Fallons P.o.V.
Ungeduldig lief ich im kleinen Vorraum zur Kirche rauf und wieder runter. Normalerweise bin ich die Letzte, die über Pünktlichkeit masert, doch heute war nun einmal ein besonderer Tag und da war Pünktlichkeit mehr als angebracht. Ich versuchte mich etwas runterzubringen, aber wirklich gelingen wollte es mir nicht. In meinem Kopf malten sich bereits hunderte von Szenarien aus, die allesamt damit endeten, dass die Trauzeugin ohne Begleitung auftauchen würde – und das wäre ein Desaster.
Von draußen hörte ich, wie ein Wagen quietschend zum Stehen kam, dann folgten schwere schnelle Schritte, die kurz vor der hohen Kirchentür innehielten. Jemand zog die Holztür auf und trat in den Eingang.
„Verdammt, wo bleibst du denn?", platzte es nur so aus mir heraus, als ich Caydens Gesicht entdeckte. Er stützte für einen kurzen Moment seine Hände auf seinen Oberschenkeln und atmete tief durch, bevor er mir antworten konnte. Immer noch etwas außer Atem richtete er seinen dunkelblauen Anzug, dabei fiel mir auf, dass er noch nicht einmal seine Krawatte umgebunden hatte.
„Das Auto hat mitten auf der Fahrt seinen Geist aufgegeben", erklärte er aus der Puste und glättete seinen Hemdkragen etwas.
Augen verdrehend zerrte ich ihn hinter eine Mauer, damit die ungeduldigen Gäste Caydens dramatischen Auftritt nicht mitbekamen. Ich wollte um jeden Preis der Welt vermeiden, dass diese Hochzeit damit in Erinnerung blieb, dass einer der Trauzeugen zu spät kam.
„Ich habe dir bestimmt fünfmal gesagt, wie unglaublich wichtig das für mich ist", flüsterte ich und holte seine Krawatte aus einer seiner Jackentaschen hervor. Sie farblich abgestimmt auf die Hochzeit, genauso wie alle Kleidung aller Trauzeugen, die Deko und selbst das Essen. Dunkelblau und Beige zog sich durch jedes gut durchdachte Detail und bildete damit eine Einheit.
„Du hast noch nicht einmal geschafft, dich fertig zu machen", fügte ich hinzu und legte ihm die Krawatte um den Hals.
„Ich bin überpünktlich losgefahren", warf er ein und knöpfte sein Hemd nochmal gescheit zu. „Ich wäre hier problemlos angekommen und hätte mich in Ruhe umziehen können, stattdessen musste ich mich auf irgendeiner schäbigen öffentlichen Toilette fertig machen."
Ich hielt inne und sah ihn an, woraufhin er mir eine Grimasse schnitt, die mich zum Lachen brachte. Für eine Sekunde ignorierte ich die Tatsache, dass wir bereits eine halbe Stunde hinter dem eigentlichen Zeitplan waren, und achtete nur auf den Mann, der mich vermutlich besser kannte als irgendjemand anderes.
„Gott", hauchte ich und schüttelte den Kopf. „Würde ich dich nicht so sehr lieben, wäre ich jetzt sauer auf dich."
Caydens Ausdruck wurde sanfter, sein Mund umspielte ein liebevolles Lächeln. „Und würde ich dich nicht so sehr lieben, wäre mich jetzt im Taxi auf dem Weg nach Hause."
Ich verdrehte die Augen und band ihm die Krawatte zu Ende.
„Du siehst heute übrigens wunderschön aus", murmelte er in die Stille hinein, als seine Augen über mein bodenlanges, enges Kleid wanderten. Automatisch fühlte ich ein Prickeln auf meiner Haut, welches ich immer dann bekam, wenn er mich ansah.
„Danke", erwiderte ich mit einem kleinen Lächeln. Meine Hände strichen über seine Brust. „Das Kleid habe ich extra anpassen lassen."
Cayden lehnte sich ein Stück zu mir nach vorne, dabei berührten sich unsere Nasenspitzen. „Noch mehr würdest du mir ohne gefallen."
Es drückte mir einen Kuss auf die Lippen, dem ich mich entgegenlehnte. Eigentlich hatte ich jetzt völlig andere Sorgen, als kleine Zärtlichkeiten mit meinem Freund auszutauschen, aber bei solchen kleinen Dingen schien die Welt sich aufhören zu drehen.
„Kannst du es dir vorstellen?", fragte er nach dem Kuss und lehnte seine Stirn gegen meine, während bei jedem Wort sein Atem meine Lippen kitzelten.
Ich neigte den Kopf etwas zur Seite. „Was genau meinst du?"
Caydens Hände umschlossen meine Taille fester, was meinen Magen zum Umdrehen brachte. Ich fragte mich wirklich, ob ich mich je an dieses intensive Gefühl gewöhnen würde. „Eine Braut zu sein, mich zu heiraten, die Ewigkeit mit mir zu teilen", ergänzte er und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Natürlich", antwortete ich überzeugt, dabei blieb mein Blick an meiner linken Hand hängen. Der silberne Ring an meinem Finger glänzte im Sonnenlicht, der Diamant, der einen Birnenschliff hatte, brach das Licht und strahlte in unterschiedlichen Farben.
„Wann sagen wir es ihnen?", fragte er vorsichtig, weil er wusste, wie heikel das Thema Heirat immer noch in unseren Familien war. Zwar dauerte es einige Jahre, bis alle mit unserer Beziehung mehr oder weniger einverstanden waren, doch mit der Zeit lernten sie, dass diese Feindschaft zwischen unseren Familien nur ein Überbleibsel aus der Vergangenheit war. Trotzdem gab es jedoch noch so manche festsitzenden Bedenken, die selbst die Zeit nicht lösen konnte. Besonders bei unseren Vätern saß das feindliche Verhältnis noch tief in den Knochen, was die ganze Sache nicht wirklich einfacher machte.
„Bald", murmelte ich etwas unverständlich, da ich ihm keine genauen Angaben machen wollte.
Caydens Blick suchte meinen, doch ich konnte ihn nicht erwidern, weshalb ich weiterhin auf meinen Verlobungsring starrte. Ich erinnerte mich noch genau an den Moment, als er aus seinem Jaquet eine dunkelrote Samtschatulle hervorzog, auf die Knie ging und mich fragte, ob ich ihn heiraten wollen würde. Das Ganze war erst einige Wochen her, doch die Zeit raste an mir nur so vorbei, dass mir der Moment schon viel weiter in der Vergangenheit lag als es tatsächlich der Fall war. Seit jenem Tag schien ich vor Glück kaum atmen zu können, doch gleichzeitig hing ein hartnäckiger grauer Schatten über mir, der mich bei jeder Gelegenheit daran erinnerte, wie kompliziert alles durch eine Heirat werden würde, obwohl die jetzige Situation schon kein Zuckerschlecken für uns beide war.
„Wenn du noch Bedenken hast, dann-", begann er sanft auf mich einzureden, doch ich schnitt ihm sofort das Wort ab.
„Hab' ich nicht."
Cayden schloss daraufhin seinen Mund, doch seine tiefen Falten auf der Stirn verrieten mir, dass er noch etwas erwidern wollte. Endlich kreuzte mein Blick seinen, dabei sah ich die Liebe, die er für mich aufbrachte – und die Sorge um mich.
„Zumindest nicht in Bezug auf dich, auf uns", fügte ich hinzu und atmete unabsichtlich erschöpft aus, was Cayden hell hörig machte. Er zog mich enger an seine Brust, was mir ein geborgenes Gefühl gab.
„Eine Ehe einzugehen bedeutet, dass aus zwei Familien eine wird, und unsere Familien sind alles andere als bereit sich zu vereinen. Wir haben ihnen Zeit gegeben, sich mit dem Gedanken, eine Beziehung zwischen einem DeLaurant und einer Cunnigham führen zu können, anzufreunden, aber nach mittlerweile fünf ganzen Jahren habe ich das Gefühl, dass wir kaum einen großen Schritt weiter sind. Besonders bei unseren Vätern, deren konservative Haltung kaum eine Ehe zwischen Erzfeinden tolerieren wird."
Ich seufzte auf und lehnte mich gegen ihn, dabei strich seine rechte Hand liebevoll über meinen Rücken.
„Wir beide wussten, dass unsere Beziehung kaum mit einer normalen zu vergleichen wäre. Uns war von Anfang an klar, dass das alles andere als einfach werden würde, aber ich glaube daran, Fallon", entgegnete er meinem sanften Lächeln auf den Lippen. „Ja, unsere Familien hegen noch immer eine gewisse Antipathie, wenn sie aufeinandertreffen, aber ich heirate nicht deine Familie, Fallon, ich heirate dich." Seine Hände umschlossen sanft mein Gesicht. „Ich liebe nicht deine Familie, sondern dich. Deshalb ist es mir egal, ob sie alle sich blendend verstehen oder nicht. Natürlich macht es die ganze Sache wesentlich unproblematischer, aber ich war mir der Hürden bekannt, als ich dir den Antrag gemacht habe."
Unbewusst sammelten sich bereits Tränen, die kurz davor waren, über mein Gesicht zu rollen und dabei vermutlich mein gesamtes Make-up zu ruinieren. Ich schloss die Augen und zog ihn ganz nah an mich heran, bis sich unsere Lippen endlich berührten. Es gab nicht viele Menschen in meinem Leben, die mir so wichtig waren wie Cayden, deshalb bedeutete mir auch jedes Wort, das er gerade zu mir sagte, mehr als alles andere. Es gab bei mir keinen Zweifel, ob ich ihn heiraten wollte oder nicht, ich war mehr als bereit ein Leben mit ihm verbringen zu dürfen.
Ich löste mich leicht von ihm, doch unsere Köpfte lehnten immer noch aneinander.
„Mrs Fallon DeLaurant", hauchte er grinsend gegen meine Lippen, was mich zum Lachen brachte.
„Wir leben im 21. Jahrhundert", schüttelte ich den Kopf, „ich will wenigstens einen Doppelnamen."
Dieses Mal war es Cayden, dessen Lachen den kleinen Raum erfüllte. Und ich könnte ihm dabei stundenlag zuhören.
„Sie beide werden heiraten?" Eine weibliche Stimme ertönte plötzlich aus dem nichts.
Mein Herzschlag verdoppelte sich von einer auf die andere Sekunde. Cayden und ich lösten uns etwas voneinander und sahen auf die Frau, die komplett in Weiß gekleidet war.
„Alice", überkam es meine Lippen, dabei wanderten meine Augen ihr sehr schlicht gehaltenes, aber sehr elegantes Kleid entlang. Als sie mir das erste mal von der Hochzeit erzählt hatte, kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Thomas, unser Sicherheitschef, hatte es tatsächlich geschafft nach monatelanger Fragerei ein Ja als Antwort zu bekommen. Beide waren nicht mehr zwanzig und deshalb dauerte es auch nicht lange, bis die Hochzeit geplant war. Es freute mich für die beiden unheimlich, dass sie sich gefunden hatten, auch weil mir Alice schon immer eine sehr gute Freundin war und ich ihr nur das Beste wünschte. Und mit Thomas hatte sie es wohl gefunden.
„Sie haben mir gar nichts von einer Verlobung erzählt", fügte sie ein wenig empört, aber vor allem freudig hinzu, als ich nicht auf ihre Frage antwortete.
Cayden und ich warfen uns einen bedeutenden Blick zu, bevor ich etwas erwiderte. „Das sollte auch eigentlich keiner wissen", erklärte ich leise.
Alice runzelte mit der Stirn. „Wieso denn nicht? Das sind wunderbare Neuigkeiten!"
Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln, doch es verschwand gleich wieder. „Nicht für unsere Familien vermutlich." Cayden legte vorsichtig den Arm um mich als unterstützende Geste.
Alice war jemand, der sich noch nie sonderlich viel um die Feindschaft zwischen unseren Familien gescherrt hatte. Mit den Jahren entwickelte sich jedoch unbewusst ein nicht ganz so positives Bild in Bezug auf die Familie DeLaurant, doch nachdem ich ihr Cayden vorgestellt und sie ihn besser kennengelernt hatte, änderte sich ihre Haltung komplett. Sie war einer der Ersten, die verstand, dass Cayden und ich uns guttaten und diese Beziehung weit über die veralteten Vorstellungen unserer Familien hinausgingen.
„Ich verstehe, dass Sie beide sich vor den Reaktionen Ihrer Familie fürchten, besonders Ihre Väter werden Zeit brauchen diese Entscheidung zu akzeptieren", begann sie und blieb vor mir stehen. Unterstützend griff sie nach eine meiner Hände und drückte diese leicht. „Aber ich weiß, dass Sie nur das Beste für Sie wollen und wenn diese Heirat Sie beide wirklich glücklich macht, ..." Kurz blickte sie zwischen Cayden und mir hin und her, dabei konnte ich es ebenfalls nicht unterlassen, meinem Verlobten einen Blick zu zuwerfen, den er nur zu gerne erwiderte. In seinen Augen sah ich tatsächlich das Glück, von dem Alice sprach, und ich könnte mich darin nur zu gerne verlieren. „... dann werden Sie begreifen, was auch ich zuvor begriffen habe. Nämlich, dass zwischen Ihnen die reinste und tiefgründigste Form der Liebe herrscht."
Meine Lippen verzogen sich leicht zu einem Lächeln. Alice hatte immer genau die passenden Worte, um das Richtige zu sagen. Genau diese Aufmunterung brauchte ich gerade.
Ich ließ Cayden los und zog Alice in eine feste Umarmung, dabei achtete ich darauf, dass ich ihr Kleid nicht zu sehr belastete. Alice war alles andere als ein Kindermädchen für mich, sie war meine Freundin und vielleicht auch irgendwo wie eine Art Mutter, die mich bei jede meiner Entscheidungen unterstützte. So auch bei dieser.
„Okay", schniefte ich und ließ sie daraufhin los. „Das war genug über uns. Heute ist dein Ehrentag und den werden wir keine Minute länger hinauszögern."
Alice lachte, während sie ihr Kleid etwas richtete. Alle Trauzeugen und Trauzeuginnen stellten sich paarweise auf, dabei bildeten Cayden und ich das letzte Pärchen, das vor Alice einlaufen würde. Als die Musik zu spielen begann und das erste Paar voraus lief, hörte ich wie Alice tief durchatmete.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals noch so eine Aufregung verspüren könnte", flüsterte sie wohl eher zu sich selber.
Ich warf ihr einen aufmunternden Blick über die Schulter, dabei blieben meine Augen an dem Gesicht hängen, das mich verzaubert hatte. Cayden neigte den Kopf leicht zu mir, er legte seine Hand auf meine, mit welcher ich mich an seinem Arm festhielt. Automatisch durchfuhr mich eine angenehme Wärme, die mein Herz höher schlagen ließ. Ich hatte das Bedürfnis, ihm noch bevor wir losliefen etwas mitzuteilen.
„Danke, dass du mir damals einen gemeinsamen Plan vorgeschlagen hast", flüsterte ich, was ihm ein Lächeln auf die Lippen zauberte.
„Danke, dass du zu dem Plan Ja gesagt hast", erwiderte er leise.
Es war unglaublich, wie sich unser Leben nur durch eine einzige Entscheidung geändert hatte, und doch fühlte es sich an wie Schicksal, dass wir beide nun hier waren, zusammen.
„Und noch Ja zu mir sagen wirst", fügte er grinsend hinzu, was mich zum Lachen brachte.
Ich konnte kaum meine Augen von ihm nehmen, denn wenn ich ihn ansah, dann fühlte ich nichts weiter als Geborgenheit und tief empfundene Liebe.
Als die Musik nun etwas langsamer wurde, liefen auch Cayden und ich los, dabei konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an den ersehnten Moment, selbst in ein paar Monaten diesen Gang entlang zu schreiten und ihm am anderen Ende die Ewigkeit zu versprechen.
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Forbidden love
RomantikIhre Liebe ist verboten. So sind die unausgesprochenen Regeln. Das Leben und der Umgang zwischen den DeLaurants und den Cunninghams ist zwar friedlich, doch eigentlich sind sie bis ins Tiefste seit Jahrzehnten verfeindet. Cayden und Fallon, die Kind...