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Fallons P.o.V.

Cayden lief einige Momente vor mir die Treppen hinunter, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich hörte bereits, wie voll das Anwesen sein musste. Eine richtige Party war es jedoch nicht. Die Mehrzahl der Gäste war sicherlich über vierzig und in einer strengen Kleidungsform eingekleidet. Ich lief die Treppen hinunter und sah mich nach bekannten Gesichtern um. Kurz entdeckte micht Cayden, der mir zu nickte, genauso wie ich ihm. Wir hatten ausgemacht, dass wir uns zwar aus dem Weg gehen würden, doch uns eigentlich immer im selbem Raum befinden würden. Das war unauffällig genug, um keinen Verdacht schöpfen zu lassen.
Ich lief zu meinem Vater, der sich mit irgendwelchen Vertretern irgendwelcher Unternehmen unterhielt.
"Da bist du ja, Fallon. Unpünktlich wie immer", meinte er und sah an mir runter. Ich war gespannt, ob er auch meine Kleiderauswahl kritisieren würde, doch er verkneifte sich seinen Kommentar.
Zu uns traten Gregor und Elenore DeLaurant. Sie beide sahen einfach nur fabelhaft aus. Eleonore zog mit ihrem eleganten langen Abendkleid sicherlich alle Blicke auf sich, während ihre Begleitung sich mit einem einfachen und dennoch schicken Anzug zurückhielt. "Aloisius, Fallon, schön euch hier haben zu können", begrüßte uns Mr DeLaurant. Ich setzte ein unechtes, aber dennoch authentisches Lächeln auf. "Danke für die Einladung."
"Wissen Sie, ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Vertreter Sie aus ihren Unternehmen bringen können, ich brauche immer genug Überzeugungskraft, um sie umstimmen zu können", meinte mein Vater und lachte. Ab dem Moment hörte ich ihnen nicht mehr zu und sah mich stattdessen unauffällig um. Ich erblickte Cayden, der sich am anderen Ende des Saals mit einem Drink in der Hand mit Lexi unterhielt. Hoffentlich würde er sich dennoch auf unseren Plan fokusieren können.
Meine Augen wanderten weiter und blieben schließlich an Harvey hängen, der sich mit drei anderen jungen Männern unterhielt. Man würde niemals denken, dass er sein eigenes Ding durchziehen würde, denn er verhielt sich teilweise noch ziemlich kindlich. Harvey kippte sich den kompletten Inhalt seines Bechers in der Rachen und sties auf. Ich verzog angewiedert mein Gesicht und sah mich weiter um.
"Fallon, würdest du mir die Ehre erweisen?", fragte mich plötzlich Mr DeLaurant und hielt mir seine Hand hin. Ich blinzelte und blickte auf diese. Mein Vater räusperte sich neben mir und lächelte meinen Gegenüber an.
"Aber natürlich wird sie", meinte er und gab mir einen kleinen Schubs. Ich fasste mich wieder und setzte ein schnelles Lächeln auf. "Sicher", stimmte ich schließlich zu. Ich musste mich ermahnen, meine Hand nicht aus seiner zu ziehen. Mr DeLaurant legte seinen linken Arm um meine Taille und zog mich enger zu sich. Ich schluckte und gab mich dem Tanz widerwillig hin.
"Wie ich höre, kommst du nicht wirklich mit meiner Familie zu recht?", meine er in einem ruhigen Ton. Innerlich erschrak ich förmlich. Hatte er etwas gesehen oder gehört, dass mich mit Cayden in Verbindung bringen könnte?
"Ich rede von Harvey", fügte er hinzu als ich nicht auf seine Frage antwortete. Ich unterdrückte ein Lächeln. 'Nicht zur recht kommen' war noch milde ausgedrückt.
"Wir kommen nicht immer auf denselben Nenner, nein", entgegnete ich und Mr DeLaurant schmunzelte. Selbst sein Lachen empfand ich als gefährlich. Er war ein Mann, den man sicherlich nicht zum Feind haben möchte - wie ironisch, dass wir es bereits waren.
"Harvey ist nicht so einfach zu Hand haben. Er tut das, wonach ihm gerade ist", erklärte er und ich nickte zustimmend. "Ich war überrascht als ich erfahren hatte, dass sein blaues Auge von dir kam."
Ich hielt inne und senkte den Blick. Am liebsten wäre ich jetzt im Boden versunken.
"Das muss dir nicht peinlich sein. Es wäre mir nur lieber, wenn ihr eure Differenzen nicht in einem Kampf lösen müsstet", entgegnete er, was einem Befehl gleich kam. Ich wusste nicht, was ich anderes hätte darauf antworten können. "Es wäre mir generell wichtig, wenn ihr eure Probleme aus dem Weg schaffen könntet. Weil ich aber weiß, dass das nicht passieren wird, möchte ich, dass du dich ab sofort von meiner Familie fern hälst." Mir stockte der Atem. Ich sah Mr DeLaurant an, der gelassen durch den Raum blickte - immer im Hinterkopf, keine Szene zu machen.
Er wollte von mir, dass ich jeglichen Kontakt zu den DeLauarnts abbrechen sollte? Es spielte gerade keine Rolle, dass ich mich eh nicht viel mit den DeLauants abgab, doch er war ein Fremder für mich, der sich in mein Privatleben einmischte. Hinzu kam noch, dass sein Sohn und ich einen engeren Kontakt zu einander hatten - gewollt oder nicht gewollt, aber das brauchte niemand zu wissen.
"Bei allem Respekt, ich denke nicht, dass sie mein Verhältnis zu einem ihrer Neffen oder Söhne angeht", meinte ich streng und hielt den Blick nach vorne. Ich sah wie Cayden uns nicht aus den Augen ließ - vielleicht auch, weil ich gerade mit seinem Vater tanzte. Es war absurd, aber ich fühlte mich etwas sicherer dabei.
"Fallon, ich verstehe, dass du dir nichts sagen lassen wirst", Mr DeLaurant schaute mir in die Augen,"aber es geht hier nicht um dein Ego oder deiner eigenen Treue. Halte dich von meinen Kindern und Verwandten fern, ansonsten wirst du es bitter bereuen. Und du kannst dir sicher denken, wozu ich alles im Stande bin." Wir hatten mittlerweile aufgehört zu tanzen, sondern starrten uns nur gegenseitig an. Mein Blick auf Mr DeLaurant hatte sich komplett geändert. Ich verstand, dass er einfach seine eigene Familie schützen wollte, aber er war nicht in der Position, mir irgendwelche Befehle zu erteilen. Er schreckte noch nicht einmal vor Drohungen zurück. So sehr er nach außen hin den Schein der Gutmütigkeit bewahrte, konnte ich jetzt nicht mehr wie vor ein paar Wochen verhalten. Wollte er wirklich den Frieden zwischen unseren Familien herstellen, oder war das auch nur Fassade? Mir kam plötzlich ein dunkler Gedanke, den ich nicht so leicht abschütteln konnte.
"Darf ich ablösen?", fragte jemand. Ich wandte den Blick ab und lächelte beim Anblick meines Onkels.
"Sehr gerne", kam ich Mr DeLaurant zuvor und ließ ihn auf der Stelle stehen.
"Du weißt nicht, wie sehr ich mir das gerade gewünscht habe", flüsterte ich, als wir uns einige Meter von ihm entfernt hatten. Onkel Jack grinste mich an und führte mich noch ein Stück weiter weg von meinem früheren Tanzpartner. "Und ich hatte gedacht, ich wäre der schlechteste Tänzer auf dieser Tanzfläche", murmelte er und ich lachte. Jack Cunnigham war das schwarze Schaf der Familie. Er passte einfach nicht in dieses strenge Familienregime, das wir hatte. Er war anders, viel fröhlicher als alle Cunnighams zusammen, viel entspannter. Er blieb sich selber treu, wofür er meinen größten Respekt und meine größte Unterstützung erhielt. Manchmal wünschte ich, dass mein Vater mehr wie sein jüngerer Bruder war. Er sah die Dinge einfach viel zu ernst.
"Ich erinnere mich kaum, wann ich das letzte mal mit dem Oberhaupt der DeLaurants gesprochen hatte", überlegte er und ich grinste. Hinzu kam noch, dass er Meilen weit weg von unserem Anwesen wohnte. Er lebte das Leben, wonach ich mich immer sehnen würde.
"Glaub mir, Onkel, du hast nichts verpasst."
"Hat er immer noch diese Falte im Gesicht, wenn er einen ernsten Blick aufsetzt?"
Ich dachte lachend nach und nickte schließlich. Im Augenwinkel sah ich plötzlich, wie Cayden meinen Blick suchte. Mit einer Kopfbewegung wies er auf seinen Cousin, der gerade das Anwesen verließ. Es war das Zeichen, auf das wir beide gewartet hatten. Ich nickte und entschuldigte mich von meinem Onkel.
Cayden und ich trafen uns oben vor Harveys Zimmer. "Bist du dir sicher, dass er lang genug weg sein wird?", fragte ich, aber er zuckte nur die Schultern.
Er drückte die Tür auf und schnaubte. "Typisch, er schließt nie ab", meinte er und sah sich in dem unordentlichen Raum um. Angewiedert hob ich eine seiner Boxershorts hoch. "Hat er noch nie etwas von Ordnung oder Hygiene gehört?", fragte ich und Cayden lachte. Doch ich meine es absolut ernst. Es sah aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Mir schien der Gedanke, dass man sich hier ernsthafte Krankheiten holen könnte, nicht gerade fern.
Wir wussten beide nicht, wonach wir suchen sollten, deswegen begannen wir einfach sein gesamtes Zimmer durchzuschauen. Ich überprüfte seinen Schreibtisch, wofür ich mich auf seinem Sessel niederließ. Ich sah ihn komplett durch, aber ich konnte nichts interessantes entdecken. Ich tastete ein zweitesmal die Schubladen ab, jedoch versuchte ich es mit doppelten Böden. Und tatsächlich, ich fand neben ein paar unwichtigen Papieren und einer Waffe ein Notizbuch.
"Cayden", flüsterte ich und zeigte ihm den Block.
Er riss die Augen auf. "Das ist es, das hat er immer dabei gehabt", meinte er und schlug es neben mir auf. Es waren immer wieder sinnlose Stichpunkte, die wir keinem genauen Schema zuordnen können. Die letzte Seite hatte ein Datum und eine lange Ziffer. Das Datum von dem Tag an dem Edwart starb. Caydens Blick traf sich mit einem.
Ich schluckte und sah mir die Zahl genauer an. "Eine Telefonnummer?", fragte ich. Cayden nahm sein Handy in die Hand und tippte die Nummer ein.
"Probieren wir es aus." Ich wusste nicht, wen ich am anderen Ende erwarten sollte. Mir war plötzlich ganz mulmig. Es summte, doch nach einigen Minuten schaltete sich kein Anrufbeantworter ein, viel mehr bekamen wir die Nachricht, dass die Nummer nicht vergeben war.
Wir sahen uns wieder an. "Keine Nummer." Ich strich über die Zahlen und dachte nach. Diese Zahl könnte für alles stehen. Ein Code, eine verschlüsselte Botschaft, ein - Ich runzelte die Stirn und sah mir die Kombination nochmal genauer an.
Denk nach, Fallon, denk nach ...
"Es sind Koordinaten", flüsterte ich und nickte. "Es müssen welche sein." Cayden grinste mich an. "Ein wahres Team eben." Bevor ich auf diesen Kommentar auch nur reagieren konnte, klirrten plötzlich irgendwelche Schlüssel vor der Tür, die uns inne lassen hielten. Ich packte das Buch dahin, wo ich es gefunden hatte, dann nahm mich Cayden an der Hand und zog mich in den Kleiderschrank. Keine Sekunde später ging die Tür auf, doch nicht Harvey trat hinein, sondern ein fremder Mann. Caydens Kiefermuskeln spannten sich an. "Nicolás", erklärte er mir leise und ich sah mir den Mann nochmals durch die horizontalen Schlitze. Er war um die vierzig, doch man sah ihm an, dass er definitiv schon eine Menge Erfahrungen hatte. Sein lockiges Haar war nach hinten gegelt worden, wodurch er viel gefährlicher wirkte.
Nicolás sah sich ebenfalls um, bis sein Blick an Harveys Schreibtisch hängen blieb. Er suchte ihn ab, bis er das Notizbuch fand und es einsteckte. "Mist", fluchte ich leise und sah dem schlanken Mann hinterher. Kurz bevor er den Raum verließ, fiel plötzlich ein Kleiderbügel runter.
Ich schnappte nach Luft. Mein Körper war wie fest gefroren, ich konnte mich kein Stück bewegen. Nicolás hielt inne und sah in die Richtung des Kleiderschranks.
Cayden reagierte neben mir. Sein linker Arm schloss sich um meine Taille und zog mich nah zu sich an die seitliche Wand. "Schhh", wisperte nah neben mein Ohr als er bemerkte, dass ich kurz davor war, etwas unüberlegtes zu tun. Ungewollt bekam ich eine Gänsehaut, die sich über meinen gesamten Körper ausbreitete.
Nicolás hielt vor dem Schrank inne. Meine Panik schoss mir in den Kopf, es schien so, als würden wir gleich auffliegen und das war gar nicht gut. Ich musste handeln, ich musste dafür sorgen, dass wir hier lebend aus dieser verdammt verzwickten Situation raus kamen, ohne dass Nicolás auch nur ein Haar krümmen würde. Ich musste uns verteidigen können, wenn es hart auf hart kam.
Mein Kopf wanderte meine Beine entlang, und mir kam eine Idee, doch ich traute mich kaum, mich zu bewegen, da ich fürchtete noch ungeschickter sein zu können.
"Greif' unter mein Kleid", flüsterte ich so leise es nur möglich war. Cayden runzelte hinter mir die Stirn. "Tu' es einfach!" Meine Stimme zitterte, vor Angst - und das nicht nur, weil wir gleich auffliegen würden.
Seine rechte Hand berührte meinen Oberschenkel und fuhr diesen langsam entlag. Ich zuckte bei dieser Berührung kurz zusammen, aber ich ließ es trotzdem zu. Caydens Fingerkuppen stoppten als sie zu einem dünnen ledernen Band kamen. Er fasste mir widerwillig an die Innenseite. Ich kniff die Augen zusammen. Meine Beine schiene plötzlich ganz schwach zu werden. Unglaublich, dass ich mich gerade in dieser Situation befand. Er zog ein kleines schmales Messer hervor und betrachtete es bewundernd. Ich nahm ihm die Waffe ab, doch er hielt mich an der Taille zurück. "Warte", flüsterte er. Nicolás öffnete die eine Tür und sah in die Innenseite des Schrankes, dann schloss er sie und lief aus dem Zimmer, als ihn einer seiner Männer rief. Tief entliesen wir beide die Luft.
"Das war knapp", meinte Cayden hinter mir. Mir fiel auf, dass er mich immer noch fest mit seinem Arm umschlungen hatte, weshalb ich einen Schritt nach vorne wagte, um von ihm abzurücken. "Wir müssen wieder nach unten", entgegnete ich knapp. Ich konnte ihm noch nicht einmal in die Augen dabei schauen, so unangenehm war mir die Situation. Ich hatte ihn tatsächlich befohlen, mich dort anzufassen, wo mich niemand einfach so berühren durfte. Cayden nickte und wies auf das Messer in meiner Hand. "Interessantes Versteck", murmelte er. Ungewollt sprangen meine Mundwinkel ein Stück nach oben. "Das wird nie wieder vorkommen, versprochen."
Cayden grinste mich kopfschüttelnd an.

Forbidden loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt