20

2.4K 78 1
                                    

Caydens P.o.V.

Ich schloss die Hand fester um den Stab und schlug zu. Harvey gab einen leisen Laut von sich und warf mir einen bösen Blick zu. "Wie schwer willst du es mir eigentlich machen?", fragte er in einem sarkastischen Ton.
Ich grinste ihn an und ließ den Stab in meinen Händen rotieren. "Deine Gegner werden auch kein Erbarmen zeigen."
"Du meinst wohl Fallon wird kein Erbarmen zeigen."
Ich hielt bei ihrem Namen für einige Momente inne. "Ich würde sie am liebsten noch einmal herausfordern, um ihr entgültig zu zeigen, wer die eigentlichen Gewinner hier sind."
"Das wirst du nicht tun, Harvey." Mein Tonfall war schärfer als beabsichtigt. "Mein Vater wird mich dafür zu irgendwelchen Strafen verdonnern", fügte ich schnell hinzu, als ich sein fragenden Blick sah. Ich konnte ihm wohl schlecht erkläre, dass Fallon einen Kampf gerade hinter sich hatte und schwer verletzt war - vermutlich von Harvey in der Nacht verprügelt. Außerdem hielt ich nichts von diesen Kämpfe. Am Anfang waren sie vielleicht noch ganz unterhaltsam, aber etwas in mir sträubte sich bei dem Gedanken, Fallon am Boden zu sehen. Ich wusste immerhin besser über sie Bescheid, als die anderen. Sie hatte viel durchgemacht, obwohl sie erst achtzehn Jahre war. Keiner von meiner Familie sollte ihr also noch weitere Probleme aufbinden. Dafür würde ich sorgen.
Die Türen gingen auf und ich andte den Blick von meinem Cousin ab. Meine Augen blieben bei dem Mädchen hängen, dass ich eine gefühlte Ewigkeit schon nicht gesehen hatte. Eigentlich waren es nur sechs Tage, aber die Tage waren definitv länger geworden. Fallon sah nicht so aus, als wäre sie schwer angegriffen worden. Sie konnte ihre Schmerzen gut verstecken, obwohl ich merkte, wie verkrampft sie manchmal lief. Neben ihr redete ihre Cousine auf sie ein. Fallon hörte jedoch nur mit halbem Ohr zu.
Sie lächelte scheu, als mich mich erblickte. Ich erwiederte es so unauffällig wie möglich. Harvey stupste mich am Arm an und wies mit einer Kopfbewegung auf Fallon. "Na sieh mal einer an, wen wir da haben", murmelte er in einem vorwerflichen Ton, was mich innerlich sauer machte.
"Sie war schon länger nicht mehr hier", entgegnete plötzlich Lexi neben uns und ich sah zu meiner besten Freundin.
Ich hatte es noch nicht geschafft, mit ihr über Dinge zu reden, die nur sie und mich etwas angingen. Vielleicht hatte ich mich auch bewusst vor diesem Gespräch gedrückte, weil ich wusste, dass danach vielleicht nichts mehr wie vorher war. Wenn sie wirklich etwas für mich empfand, dann würde ich sie ziemlich verletzten. Wer weiß, ob sie dann überhaupt etwas mit mir zu tun haben wollen würde.
Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich von den beiden ab. "Vielleicht hatte sie einfach viel zu tun", war das einzige, was ich dazu sagte.
Harvey hob eine Augenbraue. "Das war's? Kein überheblicher Spruch von Cayden DeLaurant?"
Ich rollte mit den Augen. Mir fiel auf, wie gemein ich tatsächlich zu Fallon vor dem allen war. Dabei hatte ich definitv kein Recht dazu.
Ich wollte eigentlich nicht, aber Harvey würde nicht locker lassen, also ließ ich den alten Cayden raushängen. "Was interessiert mich eine Cunnigham?"
Lexi lächelte neben mir auf und nickte Harvey zu. "Du solltest dich lieber auf deine Kampfweis statt auf Fallon zu konzentrieren."
Harvey verzog sein Gesicht bei ihrer Aussage. "Ich arbeite an meiner Kampfweise, aber wenigstens kann ich von mir behaupten, dass ich sie schlagen konnte."
"Du meinst, nachdem sie dir ein blaues Auge verpasst hat", warf ich ironisch ein und Lexi lachte neben mir auf.
Harvey Mimik veränderte sich zu einem wütenden Ausdruck. "Wenn ihr es besser als ich könnt, dann los." Seine Hand zeigte auf die erhörte Plattform. "Beweist es."
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Harvey war wirklich kindisch in manchen Punkten. Wenn sein Ego verletzt wurde, dann ließ er es an allen aus. Und Fallon hatte es das definitv geschafft. Etwas, dass ich an ihr bewunderte. "
Gut, ich werde es dir beweisen", meinte Lexi und ich hielt perlepx inne. Meine beste Freundin drehte sich um und lief zur Plattform. Ich packte sie noch rechtzeitig am Arm und hielt sie auf.
"Lexi", fuhr ich sie bedrohlich an. Sie runzelte die Stirn und befreite sich aus meinem Griff.
"Willst du sie etwa schützen?"
Ich presste für eine kurzen Sekunde die Zähne aufeinander. Vermutlich wollte ich sie wirklich nur schützen, aber wer konnte mir das verübeln? Fallon war verletzt, wovon die anderen aber nichts wussten. Es wäre ein unfairer Kampf, den Lexi sicherlich gewinnen würde.
"Nein", log ich schnell. "Du weißt, was mein Vater davon hält."
Sie sah mich verwirrt an. "Seit wann schert sich Cayden DeLaurant um die Wünsche seines Vaters?"
Darauf hatte ich keine Antwort parat. Natürlich waren mir die Bitten meines Vaters gleichgültig, aber was hätte ich auch anderes antworten können?
Sie nickte und lief weiter. "Was sollte das Harvey?", fuhr ich ihn an, aber er zuckte nur belustigt die Schulter.
"Ich hätte darauf gewettet, dass du derjenige bist, der mir das Gegenteil beweisen will", meinte er nur lediglich, was mich nur noch wütender machte.
Ich wandte den Blick wieder zu Lexi, die nun bei Fallon und Cory stand. Meine beste Freundin wusste, wie man mit Worten umgehen musste, um das zu bekommen, was sie wollte. Fallon schien aufgebracht, als Lexi etwas sagte. Ich konnte nur hoffen, dass Fallon sich nich auf den Kampf einlassen würde, dabei war mir von Anfang an klar, dass sie nicht Nein sagen würde. Könnte sie nie.
Fallons Blick wanderte kurz zu mir rüber. Sie strahlten eine gewisse Unsicherheit aus, was mich unruhig machte. Ich versuchte sie davon zu überzeugen, es sein zu lassen, doch spätestens als Fallon Lexi zunickte, hatte ich keine Chance mehr, zu ihr durch zu dringen.
Die beiden stiegen auf das Podest und standen sich gegenüber. Ich konnte nicht einfach da stehen und zusehen, wie Fallon den Kampf verlieren würde.
"Lexi", forderte ich sie noch einmal auf, aber sie rollte nur mit den Augen. Ich entließ verzweifelt die Luft aus meinen Lungen. Meine Hände fuhren sich durch die Haare.
"Schon gut", meinte Harvey neben mir und legte den Arm um meine Schultern.
"Lexi wird das schon schaffen." Dabei war es nicht Lexi, die mir Sorge bereitete.
Mein Blick wandte sich zu Fallon, die ihre Augen starr auf ihre Gegnerin gerichtet hatte. Sie schwang den Stab in ihrer Hand einmal um die eigene Achse, bevor Lexi den ersten Schritt auf sie zu wagte und zu schlug. Ich zuckte leicht zusammen, als meine beste Freundin Fallon am Arm traf. Sie schnappte nach Luft und krümmte sich kurz. Ich biss die Zähne zusammen. Ich konnte nichts anderes als hoffen, dass der Kampf bald vorbei war. Fallon konterte, indem sie den Stab gegen Lexis Hüfte schlug. Sie holte aus und traf Fallon plötzlich genau da, wo ihre Stichwunde war. Fallon ließ einen unkontrollierten Schrei frei und brach auf dem Boden zusammen. Ich erlebte den Moment fast in Zeitlupe. Mit einem dumpfen Knall landete sie auf den harten Matten. Sie kniff die Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander, um weitere Laute zu ersticken. Ich riss die Augen auf und lief auf Fallon zu, die mich noch nicht einmal bemerkte.
"Lexi, was sollte das?", fauchte ich sie in einem Ton an, der ihr total fremd war. Sie runzelte die Stirn über meine besorgte Reaktion, aber das war mir gerade egal. "Fallon", flüsterte ich und legte vorsichtig meine Hand auf ihren Arm. Sie öffnete kurz die Augen, die glasig waren. Innerlich ging gerade etwas in mir zu Bruch. "Schaffst du es alleine in die Umkleiden? Ich komme dann sofort nach und schaue mir die Wunde an", fragte ich sie sanft. Sie nickte leicht und ich half ihr beim Aufstehen auf. Ich spürte jedes Augenpaar in meinem Rücken, aber ich achtete noch nicht einmal auf sie. Fallon hielt sich schmerzend die Stelle, an der sie stark verletzt war. Sie machte einige langsame Schritte nach vorne, dann verschwand sie mit einem letzten Blick über die Schulter in den Kabinen.
"Was war das denn?", fragte Harvey vorwurfsvoll und ich sah zu meinem Cousin rüber.
"Ich hatte dich gebeten, es sein zu lassen", wandte ich mich zuerst an Lexi, die mit Händen an den Hüften gestützt zu mir rüber lief. "Ich hatte noch nicht einmal fest zu geschlagen", zuckte sie mit den Schultern und ich schüttelte enttäuscht den Kopf.
"Wieso bist du auf einmal so auf hundert achzig?"
Ich schnaubte und fuhr mir abermals durch mein dunkles Haar. Ich musste und würde nicht auf diese Frage antworten.
"Und du", lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf Harvey. Ich empfand plötzlich so viel Wut gegen ihn. Ohne ihn hätte Fallon diese Demütigung nicht ertragen müssen. Ohne ihn wäre sie nicht so stark verletzt. Ohne ihn würde sie keine ständigen Hasskomentare ertragen müssen. "Du hast sie verdammt nochmal dazu ermutigt!"
Harvey sah mich perlplex an, doch er brachte kein weiteres Wort raus. Gut so. Ansonsten wäre meine Faust vermutlich in seinem Gesicht gelandet.
Mit einem Satz drehte ich mich auf meinen Fersen um und lief auf die Kabinen zu. Hinter mir hörte ich noch, wie sie beide nach mir riefen, aber ich blendete alles andere komplett aus. Mein Fokus lag jetzt auf Fallon und sie zu finden. Ich bog nach links ein und passierte ein Tür, die eigentlich nur für weibliche Mitglieder gedacht war.
"Fallon?" Meine Stimme hallte an den Wänden ab. Ich hörte, wie jemand leise tief einatmete. Schließlich fand ich sie auf einem Tisch sitzend. Ihre feuchten Augen waren mittlerweile versiegelt, trotzdem lag ein quälender Audruck auf ihrem Gesicht. Ich schenkte ihr ein schwaches, aufmunterndes Lächeln, das sie erwiederte.
"Kann ich mir die Wunde ansehen?", fragte ich leise und stellte mich vor sie. Sie nickte kurz, zog den Reißverschluss ihrer schwarzen Sportjacke herunter und streifte diese über eine ihrer Schultern. Kurz warf ich ihr einen prüfenden Blick zu, doch sie vermied es mich anzusehen. Meine Fingerkuppen strichen sanft über ihre weiche Haut. Die Naht war gottseidank nicht aufgerissen, dafür war sie ziemlich gerötet und leicht angeschwollen.
"Du musst die Narbe unbedingt kühlen", schlug ich vor und sie blickte hoch. Mein Kopf schienen plötzlich ganz leer zu sein. Das Einzige, auf das ich gerade achten konnte, war das Braun ihrer großen Augen. Ich fühlte mich fast von ihnen gefangen, weshalb ich mich auch nur schwer von ihnen lösen konnte.
"Fallon?", fragte plötzlich eine hohe Stimme und riss uns damit aus dem tiefgründigen Moment. Wir wandten beide den Blick voneinander ab.
"Cory, kannst du mich kurz alleine lassen?" Fallon zog die Jacke wieder über ihre Schulter.
"Brauchst du wirklich keine Hilfe?" Ich wandte mich kurz zu Fallon, die mir ebenfalls einen scheuen Blick zuwarf.
"Ich komm' schon alleine zu recht. Danke, Cory", murmelte sie und ich nickte ihr zu. Als die Tür ins Schloss fiel, erlaubte ich es mir tief auszuatmen.
"Ich werde heute abend alleine gehen", erklärte ich ihr selbstsicher und drehte mich bereits um, als sie mich am Arm festhielt.
Mich durchfuhr ein angenehmer Schauer, der sich von meinen Fingerspitzen zu meinen Zehen ausbreitete. Wir hatten voher ausgemacht, dass wir am heutigen Abend zu dem Gebäude aufbrechen würde, das Harvey immer wieder besucht hatte.
"Ich komme mit, Cayden", entgegnete sie sofort und ich hob meine Augenbrauen.
"Du kannst noch nicht einmal alleine Aufrecht stehen", warf ich ein und sie rollte mit ihren Augen.
"Ich lass' dich das nicht alleine machen. Wir sind ein Team, oder irre ich mich?"
Ich unterdückte ein Lächeln und nickte schließlich. Ihre Haltung war so selbstsicher, wie immer. Egal, was ich hätte anderes erwidert, Fallon wäre so oder so mitgekommen. Da konnte selbst ich nichts ändern.
"Na gut", wisperte ich und sah sie kurz an.
"Wir schaffen das schon", murmelte sie und zuckte leicht mit ihren Schultern, als wäre diese Mission ein Kinderspiel.
Schließlich gab ich mein Grinsen frei. "Wir sehen uns, Fallon", war das letzte das ich zu ihr sagte, bevor ich den Raum verließ.

Forbidden loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt