37

1.7K 59 2
                                    

zwei Tage zuvor

Caydens P.o.V.

Es war so still im Esszimmer, dass man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die Stimmung war dementsprechend ziemlich angespannt, selbest meine Mutter, die uns eigentlich immer zwecks irgendwelcher Gesprächsthemen in eine Konversation führen konnte, hatte heute nichts zu sagen. Sie saß, wie alle in diesem Zimmer, einfach stumm vor sich, verteift in ihre eigenen Gedanken.
Ich schob das Essen auf meinem Teller von links nach rechts und wieder zurück. Mein Blick hob sich leicht und streifte dabei für ein paar Sekunden den von Lexi. Ihre Augen waren kalt und leer, ihre Mimik war genauso verhalten wie ihre komplette Haltung. Seitdem meine beste Freundin mich mit einer Anderen im Bett gefunden und mir anschließend ihre Gefühle offenbart hatte, war es komisch zwischen uns. Klar, wieso auch nicht? Ich erwiderte nun einmal nicht dieselben Empfindungen, die sie für mich hegte. Da war es schwer die entspannte Atmosphäre, die wir immer hatten, beizubehalten. Ich hatte zwar versucht, ein paar mal mit ihr über die Sache zu reden, doch sie machte mir immer wieder deutlich, dass sie gerade keinen besten Freund gebrauchen kann. Zeit heilt alle Wunden, deshalb hoffte ich, dass sie mir irgendwann vergeben konnte, auch wenn ich nicht wusste, wie lange dieses irgendwann dauern würde.
Meine Augen wanderten einen Platz weiter, wo Harvey mir einen undefinierbaren Blick zu warf. Ich hatte das Gespräch zwischen Fallon und ihm nicht wirklich mitbekommen, dafür war ich selber mehr als genug mit Lexi beschäftigt, doch ich war ihm auf dem Gang begegnet. Zuerst starrte er mich einfach nur an, dann verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Er wirkte schwer enttäuscht von mir, was angesichts der Tatsache, dass er wie ein weiterer Bruder für mich war, ziemlich weh tat. Ich konnte es ihm jedoch nicht verübeln. So waren die DeLaurants einfach gegenüber den Cunnighams. Misstrauisch. Abgesehen davon, dass er Fallon verabscheute, verband uns immerhin eine Jahrzehnte lange Feindschaft. Er hatte seither nicht mehr mit mir gesprochen. Keiner von beiden, und es war schrecklich. Ich hatte nicht nur meine besten Freunde verloren, sondern eben auch den Teil der Familie, auf den ich mich immer verlassen konnte. Zumindest war da noch Fallon. Der Gedanke an sie ließ meine Stimmung automatisch aufhellen. Wir hatten nicht mehr seit unserer Nacht geredet, doch seit zwei Menschen unser Geheimnis teilen, sollten wir vorsichtiger denn je sein. Es reichte schon aus, dass Harvey ein falsches Wort sagte, und wir waren dran. Trotzdem vermisste ich sie unheimlich. Es war nicht gerade der perfekte Abschluss unserer gemeinsamen Nacht, nachdem uns Lexi erwischt hatte und ich meiner besten Freundin hinterher gerannt bin ohne mich von Fallon verabschieden zu können.
"Mr DeLaurant?", fragte jemand in die Runde und alle hoben den Kopf. Mein größerer Bruder räusperte sich und schob bereits den Stuhl nach hinten, doch die Bedienstete schüttelte ihren Kopf und zeigte auf mich.
Ich merkte, wie alle sich am Tisch einen bedeutenden Blick zu warfen. Es kam immerhin nicht oft vor, dass ich zu meinem Vater gerufen wurde - eigentlich war das noch nie passiert. Es zeigte also von gesundem Menschenverstand, dass ich innerlich ein ungutes Gefühl im Magen verspührte.
Ich drehte mich zu Lexi und Harvey um, die für einen kurzen Moment wieder die alten waren. Zuerst sahen sie sich gegenseitig an, dann schauten sie auf mich. Ich erhob mich langsam und lief mit einem letzten Blick in die Runde aus dem Esszimmer in das anliegende Büro meines Vaters.
"Danke, Magrette", murmelte mein Vater und schwieg daraufhin, bis sie das Zimmer verließ. Ich wurde nur gerufen wenn ich etwas wirklich schlimmes verbrochen hatte, doch ich wüsste nicht, was ich abgesehen von der Beziehung zu einer Cunnigham angestellt haben sollte. Dass er davon wusste, war absolut unmöglich. Zum einen waren Fallon und ich immer vorsichtig gewesen und zum anderen würde weder Harvey noch Lexi mich verpetzen - zumindest hoffte ich das innerlich.
Er drehte sich zu mir um und starrte mich lediglich an. Sein Blick war dermaßen bohrend, dass ich mich sofort unwohl fühlte. Ich wusste nicht, ob es jahrelange Übung war, so einen Blick zu perfektionieren, aber es gelang ihm hervorragend. Trotzdem wendete ich meine Augen nicht von seinen ab. Ich war immerhin noch sein Sohn, ich hatte also ebenfalls meinen Stolz.
"In den ganzen neunzehn Jahren, die du auf dieser Welt bist,", begann er und sah mich von oben bis unten an, ", habe ich mich noch nie so sehr für dich geschämt, wie heute, Cayden."
Es sollte mich eigentlich treffen, aber das war nicht das erste mal, dass ich so etwas gesagt bekommen habe. Es gab schon oft Vorwürfe und Beleidigungen seitens meines Vaters, da tat eine mehr oder minder auch nicht mehr weh.
"Was?", fragte ich belustigt und verschränkte die Arme vor meiner Brust. "Habe ich eine Schramme in deinen Wagen gefahren? Wenn ja, dann tut es mir leid. Sag' einfach das, was du mir immer sagst, und bestraf' mich so, wie du es immer tust." Ich wandte mich bereits zum gehen, doch mein Vater schlug so heftig mit seiner Hand auf den Tisch, dass ich zusammenschreckte.
"Setz' dich, Cayden." Seine Stimme hatte einen Ton angenommen, den ich nur kannte, wenn er wirklich kurz davor war, auszurasten. Ich drehte mich also um und sah meinen Vater an, der mich nicht aus den Augen ließ.
"Ich bevorzuge es, zu stehen", entgegnete ich genauso scharf.
Er schüttelte den Kopf. "Ich habe dir immer genug Freiheiten gelassen, dich nie in irgendwelche Geschäft eingebunden, wie deinen Bruder."
Ich rollte mit den Augen. Ich liebte meinen Bruder ja, aber er war das Goldstück der Familie und Papas ganzer Stolz - im Gegensatz zu mir. "Ich habe dir immer wieder so vieles durchgehen lassen, so vieles toleriert, was hätten andere Eltern nicht mehr mitgemacht. Und jetzt, wo ich gedacht hatte, dass deine rebellische Phase vorbei ist, wagst du es ernsthaft, deine gesamte Familie so zu hintergehen und zu beleidigen." Ich runzelte die Stirn. "Wann genau wolltest du mir sagen, dass du eine Affäre mit Fallon Cunnigham hast?", fragte er voller Ausdruck in seiner Stimme, danach folgte eine Stille, die so erdrückend war, dass mir meine Ohren weh taten.
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ich konnte nicht. Wie um alles in der Welt hatte er davon mitbekommen können? Mir schossen hunderte von Gedankengänge in den Kopf, doch ich hatte keine Antwort darauf.
"Habe ich nicht", log ich mit ernster Miene. Ich war kein besonders guter Lügner, aber es bestand immer noch die Chance, dass das hier ein Test war.
"Dann seid es nicht ihr gewesen, die mein Schlafzimmer durchwühlt habt?", fragte er in einer rheotorischen Tonlage. Ich blinzelte ein paar mal. Das war unmöglich. Woher hätte er das wissen - Harvey. Ich biss die Zähne so stark zusammen, dass mein Kiefer zu schmerzen begann.
Mein Vater griff nach einer Akte und ließ sie auf den Tisch fallen, sodass einzelne Blätter hinausglitten. Es war die Akte von Edwart Cunnigham.
Ich hob den Blick erneut. "Woher hast du die?", fragte ich nach einer Pause.
Als er daraufhin nichts sagte, begann ich zu grübeln, doch es war einfacher, als gedacht. "Du warst in meinem Zimmer und hast meine Sachen durchwühlt?" Meine Stimme bebte vor Wut. Er war einfach so in meine Privatsphäre eingedrungen? Bei seinem eigenen Sohn?
"Du hast genau dasselbe bei mir getan", argumentierte er, was mich noch wütender machte.
"Ich hatte wenigstens einen guten Grund", fauchte ich aggressiv und stützte meine Handflächen an der Schreibtischkante ab. "Wenn du weißt, dass ich in deinem Zimmer war, dann weißt du auch, wieso, oder nicht? Auf unerklärlicherweise ist Edwart Cunnigham ums Leben gekommen, genauso wie Cory Cunnigham. Das Täterprofil war ziemlich ausführlich: Groß, muskulös, gefährlich, ziemlich machtvoll. Kommt dir da jemand in den Sinn?" Ich wartete gar nicht auf seine Antwort und redete einfach weiter. "Und rate, was für eine Ausbeute ich machen konnte."
Seine Haltung war zwar immer noch ziemlich stark, doch keine Mimik bröckelte langsam. "Hast du dir überhaupt angeschaut, was auf dem Chip zu sehen ist?", fragte er vorwurfsvoll, doch ich zuckte nur mit den Schultern und verschränkte wieder die Arme.
"Ich muss mir die Videos und Bilder nicht anschauen, um zu wissen, dass das Beweise gegen dich sind."
Mein Vater schmunzelte, dann brach er in Lachen aus, was mich irritierte. Das Gelächter war so einschüchternd, dass ich einen Schritt von ihm weg machte.
"Du hast sie also nicht gesehen", murmelte er belustigt und zog einen USB-Stick hervor. Er steckte ihn in seinen Laptop ein und klickte auf eines der Videos, dann drehte er den Bildschirm zu mir. Was darauf zu sehen war, waren keine Beweise, die ihn hätten überführen können, sondern ganz im Gegenteil: Es zeigte mich mit Fallon. Es war der Tag, an dem wir beide zu Harveys Anwesen gefahren waren, um ihn zu überführen. In diesem Video sah man deutlich unsere Gesichter und wie ich Fallon gegen die Wand drückte, damit uns keiner von Harveys Männer entdeckte. Man sah aber auch, die Blicke, die wir miteinander austauschten. Ich konnte meine Augen nicht von dem Video nehmen, dass Fallon und mich überführt hatte.
Als mein Vater den Laptop schloss, hob ich meine Augen. "Woher hast du das?", fragte ich sofort. Es gehörte immerhin Harvey, da es auf seinem Anwesen entstanden ist. Hatte Harvey uns also doch verraten?
"Denkst du nicht, dass ich einige Kontakte habe, die mir gegenüber so loyal sind, dass sie alles für mich tun würden?", scherzte er, doch mir war gerade alles andere als zum lachen zu Mute. Trotz den Videos hätten Fallon und ich immer noch nur eine geschäftliche Beziehung führen können. Ja, man sah die Blicke zwischen uns, doch wer sagt, dass wir intim miteinander geworden sind?
Als mein Vater mein Blick sah, nickte er verständlich und zog ein Streifen Papier aus seiner inneren Jackentasche, dann warf er ihn mir hin. Es schien als würde die Zeit still stehen. Ich hörte, wie mein Herschlag immer langsamer wurde, wie träge mein Blut durch meine Adern floss. Fallon und ich waren immer vorsichtig, doch es gab einen Moment, in dem wir selber Beweise schufen. Der Tag des Rummels, bei dem wir uns in einer Fotobox versteckt hatten, die anschließend Bilder von uns gemacht hatten. Ich sah die vier schwarz-weißen Fotos an und erinnerte mich an den glücklichen Moment zurück, der uns jetzt zum Verhängnis wurde, weil man sah, wie wir uns innig küssten. Fallon hatte mich ausdrücklich darum gebeten, die Fotos sofort zu verbrennen, aber ich schaffte es irgendwie nicht. Ich wollte so gerne etwas haben, dass uns beide verband, dass ein normales Paar in einer ganz normalen Welt tun konnte. Aber sie hatte recht. Wir waren kein normales Paar, wir führten eine komplizierte Beziehung miteinander, die solch alltägliche Dinge nicht zulässt.
"Also", begann mein Vater erneut, "jetzt, wo ich deine volle Aufmerksamkeit habe, wie lange geht das schon mit euch beiden?"
Ich kämpfte mit meiner Beherrschung. Es gab nicht viel, was mich so glücklich machte wie Fallon, und jetzt, wo mein Vater über uns Bescheid wusste, würde er alles dafür tun, um uns zu entzweien.
Mich packte wieder meine Wut. "Das geht dich gar nichts an", murmelte ich bedrohlich und formte meine Augen zu Schlitze. "Lass' Fallon und mich gefälligst in Ruhe, hast du verstanden?"
Mit diesem Satz drehte ich mich um und wollte bereits die Tür passieren, doch mein Vater hielt mich erneut auf. "Du wirst dich von ihr trennen", entgegnete er ruhig. "Und das ist keine Bitte, Cayden."
Ich drehte mich wieder zu ihm um und verzog mein Gesicht. "In welchem Universum entscheidest du über mein Leben?", fragte ich ironisch und schüttelte den Kopf. "Ich werde mich dir nicht mehr unterwerfen, so wie die anderen."
Zuerst schaute mein Vater überrascht, doch dann fing er sich wieder. "Fallon Cunnigham hat offensichtlich keinen guten Einfluss auf dich-"
"Nimm nie wieder ihren Namen in den Mund, hast du gehört?", fauchte ich ihn bedrohlich an und hob meinen Finger.
Er atmete tief durch und richtete sein Jaquet, das ihm einen gewissen autoritären Ausdruck verlieh. "Ich schätze, sie hat dich auch vergessen lassen, dass die Familie über allem steht. Du trennst dich von ihr, oder ich werde höchst persönlich dafür sorgen, dass Fallon jeden Menschen verliert, der ihr wichtig ist."
Ich sah ihn verdutzt an. "Das würdest du nicht tun", murmelte ich leise, aber er zeigte keinerlei Mitgefühl. Fallon musste schon viel in ihrem Leben ertragen. Ihr Vater, dem sie niemals genug sein wird, und die Menschen, die sie verloren hatte: ihre Mutter, Edwart und jetzt auch noch Cory. Sie war die stärkste Person, die ich kannte, doch jeder Mensch hatte seine Grenzen und wenn sie noch weitere Leute verlieren würde, hätte sie niemanden mehr. Und das nur, weil ich egoistisch war und ich Fallon nicht verlieren wollte. Das war vermutlich die schwerste Entscheidung meines Lebens.

Forbidden loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt