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Caydens P.o.V.

Ich schloss meine Arme fester um Fallons Taille. Sie versuchte mit aller Kraft, mir so wenig Last wie nur möglich aufzubinden, doch das war vollkommen übertrieben. Sie wurde ernsthaft verletzt, sie sollte ihren Stolz also ernsthaft beiseite schieben.
"Wie ist das passiert?", fragte ich sie zum dritten mal, aber sie konnte mir keine richtige Antwort geben. Als ich sie auf dem Boden fand, hatte sie kaum geatmet. Es war ein Wunder, dass sie noch nicht verblutet war.
"Ich bin die Grenze zu unserem Anwesen entlang geschlichen, als ich angegriffen wurde", meinte sie mich heiserer Stimme.
Ich warf mir einen prüfenden Blick zu, denn jedes noch so kleine Wort, das sie über ihre Lippen brachte kostete sie eine Menge an Kraft. Ich stützte sie weiterhin, als ich sie auf der kurzen Couch in meinen Zimmer absetzte. Sie gab einen leisen, schmerzvollen Laut von sich.
"Geht's?", fragte ich sie kurz und sie warf mir einen ironischen Blick zu. Ich unterdrückte ein Lächeln und rannte in mein Badezimmer. Ich griff nach einem Erste-Hilfe-Set und lief wieder zu Fallon, die sich keinen Zentimeter bewegt hatte. Sie lag mit geschlossenen Augen da und murmelte etwas unverständliches. Ich war mir sicher, dass sie bereits ihren Racheplan aushandelte.
Ich setzte mich auf die Kante und betrachtete sie nochmal. Sie versuchte ruhig zu bleiben, obwohl ihrer gekrümmte Haltung etwas anderes sagte.
"Fallon, ich muss mir die Wunde ansehen", murmelte ich leise und sie sah mich gequält an. Etwas, dass meinen Körper erzittern ließ. So hatte ich sie noch nie gesehen. So verletzt, angreifbar und hilflos.
Schließlich nickte sie. Als meine Finger ihr Oberteil nach oben schoben, zuckte sie kurz zusammen. Kurz warf ich ihr einen weiteren Blick zu, doch als sie mir zu nickte, legte ich die Wunde komplett frei.
Ich versuchte keine Miene zu zeigen, doch als ich das viele Blut sah, verzog sich mein Gesicht kurz. Ich konnte nur erahnen, wie sie unter diesen Höllenschmerzen leiden musste.
"So weit ich sehen kann, ist es kein allzu tiefer Schnitt", meinte ich beruhigend und sie atmete erleichtert auf. "Ich muss die Wunde dennoch säubern und nähen."
Fallon wandte kurz den Blick ab. "Okay."
Ich nahm mir ein desinfizierendes Spray und besprühte ein Tuch damit.
Sie hatte die Augen starr an die Decke gerichtet, und dennoch sah ich ihre Angst. Wir wussten beide, wie schmerzhaft das sein konnte und definitiv auch würde.
"Fallon", wisperte ich und sie sah zu mir nieder. Ich griff nach einem Gürtel und faltete ihn zusammen. "Beiß auf das Leder. Du darfst kein Ton von dir geben."
Sie nickte und klemmte sich den Gürtel zwischen die Zähne.
Ihre Augen fixierten wieder einen Punkt an der Decke. Ihre Hände rieben nervös an ihren Klamotten.
Ich hielt inne. Ich musste ihr definitiv die Angst etwas nehmen, zunehmend etwas, bevor ich weiter machen konnte.
Ich nahm sie an der Hand und ließ meine Finger vorsichtig mit ihren verschränken, ich blickte ihr tief in die Augen. Es war wichtig, dass sie Ruhe bewahrte.
"Du schaffst das, okay?", raunte ich.
Fallons Brustkorb hob und senkte sich nun gleichmäßiger. Ihre Augen ließen mich für einen kurzen Moment nicht los. Sie hielten mich fast gefangen.
"Okay", brachte sie über ihre Lippen und hielt meinem Blick stand.
Tief atmete ich ein, dann drückte ich ihr das feuchte Tuch gegen die Wunde. In dem Moment verkrampfte sich ihrer Hand in meiner, aber ich ließ es ohne zu zögern zu. Fallon versuchte sich von mir wegzudrehen, aber ich hielt sie auf. Sie gab unkontrolliert undefinierbare Laute von sich, die sich wie tonlose Schreie anhörten.
Ich konnte nichts gegen einen mitleidigen Ausdruck machen. Vorsichtig ließ ich ihre zarte Hand wieder los.
"Schon gut", flüsterte ich ihr zu und sie öffnete langsam die Augen. Ich könnte sehen, wie eine kleine Träne ihren Augenwinkel verließ. Vorsichtig nahm ich ihr den Gürtel aus dem Mund."Ich werde die Wunde jetzt nähen, in Ordnung?"
Fallon presste kurz die Lippen zusammen aber nickte dann schließlich.
Als ich die Nadel herausholte, riss sie die Augen auf. Ich packte sie schnell weg und sah sie an.
"Erzähl mir von deiner Mutter."
Fallon sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. "Ich soll, was?"
"Tu' es einfach", rollte ich mit den Augen und sie seufzte.
Ihre Augen wanderten wieder an die Decke.
"Meine Mom ist die stärkste und mutigste Person, die ich kenne", begann sie und ich machte den ersten Stich. Sie kniff die Augen zusammen und atmete tief aus.
"Weiter, Fallon", forderte ich sie auf und sie befeuchtete ihre Lippen.
Ablenkung war die beste Möglichkeit, sie von den Gedanken an die Stiche fernzuhalten.
"Sie war klug und bildschön", machte sie schließlich weiter, während ich mir dem nächsten Stich begann.
"Sie ist und ist seither mein Vorbild gewesen, weil sie -" Fallon schnappte nach Luft, als ich den nächsten Stich machte. "- sie bis zum Schluss gekämpft hatte."
Ich hob vorsichtig meinen Blick. Ich kannte Mrs Cunnigham nicht, dafür war ich einfach zu klein gewesen. Wenn sie mal zu Besuch war, dann empfand ich diese Erinnerungen als nicht wichtig.
Bei Fallon hatte ich oft das Bild von ihr gesehen. Sie gleich ihrer Mutter selbst auf's kleinste Detail.
Ich setzte den letzten Stich und schnitt den Faden ab.
Es war so still, dass ich meine eigenen Herzschläge vernahm.
"Fehlt sie dir?"
Fallons Augen kreuzten die meinen. Sie schenkte mir ein schwaches Lächeln. "Jeden Tag ein kleines bisschen mehr."
Ich nickte. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie es sein musste, ohne Mutter aufzuwachsen. Auch wenn meine Eltern und ich nicht immer einer Meinung waren, könnte ich nicht ohne sie leben.
Mein Blick wanderte Fallons Körper entlang. "Du brauchst neue Sachen. Deine sind voller Blut", stellte ich fest.
Ich reichte ihr einen Pulli von mir, den sie Augen rollend annahm.
Vorsichtic schoben sich mekne Arme um ihre Taille und zogen sie ein Stpck hoch. Sie hielt sich an meinem Nacken fest, während ich ihr die Jacke auszog, dabei vermied sie es jeglichen Augenkontakt mit mir zu halten, denn unsere Gesichter waren sich gefährlich nahe. Meine Mundwinkel zuckten für einen kurzen Moment nach oben.
Sie gab einen leisen Laut von sich, was mich zusammen zucken ließ. Ich streifte ihr den Pulli über den Kopf, zog ihre Haare aus dem Kragen und strich ihr einzelne Strähnen aus dem Gesicht.
Den Blick, den sie mir zuwarf, hielt mich kurz gefangen. Ihre Augen schienen im Mondlicht fast zu glitzern, aber ich wusste nicht, wieso.
Ich räusperte mich, legte den Arm um ihre Taille und half ihr hoch.
Sie schnappte nach Luft und krallte sich an meinem Pulli fest. Ich versuchte sie etwas besser zu stützen, aber auch dann gab sie einen bedrückten Laut von sich.
"Du kannst nicht laufen, Fallon", meinte ich leise und sie schüttelte den Kopf.
"Ich kann."
Ich verdrehte die Augen. Selbst jetzt, wo sie schwer verwundet war, blieb sie stur und dickköpfig.
Fallon machte einen Schritt, doch sie knickte sofort ein. Ich fing sie mit hochgezogener Augenbrauen auf. Sie atmete frustriert auf.
Mein einer Arme schloss sich fester um ihre Taille, während mein Andere sich hinter ihre Kniekehlen schlang. Sie schnappte nach Luft und warf mir gleich einen wütenden Blick zu.
"Normalerweise trage ich die Mädchen erst nach unserem dritten Date auf Händen", murmelte ich mit einem Grinsen, was mir einen Schlag gegen die Brust einbrachte.
Ihre Mimik war immernoch sauer, aber in ihren Augen sah ich, wie sie lächelten.
Ich lief zur Tür und spitze durch den Spalt. Erst rechts, dann links. Als ich keinen sah, schlich ich so leise wie möglich den langen Gang entlang bis zu den Treppen, die ich anschließend hinunter stieg.
Kurz hielt ich inne, denn einige Bedienstete huschten durch die Gänge, dann setzte ich mich wieder in Bewegung. Ich lief von der Eingangshalle durch die Tür in den riesigen Vorgarten.
Es war mittlerweile so kalt, dass ich mein eigenen Atem sehen konnte. Fallon zitterte leicht, als wie in die Kälte traten, weshalb ich sie enger an mich drückte.
Sie hatte lediglich einen meiner Pullover an. Es war also verständlich, dass sie fror.
Ich trug sie entlang der Grenze zu ihrem Anwesen. Mein Kopf schwenkte für einen kurzen Moment zu der Stelle, wo ich sie fand. Es war mir immer noch ein Rätsel, wie sie den Angriff so leicht überleben konnte. Vielleicht tat sie auch nur so stark, doch dann müsste sie wirklich eine Menge Schauspieltalent haben.
"Benutz' den Hintereingang", flüsterte sie und ich nickte. Man sollte mich immerhin nicht entdecken.
Fallon dirigierte mich zu der Tür und brachte mich schließlich in den Eingangsbereich, wo ich die Treppe benutzte, und nach rechts einbog.
Es war so still, dass man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Ich bog in einen weiteren Gang ein und öffnete ihre Zimmertür. Vorsichtig brachte ich sie zu ihrem Bett und setzte sie ab. Sie gab einen gequälten Laut von sich. Ich konnte mir einen mitleidigen Blick einfach nicht ersparen.
Ich setzte mich auf ihre Bettkante und legte eine Decke über ihre Beine. Sie fror immer noch, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ.
Unbewusst hob ich meine Finger und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ihre Augen kreuzten die Meine. Ich sah in ihnen etwas, dass ich nicht in Worte fassen konnte. Ich fühlte mich plötzlich total wohl neben ihr, was ich so noch nie in ihrer Anwesenheit gespürt hatte. Mein Körper wurde von einer angenehmen Wärme durchflutet, was mich überraschte.
Plötzlich schlug etwas gegen die Fensterscheibe und wir beide zucken zusammen. Fallon kaute unbeabsichtigt auf ihrer Lippe herum, was mich inne hielten ließ. Sie würde niemals zugeben, dass sie Angst hatte, aber ich wusste es trotzdem besser.
"Du solltest dich jetzt ausruhen", schlug ich vor und sie biss für einen kurzen Moment sie Zähne zusammen. Sie nickte und zog die Decke höher.
"Du gehst jetzt?", fragte sie in die Stille hinein und ich betrachtete sie nochmal.
Eigentlich wäre ich jetzt aufgestanden und hätte mich auf den Weg nach Hause gemacht, aber etwas in mir hielt mich zurück.
"Ich denke, ich bleibe noch etwas, wenn es in Ordnung ist", meinte ich und Fallon hob kurz ihre Mundwinkel.
"Aber bitte starr mich nicht an, während ich schlafe", grinste sie und ich schmunzelte.
"Ich werde mir Mühe geben."
Mein Blick blieb wieder an ihrem zufriedenen Gesicht hängen. Etwas, dass ihr viel besser stand, als die wütende Blicke von vorhin.
Ich zog einen Sessel heran und setzte mich neben ihrem Bett hin. Fallon warf mir eine letzten Blick zu, bevor sie die Augen schloss. Ich konnte nicht anders, als sie zu beobachten - obwohl sie das Gegenteil von mir verlangt hatte.
Ihr braunes Haar fiel sanft über ihre Schultern und umrahmte ihr Gesicht. Die Wimpern waren dunkel und betonten ihre großen Augen. Ihre vollen Lippen formten ein zufriedenes Lächeln.
Man würde ihr nicht ansehen, dass sie gerade einen schweren Kampf hinter sich hatte.
"Du bist die stärkste Person, die ich kenne, Fallon", flüsterte ich in die Stille hinein, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht mehr hörte.

Forbidden loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt