Fallons P.o.V.
Unsicher kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Eigentlich wollte ich Cayden doch absagen, ich hätte schlichtweg gemeint, dass es mir im Laufe des Abend nicht so gut gegangen wäre und eigentlich würde ich damit ja auch nicht lügen. Vielleicht hatte er es nicht so gemeint, vielleicht hatte er nicht wirklich darüber nachgedacht, aber es hatte mich doch tiefer getroffen als ich anfangs annahm. Eine echte Freundin, hallte es in meinem Kopf wieder und ich rieb mir meine pochenden Schläfen. Ich wollte nicht irgendeine Freundin von Cayden sein, ich wollte mehr als das. Mir war klar, dass es unmöglich schien, wirklich seine richtige Freundin zu werden, dennoch hatte ich gedacht, dass er bei unserem Kuss genauso empfunden hatte, wie ich. Ich hatte angenommen, dass es ihm gefallen hatte, dass er sich nach mehr sehnte, aber anscheinend hatte ich ihn erneut falsch eingeschätzt. Und nur weil ich mich ein kleines bisschen mehr geöffnet hatte, als ich sollte, war ich genau an dem Punkt angekommen, den ich vermeiden wollte. Ich hätte ja nicht ahnen können, dass ich Cayden DeLaurant jemals anders sehen würde, doch irgendwie hatte er es geschafft, mein Herz und Verstand durcheinander zu bringen.
Ich seufzte und schaute auf meine Uhr. Es war noch eine halbe Stunde bis Mitternacht, aber ich konnte nicht mehr warten und machte mich auf den Weg. Vorsichtig kletterte ich über meinen Balkon, über mein Dach und anschließend das Anwesen hinunter. Ich rannte über den großen Platz und suchte nach der Leiter, die in Caydens Zimmer führte. Langsam näherte ich mich dem Balkon, was mich abrupt zum stehen bleiben zwang. Innerlich fühlte ich wieder diese Aufregung, die ich so schnell wie möglich wieder verbannen musste.
Mir schoss ein Gedanke in den Sinn. Ich könnte immer noch umdrehen und das alles hier absagen. Doch ich bewegte mich nicht. Es wäre kindisch wegen irgendwelchen Empfindungen, die möglicherweise nicht einmal echt waren, alles abzublasen.
Ich schüttelte den Kopf und kletterte über das Geländer. Ich klopfte an die Glastür, doch als keiner aufmachte, nahm ich mir eine Haarnadel zur Hand und knackte das Schloss. Leise trat ich in das dunkle Zimmer, das nur vom Mondlicht erhellt wurde, und schloss die Tür.
Plötzlich riss mich jemand an der Schulter gegen die Wand, doch ich konterte sofort und stieß meinen Gegner zu Boden. Ich kletterte über ihn und fixierte seine Arme oberhalb seines Kopfes.
"Fallon", flüsterte Cayden und sah mich irritiert an. Perplex starrte ich ihm ins Gesicht, dann wanderten meine Augen seinen Oberkörper hinunter, der komplett nackt war.
Automatisch wurde ich rot und ließ ihn los. "Tut mir leid", murmelte ich und versuchte aufzustehen, dabei fiel ich volle Kanne auf ihn drauf. Mein Kopf landete auf seiner harten Brust, während meine Hände sich an seinem durchtrainierten Bauch abfingen. Ich glaubte, dass mein Kopf vor Röte explodieren würde.
Schnell rutschte ich von ihm ab und brachte erst einmal gut zwei Meter Abstand zwischen uns. Wie könnte ich ihm jemals wieder normal in die Augen schauen?
"Alles in Ordnung?", fragte er mich und stand auf. Er hielt mir die Hand hin, damit ich aufstehen konnte. Lange fixierte ich seine Hand, die ich schließlich dankend annahm. Kurz überrollte mich ein Schwall voller Wärme, dann verschwand dieses Gefühl wieder.
"Was tust du hier?"
Ich ermahnte mich, nicht an seinem wundervollen Körper entlang zu gaffen, stattdessen behielt ich den Blick oben, doch das kostete mich all meine Kräfte.
"I-ich konnte früher los", stotterte ich und wandte mich seinem Zimmer zu.
Cayden nickte und griff nach einem Pullover, den er sich überzog.
Erleichtert wandte ich meinen Blick wieder zu ihm.
"Ich dachte, du seist jemand Fremdes, deswegen hatte ich dich angegriffen."
Ich lächelte ihm nickend zu. Es war besser, sich ab jetzt immer an die ausgemachten Zeiten zu halten, ansonsten würde ich in ein größeres Fettnäpfchen treten.
"Können wir anfangen?", fragte ich ungeduldig, denn ich schaffte es ja noch nicht einmal zwei Minuten bei ihm zu sein, ohne mich zu blamieren.
Cayden griff nach der Kopie der Akte und breitete die Blätter auf seinem Bett aus. Das Bett, auf dem wir uns geküsst hatten. Ich konnte nicht anders, ich musste sofort an die Leidenschaft zwischen uns denken, die durch eine einzige Berührung bei mir entfacht wurde.
Schnell schüttelte ich den Gedanken ab und konzentrierte mich auf die Gegenwart. Wir waren nur Freunde.
Unsicher setzte ich mich ihm gegenüber und nahm schnell eines der Blätter zur Hand, um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen. Ich konnte nur erahnen, wie schnell ich mich wieder blamieren würde. "Ich habe mir das Täterprofil angeschaut", erzählte er und übergab mir eines der Dokumente. "In Edwarts Lebenslauf sieht man, dass er regelmäßigen Kontakt zu einem Mann hatte, vermutlich der Täter."
"Wie kommst du darauf?", fragte ich Stirn runzelnd nach.
"Die Beschreibung passt zu diesem Mann, allerdings wird nicht erwähnt, ob er zu einer unserer Familien gehört. Ich dachte da an meinen anderen Cousin, Dean. Er würde ebenfalls ins Täterprofil passen, allerdings war er seit Jahren nicht mehr bei uns ..."
Ab diesem Zeitpunkt hörte ich nur noch mit halbem Ohr zu. Es könnte jeder gewesen sein. Die Chance, dass jemand so perfekt ins Täterprofil passen würde, wie Harvey.
Ich senkte den Blick und biss mir unbewusst auf die Unterlippe. Einer blieb mir aber seither im Gedächnis. Ich hatte mit Cayden nicht ausführlich über das Gespräch zwischen seinem Vater und mir gesprochen, doch seit diesem Abend konnte ich den Verdacht, dass er möglicherweise der Täter war, nicht mehr abschütteln. Dabei machte es gar keinen Sinn. Wieso sollte Gregor DeLaurant etwas gegen Edwart haben? Hatten sie überhaupt Kontakt zueinander? Kannten sie sich überhaupt?
"Fallon? Fal-lon." Cayden tippte mich am Arm an, sodass ich aus meinen Gedanken gerissen wurde.
"Ja, klingt gut", entgegnete ich schnell und sah mir seine angefertigten Notizen an.
Cayden runzelte die Stirn, griff sanft nach meinem Handgelenk und drückte es beiseite, sodass ich ihn anschaute.
Innerlich empfand ich eine Nervosität, die nur er bei mir auslösen konnte.
"Was ist los?", fragte er langsam und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ich hingegen wandte den Blick ab. Schließlich seufzte ich auf und fuhr mir durch mein dunkles Haar.
"Ich wollte eigentlich nichts sagen, aber ..." Cayden suchte immer noch nach meinem Blick, weshalb ich ihm endlich in die Augen blickte. "An dem Tag, an dem wir in Harveys Zimmer herum geschnüffelt hatten, hatte zuvor dein Vater mit mir getanzt."
"Darüber haben wir doch schon gesprochen", murmelte er, doch wurde gleich still, als er merkte, dass ich ihm nicht alles erzählt hatte.
"Er ... hatte mir gedroht, mich von euch fern zu halten, dabei machte er ..." Wie sagt man jemanden, dass der eigene Vater vielleicht der Mörder eines jungen Mannes war? Es war unmöglich. "... Andeutungen -"
"Andeutungen?", wiederholte er. Seine Augenbrauen schoben sich zusammen und formten somit eine gerade Linie.
"Er hatte gemeint, er hätte Möglichkeiten, Dinge zu tun oder tun zu lassen, die mich würden umstimmen können, euch in Ruhe zu lassen."
Cayden lachte bitter auf, was mich innerlich erschrecken ließ. "Und wann wolltest du mir davon erzählen?"
"I-ich ... Wir waren so fest davon überzeugt, dass Harvey unser Mann ist, da hatte ich es als nicht wichtig empfunden, und bin dem auch nicht mehr nach gegangen", erklärte ich schnell. Dann war es still zwischen uns, so bedrückend, dass ich es fast schon nicht mehr aushielt.
Cayden räusperte sich und wandte sich schließlich wieder zu mir. "Irgendwo wussten wir doch beide, dass es mein Vater sein musste, oder nicht?"
Ich hatte keine Antwort auf seine Frage, da ich ihn nicht verletzen wollte. Er rieb sich müde über sein Gesicht und schüttelte den Kopf. "Ich hatte bewusst, nie meinen Vater in diesem Fall erwähnt, weil ich immer an seine Unschuld geglaubt hatte." Er machte eine lange Pause, die mich unruhig machte. "Aber jetzt habe ich keinen Grund mehr, ihn nicht mehr außen vor zu lassen."
"Es tut mir leid", flüsterte ich und legte ihm vorsichtig eine Hand auf die breite Schulter. Sein Körper stahlte sofort eine Wärme aus, in die ich mich gerne stürzen würde, aber ich ließ diesen Gedanken sofort fallen. Es gab jetzt wichtigeres, als mich um meine Gefühle für ihn zu kümmern. Stattdessen erweckte etwas anderes meine Aufmerksamkeit.
Ich griff nach meiner Jacke, holte ein kleines Present aus meiner Tasche und übergab es Cayden. "Es ist immernoch dein Geburtstag", wisperte ich mit einem aufmunternden Lächeln. Ich wollte ihm seinen Ehrentag nicht komplett vermiesen, auch wenn mein Geschenk nichts besonderes war. Cayden hob den Blick und fing mich damit ein. Das Grün seiner Augen vermischte sich mit dem Mondlicht und zauberte ein wundervolles Farbspektakel, von dem ich womöglich nie genug bekommen würde.
"Du willst mir etwas schenken?", fragte er mit einem leichten Lächeln nach, das mein Herz höher schlagen ließ. Er zog an der Schleife und wickelte das Geschenk von seinem Papier frei. Zum vorscheinen kam ein antiker silberner Schlüssel. Fragend sah er mich an.
"Ich dachte, du würdest gerne meine Balkontür selber öffnen können", grinste ich ihn an, was er sofort erwiederte. "Das bedeutet aber nicht, dass du ohne mir vorher Bescheid zu geben, einfach in mein Zimmer platzen darfst, verstanden?"
Cayden lachte leise auf und nickte. Es tat so gut, ihn lachen zu sehen. Er drehte sich nach hinten, zog eine Schublade hervor und griff hinein.
"Hier", murmelte er und hielt mir ebenfalls einen Schlüssel hin. "Ich glaube, dass ist sinnvoller als eine Haarnadel."
Ich schmunzelte und griff nach dem Silberschlüssel, dabei berührten sich unsere Fingerspitzen. Ich konnte meinen Blick nicht von unserer Berührung nehmen, obwohl sie doch so unscheinbar war, dabei merkte ich, wie er mich beobachtete. Caydens Augen brannten sich regelrecht in mein Gesicht, aber ich konnte meinen Kopf nicht so einfach heben. Zu viel Angst, dass ich mich in seinen Augen verlieren, und ich somit etwas unüberlegtes, verbotenes tun würde. Doch schließlich kreuzten sich unsere Blicke, und es schien als würde die Welt für eine Weile still stehen. Jetzt gab es nicht mehr den Mord oder unsere Familien, es gab nur Cayden und mich. Auch wenn ich es niemals für möglich gehalten hatte, ich würde an keinem anderen Ort lieber sein, als hier auf seinem Bett mit ihm zusammen. Seine Augen strahlten so viel Geborgenheit und Sicherheit aus, dass ich mich am liebsten bei ihm für immer fallen lassen würde. Erst jetzt merkte ich, wie unglaublich nahe wir uns gekommen waren. Ich sah jede noch so kleine Hautschuppe, ich konnte jede einzelne Wimper zählen, ich erkannte jeden Farbsprenkel in seinen Augen.
Eine echte Freundin, hallte es mir durch den Kopf, doch ich ließ alles in den Hintergrund rücken.
"Ich würde mir gerne etwas wünschen", raunte er so leise, dass ich es fast nicht verstanden hätte. Ich schluckte lautlos, ließ ihn dabei nicht aus den Augen.
"Ich kann dir nichts geben, was du nicht schon allen anderen bekommen könntest."
Caydens Mundwinkel hoben sich ganz leicht, seine Augen wanderten kurz mein Gesicht runter und wieder rauf. "Ich will es aber von dir", hauchte er und ich befeuchtete unkontrolliert meine Lippe, was seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Mein Atem ging flach, mein Körper blieb ganz still. Nichts sollte diesen Moment zerstören, nicht einmal die kleinste Bewegung.
"Einen Kuss", flüsterte er sanft und sah mich weiterhin an. Mein Herz machte einen Satz, doch ich rührte mich nicht. Meine Augen wanderten zu seinem Mund, der leicht geöffnet war. Der Mund, der mein Verstand aussetzen ließ. Der Mund, der mein Herz unkontrolliert höher schlagen ließ.
Eine echte Freundin.
Ich kniff die Augen zusammen und verbannte diese Wörter, dann dachte ich nicht mehr nach und lehnte mich nach vorne. Meine rechte Hand vergriff sich in seinem dunklem Haar, meine Linke packte seinen Nacken und zog ihn noch näher zu mir. Cayden tat es mir gleich, seine Hände drückten meinen Körper an sich, sodass kein Blatt mehr hätte zwischen uns passen können. Rhytmisch bewegten wir unsere Lippen zueinander, als wäre es ein Lied, dass nur wir beide verstanden.
Ich spürte jede einzelne Körperzelle, ich konnte das Rauschen meines Blutes hören, meinen Herzschlag fühlen, der vor Aufregung nicht still stehen konnte. Ich nahm alles und nichts wahr. Die Außenwelt schien für mich meilenweit entfernt zu sein, doch Cayden konnte ich mit jede meiner Sinne erfassen. Und jede meiner Sinne verlangten nach mehr.
Cayden lehnte sich nach vorne und drückte mich auf sein Bett, das unter unserem Gewicht leise knarzte. Seine Hände wanderten meinen Körper entlang, der sich um seinen schlang. Als seine nackte Haut die Meine berührte, fühlte ich wie kleine Stromschläge durch meinen Körper jagten. Ich fühlte mich so lebendig wie noch nie.
Kurz ließ Cayden ab von mir und erhob sich einige Zentimeter über mir. Mir war so schwindelig, dass auch ich ein paar Momente brauchte, um mich wieder zu sammeln. Schwer atmete er gegen meine Lippen, was ich ganz verrückt machte. Seine Augen fixierten die Meine. Obwohl wir nichts sagten, teilten wir uns gerade so vieles mit.
Ich konnte sehen, wie angespannt, fast schon unruhig sein Körper sich gegen meinen drückte.
Ich konnte sehen, wie hell die Faben seiner Augen leuchteten, und damit seine Verlangen widerspiegelten.
Ich konnte sehen, wie flehend sich seine Lippen über meine beugten, in der Hoffnung, mehr zu bekommen.
Ich fragte mich in dem Moment, ob auch er genau dasselbe in mir sehen konnte, denn ich empfand nichts anderes als Sehnsucht.
Vorsichtig berührten seine Finger meine Lippen und umrahmten diese. Bei jeder noch so kleinen Berührung von ihm drehte mein Herz vollkommen durch. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass er anders wie ich empfand. Seine Haltung, sein Handeln - alles sprach dafür, dass ich nicht nur eine Freundin für ihn sein konnte. Meine Hand strich sanft über seine weiche Wange, selbst seine feinen Bartstoppeln konnte ich erfühlen. Es war atemberaubend.
"Ich würde mir gerne noch etwas wünschen", begann er und schien kurz darüber nachzudenkeny ob es wirklich das richtige war. Allerdings verstießen wir bereits so gegen fast alle wichtigen Regeln.
"Bleib'", hauchte er leise. Ich öffnete den Mund, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wenn ich bei Cayden erwischt wurde, würde Gott weiß was mit uns passieren. Es war immerhin untersagt auch nur mäßigen Kontakt mit anderen Familienmitgliedern zu haben. Doch was kümmerten uns jetzt noch die Regeln? Wir waren bereits viel zu weit gegangen, da war es nicht wichtig, ob ich bei Cayden eine Nacht lang bleiben würde oder nicht.
"Okay", flüsterte ich zaghaft, was Cayden auflächeln ließ. Er setzte seine Lippen langsam an meine an, bis er den Kuss schließlich vollendete.
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Forbidden love
RomansIhre Liebe ist verboten. So sind die unausgesprochenen Regeln. Das Leben und der Umgang zwischen den DeLaurants und den Cunninghams ist zwar friedlich, doch eigentlich sind sie bis ins Tiefste seit Jahrzehnten verfeindet. Cayden und Fallon, die Kind...