleiter setzten sich wieder in die Kutsche und fuhren aus dem Dorf hinaus in die große, weite Welt. Noch eine ganze Weile liefen ihnen noch Bewohner und Kinder ihnen hinterher, um sich von ihnen fröhlich zu verabschieden. Nach einer ganzen Weile waren sie hinter dem Horizont verschwunden.
"Das war wirklich schön." flüsterte Emilia und lächelte immer noch sehr begeistert. Sam lächelte ebenfalls. "So wie du." entgegnete er ihr.
Sie sah ihn leicht verwirrt an und zog eine Augenbraue hoch. Sam deutete Emilias Blick anscheinend richtig und versuchte sich zu erklären.
"Ich meinte damit nicht, dass du jetzt nicht schön aussiehst. Ich wollte deiner Aussage nur meine Meinung hinzufügen." stammelte er leicht. "Du... siehst wunderbar aus, und ich finde es toll, was du mir gestern Nacht gesagt hast. Ganz ehrlich. Mir hat das bis dato noch nie jemand gesagt." fügte er hinzu. "Und außerdem..." begann er, während Emilia ihre Verwirrung versuchte mit Verständnis zu bekämpfen. "... glaube ich mich zu erinnern, dass ich doch schon Mal hier gewesen bin." meinte er und wurde still. "Wirklich? Wie das denn?" fragte nun Emilia, die wohl anscheinend in die zweite Runde gegen ihre Verwirrung zu steigen schien. "680 Jahre sind eine erstaunlich lange Zeit. Da kommt man als Weltenwanderer viel rum. Nur erinnert man sich manchmal nicht daran, schon Mal an einem Ort gewesen zu sein, den man besucht hat." entgegnete er ihr. "Klar, wer so lange lebt, vergisst auch mal zwischendurch etwas aus den eigenen Erlebnissen." fügte Emilia hinzu. "Richtig." lobte Sam sie. "Und als ich das letzte Mal hier war, gab es Kitar noch gar nicht. Genau so wenig ist mir von einem Prinz namens Èste bekannt. Und das ist vierzig Jahre her." murmelte er so laut und deutlich, dass Emilia verstehen konnte, was er sagte. "Königreiche entstehen und fallen. Wohlmöglich ist Kitar noch sehr jung." meinte sie. "Das glaube ich nicht." Sam drehte sich zu Emilia. "Jeder, der von diesem Prinzen spricht, nennt ihn übersetzt "Der falsche Prinz". Da kann irgendetwas nicht dran stimmen." Seine Stimme klang ernst. "Wie weit ist es noch?" fragte er leicht angespannt. "Heute Abend wären wir da. Anscheinend ist die Reise schneller verlaufen, als geplant war." entgegnete sie ihm.
Sam holte seinen Walkman aus einer seiner vielen Taschen hervor. "Willst du wieder Musik hören?" fragte er und hob ihn leicht an.
"Gerne." antwortete Emilia und steckte sich einen Kopfhörer ins Ohr.

Stunden später erreichten die beiden das Stadttor. Sofort wurden sie angehalten. Zwei Stadtwachen stellten sich vor ihren Wagen und versperrten ihnen den Weg. "Háto!"* rief der eine. Er war etwas dicker als der andere, hatte nur wenig Haare auf dem Kopf und sah sehr grimmig aus. "Sie können dich nicht verstehen!" rief ihm der andere zu, als der eine versuchte, ihnen mehr oder weniger verständlich zu erklären, dass ihr Wagen kontrolliert werden musste. Dann meldete sich Sam zu Wort. "Káal atuth hamenis. Kam ahbath, nun súul im kalor. Íit ste nohal kar abutha la sukáa."** "Gut, Ihr könnt passieren." meinte die erste Stadtwache und winkte sie durch.
"Thúuka, absalor! Thúuka!"***
Sie durchquerten den großen Torbogen und befanden sich augenblicklich in einem riesigen Getümmel aus Menschen wieder.
"Macht Platz für Emilia Arakas! Macht Platz für die Kronprinzessin!" rief Sam laut und deutlich. Immer wieder und immer wieder.
"Prinzessin! Wohin des Weges?" fragte sie ein Schmied, der sich der Menschenmasse anschloss. "Zum Schloss." entgegnete sie ihm. "Ich kenne den Weg dahin. Darf ich Euch begleiten?" fragte er. Emilia bejahte. Eine halbe Stunde später standen die drei vor dem Tor. "Vielen Dank Herr... Wie heißt Ihr eigentlich?" fragte Sam. "Thorax. Nein Name ist Thorax." "Vielen Dank, Thorax, wir wünschen Euch ein gutes und erfolgreiches Leben." "Vielen Dank." entgegnete der Mann verbeugte sich vor den beiden und ging mit fröhlichen Gesicht nach Hause. Als er verschwunden war, öffnete Emilia das riesige Tor, vor dem die beiden Weltenwanderer standen.
"Sesam öffne dich." flüsterten Sam und Emilia gleichzeitig, als sich das Tor öffnete.
Sofort wurden sie begrüßt.

"Sam? Heilige Scheiße, dich hab ich ja lange nicht mehr gesehen!" platzte es aus dem Jungspund, der vor den beiden stand, heraus. Emilia war einerseits wegen der Wortwahl etwas irritiert, andererseits war sie ebenfalls verwirrt, als sie merkte, dass sich die beiden Jungen sich kannten. "Prinz Èste. Mann, ein schlechterer Name ist dir nicht eingefallen?" lachte Sam und stieß seinem Freund einen Ellenbogen in die Seite. "Darf ich vorstellen? Liam Walker. Einer meiner besten Freunde und Weltenwanderer." Er klopfte Liam auf die Schulter. "Emilia, Liam. Liam, Emilia." meinte er und zeigte wild gestikulierend auf beide Personen. "Warum seid ihr hier?" fragte Liam interessiert. "Wegen ihrer jüngeren Schwester, Alia." "Ich... Scheiße." flüsterte Liam leise.
"Was ist?" fragte Sam verwirrt.
"Ich habe Alia letztens einen Heiratsantrag gemacht und sie hat angenommen." murmelte sein bester Freund.
"Sie ist hier?" Emilia hatte Tränen in den Augen. "Klar, sie ist hier. Soll ich sie holen?" fragte er.
"Tu es." meinte Sam, nachdem Emilia angefangen hatte, zu weinen. "Alia, komm bitte! Deine Schwester ist wieder da!" rief Liam. Sofort hörte man schnelle Schritte, die sich wie Laufen anhörten. Dann fragte eine zittrige Stimme: "Emilia? Bist du es?"

*"Halt!"
**"Wir sind auf der Durchreise. Wir sind nicht gefährlich, wir wollen nur die Stadt betreten. Bitte seien Sie so höflich und lassen Sie uns durch."
***"Weiterfahren, Reisende! Weiterfahren!

Die Weltenwanderer-Chroniken Band 1: Wer wir sind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt