Ich zog den Reißverschluss meiner Sportjacke hoch und richtete diese anschließend.
"Bereit?", fragte ich Cory und betrachtete sie in ihren Sportsachen, die genau dieselben wie meine waren. So, wie alle sie trugen. Eine schwarze enge Hose und eine schwarze enge Sportjacke. Angeblich soll das die Gemeinschaft fördern, damit wir uns unter einander gleich fühlen. Ein Schwachsinn, wenn ihr mich fragt, aber ich konnte nichts gegen die Vorschriften einwenden.
Cory sah mich an und nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie war eine Cousine dritten Grades und gerade frische sechzehn geworden. Alt genug, um in der Kampfhalle ihr Training absolvieren zu können. Training, dass sie brauchte um sich vor Feinden zu schützen. Feinde, wie die DeLaurants. Eine Großfamilie, die überheblicher und arroganter nicht sein konnte.
"Bereit", nickte sie und ich öffnete die Tür zu der Halle. Sie war ziemlich groß und gut ausgestattet. Es war keine gewöhnliche Trainingshalle. Der komplette Raum war ausgefüllt mit dünnen, stabilen Matten. In der Mitte unter einem großen Dachfenster befand sich ein erhöhtes Podest, das genutzt wurde, um begehrte Kämpfe zu präsentieren. Oftmals fanden dort Wettkämpfe statt, doch heute nicht mehr. Der Frieden zwischen den DeLaurants und uns, den Cunnighams, hatte einiges verändert.
"Okay, wer ist wer?", fragte Cory mich und ich sah mich um. Einige Leute hatten sich zum einen in ihren Grüppchen zurück gezogen, die anderen Wenigen waren zum anderen tatsächlich aktiv.
"Die da drüben", begann ich und wies mit dem Kopf auf vier Leute. "Suzanne, Lindsey, Fynn und Kenna. Alle samt DeLaurants." Cory betrachtet sie und nickte. "Entfernte Verwandte."
Ich sah mich weiter um. "Die rechts dort", Cory folgte meinem Blick. "Angelica, eine wirklich gute Kämpferin aber es mangelt an ihrer Kondition. Greer, sie kämpft nicht schlecht, aber da gibt es noch definitiv Verbesserungspotential."
Cory nickte abermals. Ihre Augen blieben an einer größeren Gruppe hängen. Zweifellos hatte sie ihre Aufmerksamkeit geweckt. "Und die?"
Ich drehte den Kopf und schmunzelte. Natürlich zeigte sie Interesse an ihnen, es wäre fragwürdig, wenn sie es nicht täte. "Die DeLaurants höchst persönlich", erzählte ich und sie riss die Augen auf. "Der braunhaarige Junge ist Harvey DeLaurant. Ein Muskelpacket mit nichts in der Birne." Cory kicherte und wies auf das blonde Mädchen neben ihm.
"Wer ist das?" Ich stieß Luft aus meinen Lungen aus. "Lexi Saint-John. Ein Biest auf zwei Beinen und der Inbegriff von Überheblichkeit." Sie war groß, blond mit einer Modelfigur - ein Traum eines jeden Mannes.
In Corys Augen sah ich Bewunderung und etwas Neid. Neid, den ich nicht nachvollziehen konnte. Lexi war vielleicht bildschön, aber an Charakter fehlte es ihr gänzlich.
"Und er?" Corys Frage holte mich zurück in die Realtität. Ich seufzte auf und betrachtete den jungen Mann neben ihr.
"Cayden DeLaurant." Er war groß, gut gebaut mit dunklem Haar und den gruseligsten grünen Augen, die ich je gesehen hatte. Sie waren so stechend, dass er einem Zombie glich.
"Ein absolues Arschloch, dem das Wohl anderer am Allerwertensten vorbei geht."
"Ein süßes Arschloch", kommentierte meine Cousine und ich schüttelte den Kopf.
"Wenn man auf hinterhältige Egozentriker steht, vielleicht." Doch ich war mir selbst dann nicht sicher, ob man ihn als süß betiteln konnte. "Halte dich fern von ihnen, hast du verstanden?", fragte ich scharf nach und sie nickte widerwillig. "Sie sind DeLaurants und damit gefährlich, jeder auf seine eigene Weiße."
Zwischen uns, Cunninghams, und den DeLaurants herrschte seit Jahrzehnten eine tiefgreifende Feindschaft. Den genauen Grund kannte niemand. Vielleicht, weil wir Konkurrenten im Geschäft sind - im illegalen Geschäft, versteht sich, und damit ein heikler Punkt. Doch nach jahrelangen Schlachten mit vielen Opfern beschlossen die Oberhäupter der fünften Generation diese Feindschaft beiseite zu schieben und Frieden miteinander zu schließen. Oberflächlich sind wir also Freunde, oder zumindest neutrale Bekannte, die sich seither zu ignorieren versuchten. Aber eigentlich bestand die Feindschft immer weiter fort, keiner musste es aussprechen, da alle es wusste. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Ersten einen Kampf gegeneinander anzetteln würden.
"Müssen die Bösen denn immer so gut aussehen?" Corys Blick hing definitiv noch an der Gruppe.
"Hör' auf sie anzustarren. Außerdem, wer sagt denn, dass nicht wir die Bösen sind?" Ich grinste Cory an und sie lachte.
Genau in diesem Moment hielt eine große Statur vor uns. Harvey, der Cousin von Cayden.
"Frischfleisch", kommentierte er und betrachtete Cory von oben bis unten.
"Mein Name ist Cory", flüsterte sie unsicher und sah zu mir rüber. Ich hatte bereits öfter das Vergnügen, bei denen ich mit ansehen musste, wie die DeLaurants neue Kämpfer eingeschüchtert hatten, was mich um so mehr wütend machte.
"Versuchst du dich ernsthaft an einer Minderjährigen, Harvey? Selbst für dich ein bisschen zu erniedrigend."
Harvey wandte den Blick zu mir. In seinen Augen loderte ein Feuer, dass er zu stillen versuchte. Ich fand daran jedoch nur reine Belustigung. Es gefiel mir, wenn ich sie auf die Palme bringen konnte. Ich konnte dann immer ihren inneren Kampf miterleben.
"Harvey wollte nur unseren neuen Gast begrüßen", ertönte es neben ihm. Cayden stellte sich breitbeinig hin und sah mich an.
"Die Begrüßung ist ihm jedoch misslungen." Caydens Mimik verriet mir, wie genervt er von mir war. Gut so.
"Wir wollten uns gerade zurückziehen", brachte sich Cory in die Konversation mit ein. Sie wusste, wie sehr die Funken bereits flogen und versuchte die Wogen zuglätten. Und alles nur nach ein paar Sätzen. Cayden sah zu meiner Cousine und lächelte erzwungen. Sie machte eine Art Hofknicks und zog mich von den beiden weg.
"Nicht gerade freundlich", fiel ihr auf und ich schnaubte. Ich atmete tief ein und wieder aus, um runter zu kommen.
"Du kleines Miststück", fuhr mich jemand von der Seite an und packte mich am Arm. Ich reagierte sofort und schlug demjenigen in die Magengrube. Harvey krümmte ich für einen Moment, den ich ausnutzte, um ihn gegen sein Schienbein zu treten. Er biss die Zähne zusammen und sah mich an.
"Harvey, nicht hier", rief eine weibliche Stimme ihm nach. Lexi rannte auf uns zu, doch ich konnte nichts gegen meinen frechen Mund tun.
"War das zu hart?", fragte ich zynisch nach. Harveys Kopf lief rot an.
Er packte mich am Arm und schlug mir mit der Faust gegen die Rippen. Ich versuchte mich aus seinen Fängen zubefreien, indem ich meinen Ellebogen in seine Seite rammte. Er stieß einen quälenden Laut aus. Harvey packte mich am Nacken und warf mich einmal quer durch den Raum. Die letzten Meter schlitterte ich bis mein Körper von dem Gestell der Geräte aufgehalten wurde.
Die Aufmerksamkeit lag ohne Zweifel auf uns. Es wäre ein Fehler, wenn jetzt jemand eingreifen würde, doch Lexi und Cayden versuchten ihn durch Worte zur Vernunft zu bringen. Harvey ließ sich nicht davon beirren und lief auf mich zu. Er nahm sich im Gehen einen der langen Holzstäbe zur Hand, die eigentlich für das Training gedacht waren. Ich rappelte mich auf und griff mir einen anderen Holstab. Ich schlug ihm diesen voller Wucht gegen sein Knie, sodass er aufschrie. Ich dreht mich um die eigene Achse und ließ das Holzende hart seine Wange streifen. Sein Kopf flog nach rechts und eine offene Wunde ließ Blut aus ihr fließen. Harvey griff nach meinem Bein und zog mich zu sich auf den Boden. Seine Knie fixierten meine Arme. Er nutzte seine Gelegenheit und schlug mir seine Fäuste in meine Rippen. Ich stieß eine schmerzvollen Laut aus. Er schloss die rechte Hand um meine Kehle und hielt diese fest. Seinen Kopf senkte er in Richtung meines linkes Ohres.
"Jetzt wirkst du auf einmal nicht mehr so taff."
Ich biss die Zähne zusammen und kniff die Augen zu. Jemand holte Harvey von mir runter und half mir hoch, bis ich erkannte, dass es Cayden war. Ich entzog ihm meiner Hand und richtete mich auf, was ich sofort bereute. Ein stechender Schmerz durchflutete meinen Körper und ließ mich zusammenzucken.
Tief atmete ich aus und hielt mir meine Rippen, die wie die Hölle höchst persönlich brannten. Möglich, dass eine von ihnen angebrochen war. Harvey war zwar nicht gerade schlau, aber er hatte Kraft in seinen Oberarmen, die er zu Nutzen wusste.
Cory lief auf zu und sah mich an. "Ist es der richtige Zeitpunkt, um dir zu sagen, dass das gerade total cool war?"
Ich lachte auf, doch dann raubte mir der Schmerz jegliches weitere Gelächter. "Bitte, halte dich einfach von ihnen fern."
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Forbidden love
RomantikIhre Liebe ist verboten. So sind die unausgesprochenen Regeln. Das Leben und der Umgang zwischen den DeLaurants und den Cunninghams ist zwar friedlich, doch eigentlich sind sie bis ins Tiefste seit Jahrzehnten verfeindet. Cayden und Fallon, die Kind...