Fallon P.o.V.
Ich schaute mich kurz in den Gängen um, um auch wirklich sicher gehen zu können, dass keiner mich beobachten würde. Mein Blick blieb an dem Arbeitszimmer von meinem Vater stehen. Einige Meter dahinter befand er sich mit Mr DeLaurant in einem wichtigen Meeting. Ich fand es irgendwie befremdlich, dass der Mann, der genauso verantwortlich für den Mord an Edwart sein konnte, sich so prächtig mit einem Vater über Einzelheiten des Falles austauschte. Absurder wurde die ganze Sache noch durch die fürsorgliche Hilfe, die er uns anbot. Als würde ich nicht wissen, dass das eine Matsche war, um so einfach wie möglich an Details gelangen zu können. Mein Vater schien hingegen ganz begeistert von dieser Idee zu sein. Mr DeLaurant befand sich schon so oft bei uns, dass ich ernsthaft überlegt hatte, ob er nicht auch ein Zimmer in unserem Haus bekommen hatte. Wenn ich aufstand um zu frühstücken, befand er sich bereits bei uns am Tisch. Wenn ich versuche, die Trainingshallen zu besuchen, packte sein Wagen bei uns in der Einfahrt. Jetzt fehlte nur noch, dass er auch in demselben Bett wie ich lag. Darauf konnte ich wirklich mehr als verzichten. Ich schüttelte jeglichen weiteren Gedanken an Mr DeLaurant ab und machte mich auf den Weg zu Cayden. Dafür kletterte ich über das Balkongelände, balancierte auf der Regenrinne zu der Feuerleiter und lief geduckt enlang der Grenze zu ihrem Anwesen. Ich kletterte einige Stufen hoch und schlich mich von dem Flachdach auf Caydens Balkon. Es war mir ein Rätsel, wie ich immer wieder unversehrt bei ihm landete, denn das Geländer war nicht wirklich stabil. Ich klopfte gegen die Fensterscheibe, dann machte mir Cayden die Tür in sein Zimmer auf. Wir hatten uns bereits seit drei Tagen nicht mehr gesehen, aber ich konnte mich nicht einfach so wie vorher an fast jedem Tag treffen. Ich wollte sicher gehen, dass der Alkohol im Flachmann Schuld an der ganzen harmonischen Situation am Abend der Party war. Als ich Cayden jedoch sah, empfand ich rein gar nichts, was mich innerlich aufseufzen ließ. Ich klopfte an die Balkontür und Cayden ließ mich eintreten.
"Wieso hat das so ewig gedauert?" Seine Stimme klang leicht genervt, was mich verwirrte. "Du hast seit drei Tagen jeglichen Kontakt vermieden."
Ich konnte mir meinen nächsten Spruch einfach nicht verkneifen. "Hat mich da wohl jemand vermisst?"
Cayden rollte mit den Augen und ließ sich nach hinten auf sein Bett fallen."Du weißt, dass wir einen gemeinsamen Plan haben, den wir nur zusammen ausführen können."
Ich sagte nichts dazu. Immerhin konnte ich ihm wohl schlecht beichten, dass ich Angst hatte, ich würde etwas für ihn ... fühlen. Ich war mehr als froh, dass es nicht der Fall war.
"Wir müssen also wieder bei null anfangen", meinte er leise und ich setzte mich auf die Bettkante.
Seine Augen fixierten einen Punkt an der Decke. Ich merkte, wie er zu grübeln begann, was mich zum schmunzeln brachte. Cayden war so in seinen Gedanken vertieft, dass er nicht einmal bemerkte, wie ich ihn dabei beobachtete.
"Wir fangen nicht bei null an." Er warf mir einen fragenden Blick zu. "Wir haben zwar nicht mehr das Buch von Harvey, aber daraus hätten wir eh nicht raus bekommen."
Cayden stellte sich auf seine Ellebogen auf. "Dort sind aber die Koordinaten, die uns hätten weiter bringen können."
Ich schüttelte lächelnd den Kopf über ihn. "Während du dir die letzten Tage über mich zerbrochen hast, ..." Caydens Mundwinkel hoben sich kurz. "..., habe ich mit meinen Recherchen weiter gemacht." Ich streckte meine Handfläche zu ihm aus und wackelte mit meinen Augenbrauen. "Dein Handy, bitte."
Er runzelte die Stirn, aber übergab es mir schließlich. "Was hast du vor?" Er lehnte sich zu mir rüber.
"Angst, dass ich deine schmutzigen Bilder entdecke?", zog ich ihn auf und er grinste. "Die sind alle bereits auf meinem Laptop", scherzte er - zumindest hoffte ich, dass es ein Scherz war.
Ich scrollte durch seinen Anruferverlauf, als Cayden nach Luft schnappte. "Die Telefonnummer, sie beinhaltet die Koordinaten."
Neben ihm nickte ich und gab diese ins Internet ein. Sie zeigten ein kleines Anwesen am Rande der Stadt, vielleicht zwanzig Minuten von hier entfernt. Cayden setzte sich neben mir auf. "Wir müssen dahin, wir könnten jetzt noch aufbrechen."
Ich lächelte und schüttelte meinen Kopf. "Nicht so schnell, Casanova. Wir können dort nicht einfach herein platzen. Wir brauchen einen Plan."
Cayden biss sich nachdenklich auf die Unterlippe, was meine Aufmerksamkeit für eine kurze Sekunde erregte. Sofort wandte ich den Blick von ihm ab, weil ich befürchtete, wieder an Röte zu gewinnen. Gott, wieso konnte ich mich nicht einfach normal verhalten?
"Dann gehen wir morgen", schlug er vor und ich nickte. Ich stand auf und nahm mir meine Jacke. Irritiert sah er mich an, doch hier hielt mich nichts mehr. Ich wollte nicht länger mit Cayden alleine sein, als nötig. Ansonsten käme ich vielleicht auf falsche Ideen.
"Warte", meinte er und griff in seiner Nachttischschublade nach einem silbernen Ring. Automatisch fasste ich mir an meinen Ringfinger, der sich ohne mein Schmuckstück nackt anfühlte.
Er übergab ihn mir. "Ich dachte, ich hätte ihn verloren", murmelte ich vor mich hin und betrachtete ihn kurz. Es war ein einfacher, breiter Ring, in den ein großes C eingraviert worden war. Unser Familienring.
"Ich hatte ihn in meinem Bad gefunden", erzählte er. "Lexi hatte ihn gesehen, ..." Ich hob meinen Blick. "..., aber ich konnte mich rausreden."
Ich verdrehte die Augen. Lexi war wirklich neugierig, was definitv ein Problem darstellte.
"Kann ich dich etwas fragen? So als Frau", meinte er in die Stille und ich hob lächelnd eine Augenbraue. Ich malte mir bereits aus, ob er nict vielleicht etwas über den weiblichen Körper erfahren wollte, doch er warf mir einen Blick zu. "Nicht solche Fragen", fügte er schnell hinzu und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, was mich zum lächeln brachte.
"Heute wollte Lexi mit mit etwas wichtiges ... bereden", erzählte er und ich sah ihn an. "Sie wirkte irgendwie aufgeregt und nervös, aber als sie merkte, dass ich nicht wirklich bei der Sache war, hat sie komplett dicht gemacht. Als sie dann noch deinen Ring gesehen hatte, wurde sie fast schon ... sauer, obwohl ich nicht einmal weiß, was ich gemacht habe."
Es gab nur einen einzigen Fall, der erklären würde, warum Lexi angeblich so ausgetickt war, als sie die Sachen von einem anderen Mädchen in seinem Zimmer gefunden hatte. Abgesehen davon, dass es seit Jahren total offensichtlich war.
"Oh, Cayden", rollte ich lächelnd mit dem Augen. Er sah mich weiter an. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Sein so unwissender Blick machte ihn plötzlich ganz unschuldig, was mir in dieser SItuation total leid tat. "Lexi sieht wohl mehr als nur einen besten Freund in dir."
Zuerst schien er zu überlegen, aber als er verstand, was das zu bedeuten hatte, verzog er sein Gesicht.
"Lexi steht auf dich", überkam es meine Lippen, was ihn noch mehr verwirrte.
"Ich ... Sie, sie kann nicht auf mich stehen", meinte er und schüttelte zusätzlich den Kopf, abwehrend hob er seine Hände. Ich schmunzelte über seine Reaktion.
"Wie sicher bist du dir?", fragte er nach. In seinem Kopf schien ein einziges Chaos zu herrschen.
"Sagen wir, um die neunzig Prozent."
"Neunzig Prozent?", wiederholte er ungläubig und fasste mich an den Oberarmen an.
Die Wärme seiner Finger durchdringen fast meinen gesamten Körper. Ich schluckte bei dieser unerklärlichen Reaktion.
Als ich nichts erwiderte, ließ er mich schließlich los, sodass ich wieder aufatmen konnte.
"Aber sie ist meine beste Freundin. Sie ist wie eine kleine Schwester für mich", meinte er und fuhr sich aufgeregt durch sein Haar.
"Ich denke nicht, dass sie das auch so sieht", flüsterte ich, aber Cayden verstand es trotzdem.
Er warf mit einen Blick zu, der mir sagte, dass mein Kommentar nicht gerade hilfreich war.
"Wenn sie mit mir wirklich darüber reden will, dann ..." In seinen Augen rasten verschiedenste Szenarien vorbei, die ihm allesamt nicht gefielen. "... dann war's das mit unserer Freundschaft", murmelte er und sank auf sein Bett nieder.
Innerlich seufzte ich auf, doch ich ließ mich neben ihm nieder.
"Ich sagte, neunzig nicht hundert Prozent", versuchte ich ihn etwas aufzumuntern, doch er gab nur einen undefinierbaren Laut von sich. "Wenn du nichts für sie empfindest, musst du ihr das sagen, Cayden. Das bist du ihr zumindest schuldig."
Er atmete tief aus, unabsichtlich kaute er auf seiner unteren Lippe herum, was meine Augen förmlich anzog. Schnell wandte ich den Blick ab. Das musste wirklich aufhören ...
"Also sollte ich das Gespräch aufsuchen?", wiederholte er und ich nickte. Es war eine Frage, die jedoch wie eine Tatsache klang - was sie auch war.
"Bring' es ihr am besten schonend bei und lass sie nicht ins kalte Wasser fallen", meinte ich und er lächelte schwach.
"Schonend ist nicht die Art, die ich bevorzuge", kommentierte er und ich schmunzelte.
Ich hoffte wirklich, dass er nicht mit der Tür ins Haus fallen würde. Lexi war nicht gerade die Art von Person, mit der ich mich anfreunden würde, es gab tausend Gründe, warum ich mich lieber von der Klippe stürzen würde als mit ihr in ein Café gehen und mich über den neusten Tratsch unterhalten würde, doch sie war trotzdem ein ganz normales Mädchen, das ihre Gefühle erwidert bekommen haben wollte. Cayden ließ den Kopf hängen und verschränkte seine Finger in einander, bis man seine weißen Knöchel durchscheinen sehen konnte. Er schien mir fast leid zu tun - aber auch nur fast.
"Ich sollte jetzt wirklich gehen", entgegnete ich mit fester Stimme. Cayden nickte gedankenverloren.
Ich drehte mich nich kurz zu ihm um, doch als ich sah, dass er sich keinen Zentimeter bewegt hatte, trat ich aus der Tür auf den Balkon.
Es war so still, dass sich jeder Atemzug unglaublich laut anhörte.
Ich stieg die Leiter runter und rannte entlang der Grenze zu unserem Anwesen. Es war nicht so, dass ich Cayden gerne alleine ließ in dieser wirklich ... schwierigen Situation, allerdings waren wir keine Freunde, wir waren ja noch nicht einmal Bekannte, sondern Feinde. Ich war die Letzte, die ihn dabei helfen und unterstützen konnte, das richtige zu tun.
Plötzlich nahm ich ein unregelmäßiges Rascheln war, dass mich inne halten ließ. Mit meinen Augen suchte ich die Bäume ab, doch es war so dunkel, dass ich nur die Hälfte sehen konnte.
Ein weiteres Rascheln machte mich unsicher, doch ich ermahnte mich, ruhig zu bleiben.
Mit einem mal wurde ich zu Boden geworfen, was mich total überraschte. Jemand drückte mir die Hände gegen den Rücken, doch ich war schneller und warf die Person um. Ich konnte keine Details erkennen, denn derjenige trug einen schwarzen Kapuzenpulli und tief ins Gesicht gezogen wurde. Die Person schlug mir gegen die empfindliche Rippenseite, die mir Harvey vor einiger Zeit geprellt hatte, ich knickte ein. Jemand stieß mich nach hinten, sodass ich mit dem Rücken auf den harten Boden fiel. Hände schlossen sich um meine Kehle, doch ich kam ihm zuvor und drückte denjenigen von mir weg. Ich stand mit wackeligen Beinen auf und rannte los, doch jemand packte much an der Schulter, schlug mir in die Kniekehlen und stach plötzlich etwas scharfes, kantiges in meinen unteren Bauch. Ein Messer.
Ich konnte noch nicht einmal vor Schmerzen schreien. Der tiefe Schnitt raubte mir jedem erdenklichen Atem.
Die Person ließ das Messer fallen und rannte davon.
Mit einem dumpfen Schlag knallte ich auf den Boden zurück. Mein Gesicht war vor Quälen verzehrt, doch ich versuchte mich unter Kontrolle zu halten.
Tief versuchte ich ein und wieder auszuatmen. Ich drückte meine Handflöche gegen die blutende Wunde. Ich stieß einen schmerzenden Laut aus, als meine Hand meine verletzte Haut berührte. Kurz kniff ich die Augen zusammen, ich versuchte nicht vor Qual zu weinen, doch es gelang mir nur semigut. Das warme Blut benetzte jeden erdenklichen Zentimeter meines Oberteils. Meine Hand zitterte vor Adrenalin - und Angst. Ich fühlte mich plötzlich so alleine. Niemand würde mich hier je finden, zumindest nicht bis Sonnenaufgang. Keiner, außer Cayden, wusste von mir, aber auch er würde mich niemals so schnell finden können.
Ich schnappte unkontrolliert nach Luft, denn die Wunde raubte mir fast die ganze Luft. Ich griff nach meinem Handy und wählte die einzige Nummer, der ich vertrauen konnte.
Das regelmäßige Summen der Telefonwarteschleife machte mich plötzlich ganz müde, aber ich ermahnte mich, wach zu bleiben - zumindest bis abgehoben wurde.
"Hast du etwa Sehnsucht nach mir?", scherzte Cayden am anderen Ende der Leitung.
Selbst in dieser Situation lächelte ich über seinen schlechten Witz und entließ ein Schmunzler, der jedoch eher wie ein gequälter Laut klang. Ich kniff die Augen zusammen, als mich ein elender Stich durchfuhr.
"Cayden", flüsterte ich mit schwacher Stimme. Meine Umgebung schien plötzlich immer dunkler zu werden, was mir Angst machte.
"Fallon?", fragte er mich unsicherer Stimme nach. Sein Humor war vollkommen verflogen, was einiges bei ihm bedeutete.
"Bitte", hauchte ich mit Tränen erstickter Stimme., "Hilf mir ..."
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Forbidden love
RomanceIhre Liebe ist verboten. So sind die unausgesprochenen Regeln. Das Leben und der Umgang zwischen den DeLaurants und den Cunninghams ist zwar friedlich, doch eigentlich sind sie bis ins Tiefste seit Jahrzehnten verfeindet. Cayden und Fallon, die Kind...