Fallons P.o.V.
Es war so still im Wagen, dass sich der prasselnde Regen auf dem Autodach wie Schüsse anhörten. Mein Herz pochte wie wild gegen meine Brust, aber ich traut mich nicht, mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Die Anspannung im Auto war zum greifen nahe, doch ich hatte keine Ahnung, wie ich hätte diese auch nur etwas lösen können. Seit dem Moment, als mein Vater mich mit Cayden erwischt hatte, lag diese erdrückende Stille zwischen uns, die keiner brechen konnte. Es gab einen Augenblick, an dem ich dachte, dass ich für immer die restliche Nähe zu ihm verloren hätte, und das war der Tag, an dem meine Mutter verstarb. Doch das war kein Vergleich hierzu. In seinen kalten, emotionslosen Blicken sah ich nichts außer Distanz und Enttäuschung. Etwas, dass mich immer wieder auf's Neue, so oft es auch passiert war und noch passieren würde, bis in die Knochen erschütterte, immerhin will kein Kind der Welt so von seinem Elternteil angesehen werden. Niemals. Und doch tat er es in genau diesem Moment. Ich wünschte wirklich, dass ich den Mut hätte, um seinen Blicken erwidern zu können, dass ich die Kraft hätte, mich ihm erklären zu können, aber die hatte ich nicht. So abgehärtet und stark ich auch durch immer wieder aufkommende Komfrontationen mit ihm geworden bin, so klein und hilflos fühle ich mich in diesem Augenblick. Dabei waren wir noch nicht einmal beim Schlimmsten angekommen. Das sich alles ändernde Gespräch über Cayden und mich stand noch aus, und ich war mir sicher, dass er nur so darauf brannte, zu erfahren, wie sehr ihn seine Tochter enttäuschen konnte - wiedermal.
Ich hörte, wie er sich auf dem Nebensitz räusperte. Selbst in dieser kleinen Bewegung konnte ich abschätzen, wie viel Spannung zwischen uns herrschte.
"Wie lange geht das zwischen euch schon?", entgegnete er mit solch einer Kälte, dass ich die Arme um meinen Oberkörper schlang.
Ich atmete bereits ein, um ihm zu antworten, aber ich schaffte es nicht, auch nur ein einziges Wort von mir zu geben. Ich konnte es verdammt nochmal nicht, dabei war es sein gutes Recht zu wissen, was seine Tochter mit dem Sohn seines Feindes trieb. Abrupt schloss ich wieder den Mund und senkte den Kopf noch tiefer, falls das irgendwie möglich war. Tränen rinnten mir ununterbrochen über die Wangen. "Wie lange, Fallon?!", bellte er laut, was mich zusammenzucken ließ. Er hatte mich schon oft angeschrien, so oft, dass mir noch nicht einmal Finger und Zehen reichen würde, um alle Male aufzuzählen, aber das hier war anders. Er schrie mich nicht nur an, weil er wütend auf mich war, sondern weil er tief im Inneren einen riesigen Groll und Zorn gegen mich und mein Handeln hegte.
Der Wagen hielt vor unserem EIngang, wofür ich mehr als dankbar war, denn immerhin wollte ich dieser Konversation so dringend wie möglich entgehen. Ich hob den Kopf, den Blick starr auf die Kopflehne des Beifahrers gerichtet. "Das ist egal", murmelte ich so selbstbewusst wie ich nur konnte. "Die Hauptsache ist doch, dass es vorbei ist." Es kostete mich all meine Kraft, um nicht vor ihm loszuheulen, weil ich diese ganze Sache mit Cayden und mir hinter mich lassen wollte. Dass mein Vater jetzt alles wieder aufrollte, machte alles viel schwerer für mich.
"Es ist egal?", wiederholte er und wandte den Oberkörper zu mir. "Es ist verdammt nochmal nicht egal, Fallon!" Seine laute Stimme hallte durch den gesamten Wageninnenraum. "Du teilst Zärtlichkeiten mit Cayden DeLaurant aus, du hast ihn vor meinen Augen geküsst, vermutlich schläfst du auch noch mit ihm. Mit dem Jungen, der gefährlicher für unsere Familie nicht sein könnte. Mit dem Jungen, der unsere komplette Existenz auslöschen könnte."
Ich presste die Lippen aufeinander, um keinen qualvollen Ton von mir zu geben, dabei drehte ich mein Kopf weg. Die Tränen hatten keinerlei Hindernis mehr, sie quilten eine nach der anderen aus meinen Augenwinkeln.
"Also sag' mir, Fallon, ob das alles wirklich egal ist!", knurrte er mich an. Seine Stimme war mittlerweile so laut, dass ich mir fast die Ohren zu halten wollte.
"Ich hab's verstanden", schluchzte ich auf und warf ihm einen Blick zu. "Ich bin diejenige, die alles kaputt macht. Ich bin diejenige, die dich andauernd durch ihr Verhalten enttäuscht. Ich hab's kapiert, okay?" Schwungvoll stieg ich aus dem Wagen aus und lief die glitschigen Treppenstufen nach oben. Es war mir vollkommen egal, ob ich meinen Vater im Auto hatte sitzen lassen. Es war mir egal, ob er die Wahrheit verdiente oder nicht. Ich konnte dieses Gespräch einfach nicht führen, nicht jetzt, vielleicht niemals. Ich brauchte selber erst einmal Zeit, um zu begreifen, was ich wieso getan hatte. Ich brauchte Zeit, um mit all dem hier entgültig abschließen zu können. So egoistisch das auch war, ich konnte meinen Vater keine Antworten auf Fragen geben, die ich selber nicht wusste.
"Fallon, du bleibst auf der Stelle stehen und wirst mir alles erzählen!", brüllte die Stimme meines Vaters hinter mir, aber ich ignorierte sie gekonnt. "FALLON!"
Ich hörte schnelle Schritte hinter mir, aber auch das ignorierte ich. Das einzige, was ich jetzt wollte, war in meinem Bett vor Trauer zu ertrinken, während ich mir in meinem Kopf immer wieder dieselben unbeantwortetenn Fragen stellte. Mein Vater und meine Rechtfertigungen vor seinen Vorwürfen gehörte definitiv nicht dazu.
"Ich sagte, du sollst stehen bleiben", knurrte er und fasste mich fest am Oberarm. Automatisch blieb ich auf dem Gang, der in mein Zimmer führte stehen, und sah ihn unter einem Tränenschleier an.
"Was verdammt willst du noch von mir?", hauchte ich mit zittriger Stimme und wandte mich aus seinem Griff.
"Ich will, dass du mir erklärst, wie du so dumm sein konntest, dich in den einzigen Mann zu verlieben, der uns alles kosten könnte, was wir uns aufgebaut haben", entgegnete er mit einer Härte, die mich verängstigte.
"Denkst du, ich habe geplannt, dass das alles passiert? Denkst du, ich wollte mich in Cayden DeLaurant verlieben?", wimmerte ich bitterlich auf und unterdrückte dabei ein Schluchzen. "Denkst du, ich weiß nicht, wie enttäuscht du deswegen von mir bist? Wie sehr du mich wegen jede meiner taten und besonders dieser verurteilst und hasst? Mein eigner Vater."
Seine festen Gesichtszüge schienen sich langsam zu lösen, denn für einen kurzen Augenblick konnte ich tatsächlich etwas in ihm erkennen, dass mich denken lassen könnte, er wäre aufgrund meiner Wortwahl getroffen. Er senkte für einen Moment den Blick und dachte ernsthaft über meine Worte nach, doch so schnell dieser Augenblick auch gekommen war, so schnell war er auch wieder verflogen.
"Es geht dennoch um unser Familie, Fallon", meinte er in einer normalen Lautstärke. "Und du weißt, dass die Familie immer an erster Stelle steht."
Verbittert lachte ich auf. "Aber ich habe mir nicht ausgesucht, in diese Familie hineingeborgen zu werden. Ich wollte und will diesen ganzen Hierarchie-Schwachsinn und diesen ständigen Kampf um Macht und Kontrolle zwischen unserer Familie und den DeLaurants nicht. Alles, was ich wollte, war ein einfach unbeschwertes Leben führen zu dürfen."
Jetzt wurden seine Gesichtszüge wieder härter. "Es tut mir wirklich leid, dass unsere Familie so eine Enttäuschung für dich ist", fauchte er und presste anschließend den Kiefer so fest aufeinander, dass seine Miefermuskulatur zu zucken begann.
"Die Enttäuschung bin ich!", schrie ich ihn an und fuhr mir durch mein dunkles Haar. "Du hast mir andauernd und immer wieder ins Gedächnis gerufen, dass ich kein Teil dieser Familie bin, dass ich kein Teil deiner Familie bin. Alles, was ich je getan habe, war nur dazu gedacht, dir und deiner verdrehten Einstellung zu imponieren, dir zu zeigen, dass ich es wert bin, geschätzt und unterstützt zu werden." Tief holte ich Luft, um meine Gedanken zu sortieren, denn in meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos. Ich hatte endlich die Chance, ihm so vieles zu sagen, so etwas würde sicherlich nie wieder passieren - nicht nach diesem Gespräch. "Ich musste härter kämpfen, als jedes Mitglied meiner Familie. Ich musste stärker sein, als alle Gegner. Ich musste mehr ertragen, als alle anderen. Und trotzdem war das nie genug für dich!" Mein Vater blickte mir blinzelnd ins Gesicht. "Das ist dir nie aufgefallen, wie denn auch? Du warst zu sehr damit beschäftigt, deine Machtspielchen zu betreiben."
Ich entließ ein Schluchzen und wischte mir die Tränen von den Wangen. Mit Sicherheit würde er jetzt kein einziges Wort mehr in meinem ganzen Leben mit mir wechseln, aber ich würde kein einziges Wort ändern, keine einzige Aussage zurücknehmen. Ich liebte meinen Vater, aber ich würde durch so eine Beziehung nur kaputt gehen, wenn ich ihm nicht ein einziges mal zumindest mitteilen würde, wie es mir wirklich ging.
"Ich wollte nur von dir respektiert werden." Meine Stimme war nur noch ein Flüstern, doch es hatte genug Aussagekraft, dass es auch endlich meinen Vater erreichen würde. Seine Haltung knickte mit einem mal ein, was mich tatsächlich überraschte. Ich kannte es nicht, dass er sich so schwach zeigte, so angreifbar machte, nicht vor seiner Tochter, die er Disziplin gelehrt hatte.
Ich wandte den Blick ab, weil ich befürchtete noch mehr in Tränen ausbrechen zu können. Eigentlich hatte ich ihm nur einen Bruchteil davon gesagt, was noch in meinem Kopf herumschwirrte, aber ich wusste auch, wann es genug war. Mein Vater hatte jetzt ein Bild davon, wie ich über ihn, unsere Familie und mich dachte, das würde genügen - zumindest für jetzt.
Auf meinen Absätzen drehte ich mich um, lief den Gang entlang bis ich in mein Zimmer einbog. Noch während ich die Tür schloss, brach ich erneut und diesesmal so heftig in Tränen aus, dass ich den psychischen Schmerz körperlich fühlen konnte.

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Forbidden love
RomanceIhre Liebe ist verboten. So sind die unausgesprochenen Regeln. Das Leben und der Umgang zwischen den DeLaurants und den Cunninghams ist zwar friedlich, doch eigentlich sind sie bis ins Tiefste seit Jahrzehnten verfeindet. Cayden und Fallon, die Kind...