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Fallons P.o.V.

War ich nervös, oder gar aufgeregt? Vielleicht ein kleines bisschen, und das, obwohl mich nur wenig aus der Ruhe bringen konnte. Ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen, besonders nicht, weil mein Vater und etwa hundert weiterer Gäste Cayden und mich diesen Abend keine einzige Sekunde aus den Augen lassen würden. Es war zwar gut zwei Monate her, dass mein Onkel uns beide entführt, festgehalten und schließlich den Mord an Edwart und Cory gestanden hatte, was bedeutete, dass die Gesellschaft, mit denen die Cunnighams und DeLaurants zu tun hatten, auch eine ganze Weile über Cayden und meine romantische Beziehung zueinander Bescheid wussten. Zuerst hatte ich kaum etwas von außen mitbekommen, immerhin stand Cayden und dessen Genesung an oberster Stelle für mich, nicht zu vergessen der Prozess meines Onkels, der in den Medien für einen großen Wirbel gesorgt hatte. Doch mit der Zeit ging es Cayden von Tag zu Tag besser und der Mord-Prozess schien auch nicht mehr ganz aktuell zu sein, weshalb die Leute sich wieder den wichtigeren Dingen zuwendeten, und zwar Cayden und mich zu verurteilen. Zuerst ganz still und heimlich, aber mittlerweile wurde das Getuschel lauter und die Kommentare gehässiger. Eigentlich interessierten mich die Meinung anderer im Bezug auf meine Familie und besonders auf Cayden nicht, doch diese Stimmen, die sich gegen uns erhoben, wurden beinahe unerträglich, was nicht nur uns beide, sondern auch gezwungenermaßen unsere Familien belastete. Niemals hätten wir gedacht, dass das Verhältnis einer Cunnigham und eines DeLaurants solch große Probleme mit sich ziehen würde, denn diese ganze Feindschaft zwischen unseren Familien war ein Überbleibsel der Vergangenheit, nichts weiter.
Doch nachdem sich das Getuschel nicht nur auf unser Privatleben, sondern auch auf die Arbeit auswirkte, entschieden wir endlich zu handeln. Ich hatte angenommen, dass vor allem wegen den Morden meines Onkels die Geschäftspartner meinem Vater und seinen Unternehmen nach und nach den Rücken gekehren würden, aber mit der Zeit stellte sich heraus, dass vielmehr meine Beziehung zu einem DeLaurant der Auslöser war. Vielleicht hätten wir tatsächlich früher eingreifen müssen, damit so etwas gar nicht erst passiert wäre, doch keiner von uns, noch nicht einmal unsere Väter, hätten damit rechnen können, dass selbst das Geschäft deswegen den Bach runter laufen würde.
Wir mussten der Gesellschaft also zeigen, dass die Cunnighams und DeLaurants über den ganzen Vorwürfen standen, weshalb wir uns letztendlich dafür entschieden haben, zusammen auf einer der fast schon wöchentlichen Soirées aufzukreuzen, und zwar als gemeinsame Front. Wie die Avengers, nur ohne die coolen Soundeffekte.
Ihr könnt euch vorstellen, dass unsere Familien zuerst gar nicht von dieser Idee begeistert waren, denn zum einen war die Feindschaft und das Hassgefühl nicht auf einmal weg, besonders nicht, nachdem Cayden und ich verkündet hatten, ein richtiges Paar zu sein, und zum anderen könnte es die Situation nur noch mehr aufheizen, weil wir damit Leute provozieren könnten. Doch das war uns nun einmal egal. Cayden und ich wollten einfach nur ein gemeinsames und vor allem ungestörtes Leben miteinander führen, aber diese ganzen Vorwürfe machten auch nur einen weiteren Tag unmöglich. Es war also das Beste, allen zu zeigen, dass zwischen den Cunnighams und den DeLaurants Frieden herrschte, naja, zumindest oberflächlich. Ich hatte nicht erwartet, dass mein Vater und Gregor DeLaurant sich nach der ganzen Sache wie Brüder in den Arm fallen würden, besonders da der kleine Bruder meines Vaters Gregors Sohn bedroht und letztlich angeschossen hatte, doch mit einer kleinen Erwärmung ihres Verhältnisses hatte ich doch gerechnet. Alles, was ich wollte, war, dass sie zumindest in meiner Gegenwart so tun, als würden sie Cayden und mich nicht auch noch für unsere Beziehung verurteilen, und meistens klappte das auch ganz gut, doch es war definitiv noch ein weiter Weg bis zu einem auch nur neutralen Verhältnis unserer Familien.
Ich hatte mit meinem Vater nie wirklich über Cayden und mich gesprochen, dafür war unser Vater-Tochter-Verhältnis noch etwas zu instabil, doch ich hatte ich oft gefragt, wie er das verkraftete. Ja, es war mein Leben und deswegen sollten mir alle Meinungen egal sein, allerdings war er immer noch mein Vater und der Letzte aus meiner Familie, der mir wirklich nahestand. Ab und zu erwischte ich ihn dabei, wie er Cayden und mich heimlich beobachtete. In seinem Blick herrschte dann ein pures Chaos, welches mit tausenden von Fragen verbunden war, doch bevor er auch nur ein Wort äußerte, richtete er seine Augen auf etwas anderes und verdrängte jeglichen weiteren Gedanken. Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn Cayden war mit Sicherheit nicht der erste offizielle Freund, den ich ihm vorgestellt hätte, aber er hatte sich nun einmal wirklich geändert. Ich musste das am besten wissen, ich hatte seine komplette Wandlung immerhin miterlebt. Doch ich schätzte, wenn sich ein Cunnigham oder ein DeLaurant über den jeweils anderen eine Meinung gebildet hatte, dann war es nur schwer, diese zu ändern. Aber zum Wohl des Geschäfts blieb uns nichts anderes übrig, als etwas zu unternehmen. Und so sehr ihnen anfangs diese Idee, zusammen gesehen zu werden, nicht gefallen hatte, so dringend musste etwas getan werden, um das zu retten, was noch zu retten war.
Mein Vater warf mir einen eindringlichen Blick zu, als wir aus dem Auto stiegen. Er war seit dem katastrophalen letzten Essen, an welchem er mich mit Cayden erwischt hatte, hier gewesen. Zum einen hatte er ganz andere Dinge im Kopf, wie den Prozess seines Bruders, doch ich war mir sicher, dass er die DeLaurants nach der ganzen Sache vorerst meiden wollte. Nicht nur, wegen Cayden und meinem romantischen Verhältnis zueinander, sondern auch wegen den jüngsten Vorkommnissen. Ich verurteilte ihn dafür keineswegs, aber es war mir nun einmal wichtig, dass er sich mit Cayden und dessen Familie zumindest etwas verstand. Zwar arbeiteten mein Vater und Gregor DeLaurant bereits in den Mordfällen zusammen, doch das war die reinste Fassade. Dass wir nun als vereinte Familien auftraten, war mit Sicherheit einer der schwersten Pillen, die er schlucken musste.
„Benimm' dich, und dieses Mal vorbildlicher denn je", murmelte er mir zu, während er den Knopf seines Jaquets schloss. „Wir dürfen keine unnötige Aufmerksamkeit erregen, wenn wir wollen, dass das Geschwätz rund um unsere Familien aufhören soll."
Ich presste die Lippen aufeinander und nickte bedrückt. Jetzt, wo der Zeitpunkt gekommen war, den Leuten zu zeigen, dass uns dieses ganze Gerede nicht die Bohne interessierte, empfand ich doch eine kleine Nervosität. Nicht, weil die Leute auf dieser Party mir plötzlich wichtig geworden sind, sondern weil alles durch einen kleinen, unachtsamen Moment zerstört werden könnte. Und niemand wusste dann, wie es dann mit unseren Dynastien weitergehen würde.
„Gehen wir", flüsterte er und stieg die Treppen zum Eingang hinauf. Ich folgte ihm dicht, denn ich wollte noch vor dem Erreichen des Anwesens einen Eindruck einer starken Front erwecken.
Die Türen wurden uns geöffnet und die gesamte DeLaurant-Familie stand wie eine Mauer vor uns. Mein Blick schweifte in jedes der Gesichter, doch ich konnte nicht die geringste Emotion aus ihnen lesen, bis auf das letzte Augenpaar, an welchem ich hängen blieb. Caydens grüne Augen empfingen mich mit einer liebevollen Wärme. Ich war froh, wenigstens ein freundliches Gesicht zu sehen.
„Guten Abend." Ich zuckte bei diesem bedrohlichen Ton leicht zusammen. Auch wenn sich meine Haltung zu Gregor DeLaurant etwas geändert hatte, konnte ich nichts gegen seine gefährlich wirkende Ausstrahlung machen. Sie schüchterte mich immer wieder auf's Neue ein.
Mein Vater räusperte sich, die Augen starr auf seinen Gegenüber gerichtet. Es war fast wie ein Messen der größeren Autorität. „Guten Abend", entgegnete er mit so einer Härte, die selbst mich zum Erzittern brachte. Ich stieß mit dem Ellenbogen gegen seinen Arm, was ihn zum Seufzen brachte. Wir hatten mehr als einmal darüber gesprochen, dass es hier nicht um die Macht zweier Alphamännchen ging, sondern um ein stark auftretendes Gesamtbild. Sie sollten also beide ihre Differenzen zumindest für einen Abend beiseiteschieben.
Er reichte Gregor DeLaurant die Hand. Der Händedruck schien selbst mir alle Knochen zu brechen. Sie konnten es einfach nicht lassen.
Cayden trat ein Stück zu mir nach vorne. Er nickte meinem Vater leicht zu, dann wandte sich kein Kopf zu mir. Automatisch glitt diese Härte von seinem Gesicht, da war nur noch diese Geborgenheit, die er für mich hatte. Seine Augen wanderten über meinen Körper, was ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut erzeugte. Das Kleid, das ich trug, war abgestimmt auf seinen Anzug und den Rest der Kleidung, die die DeLaurants trugen. Ein einfaches, elegantes Braun mit ein paar Goldakzenten, das selbst meine Augen zu betonen schien. Wir wollten selbst solche Kleinigkeiten nicht dem Zufall überlassen.
„Du siehst bezaubernd aus", kommentierte er ungeniert, dabei war es ihm völlig egal, dass unsere Familien uns mit jedem Wort belauschten.
Auf meinem Gesicht zeigte sich ein sanftes Lächeln. Ich musste gestehen, dass auch Cayden wirklich gut aussah. Maskulin, autoritär und verdammt sexy. Vielleicht lag es einfach daran, dass Männern Anzüge besonders attraktiv machten, doch die DeLaurant-Familie hatte ein Auge für schöne Anzüge. Und schöne Männer.
Zwar hatten wir vorher abgemacht, dass wir Zärtlichkeiten auf das Nötigste herunterschrauben würden, allerdings musste ich ihn einfach berühren. Ich lehnte mich zu ihm nach vorne und legte die Hände auf seiner Brust ab, um ihm eine sanfte Umarmung zu geben. Doch Cayden schien mein Vorhaben wohl anders zu interpretieren, er schlang die Arme um meine Taille und gab mir einen federleichten Kuss auf die Wange. Noch bevor ich reagieren konnte, drückte er seine weichen Lippen auf meine Haut.
Ich vernahm sofort ein entsetztes Keuchen. Meine Augen weiteten sich, genauso die von Cayden und vermutlich allen anderen. Er schien zu realisieren, was er gerade getan hatte. Er hatte mich geküsst, zwar nur auf die Wange, doch das war das erste Mal überhaupt, dass wir in irgendeiner Weise Zuneigung in Gegenwart unserer Familie zeigten. Normalerweise beschränkten wir es auf ein bloßes Händchen halten, oder eine Umarmung, doch selbst das war manchen noch zu gewagt. Auch wenn es mir egal war, wie die anderen über Cayden und mich dachten, konnte ich nichts gegen ein Unwohlsein machen, das immer dann auftrat, wenn wir uns auch nur berührten. Es war einfach ungewohnt, dass alle über uns Bescheid wussten, und wir wollten unsere Familie langsam an den Gedanken gewöhnen, dass einfache Berührungen kein Vergehen mehr waren.
Cayden zog die Augenbrauen zusammen, als er über das nachdachte, weshalb die meisten so schockiert waren. Und auch wenn auch mir die ganze Sache etwas unangenehm war, schämte ich mich in keiner Weise für uns. Es war zwar gewagt, doch es fühlte sich richtig an.
Mein Lächeln wurde von Sekunde zu Sekunde breiter, was Cayden wieder ein gutes Gefühl gab. Ich lehnte mich weiter nach vorne und drückte auch ihm einen leichten Kuss auf die Wange auf, dann ließ ich ihn wieder etwas los, indem ich meine Hand um seinen Arm schlang und mich an ihm stützte.
Mein Blick glitt von meinem Vater, dessen rechte Augenbraue in die Höhe gerichtet war, zu Gregor DeLaurant, der seinen Kopf unmerklich schüttelte. Aber es war mir egal, dass es sie nervte, denn ich stand zu Cayden, weil ich ihn nun einmal liebte.
„Nun gut", murmelte Gregor DeLaurant seufzend und richtete seinen Anzug. „Wir verhalten uns unauffällig und dezent, sowie wir es besprochen haben." Bei dem letzten Teil drehte er sich zu uns um und warf uns einen warnenden Blick zu.
Ich konnte nichts gegen mein Lächeln tun, denn die Einzigen, die uns wirklich in Gefahr bringen konnten, waren Cayden und ich. Cayden nickte zwar, doch auch er konnte nicht wirklich seriös bleiben.
„Hoffen wir, dass der Abend kein kompletter Reinfall wird", seufzte mein Vater und lief in Richtung Saal, neben ihm das Oberhaupt der DeLaurants und dessen Gemahlin, danach folgten Cayden und ich.
„Das war ja ein super Start", raunte er mir ins Ohr, was mich kurz zum Lachen brachte.
Mein Vater warf mir einen drohenden Blick über die Schulter, der mich wieder verstummen ließ.
Ich ermahnte mich selbst und fokussierte mich wieder auf das eigentliche Ziel dieses Abends, und das war mich zu benehmen.
Als wir den riesigen Saal betraten, schossen wirklich alle Augenpaare zu uns und besonders zu Cayden und mir. Ich erkannte auch ohne genaueres Hinsehen, wie schockiert und entsetzt die Leute waren, und das, obwohl unsere Beziehung bereits seit zwei Monaten öffentlich war. Ich hatte zumindest gehofft, dass die Leute sich mit ihren Emotionen etwas zurückhalten würden, allerdings war das wohl doch eine zu große Sache als angenommen.
Meine Hand krallte sich automatisch tiefer in Caydens Arm, der meine Anspannung sofort bemerkte. Auch wenn er selbst taff bleiben wollte, merkte ich wie auch ihm die Blicke und das Getuschel zu schaffen machte. Das alles in Wirklichkeit mitzubekommen, war eben doch noch einmal anders, als das Getratsche über andere gesagt zu bekommen.
Um die Spannung, die in diesem Raum herrschte, etwas zu lösen, teilte sich die Front etwas auf, um die Leute auf andere Gedanken zu bringen. Und auch wenn ich froh war, die Blicke der DeLaurant-Familie nicht mehr im Nacken zu spüren, war die Aufmerksamkeit der anderen Fremden nicht besser.
Gregor DeLaurant begann, genauso wie mein Vater, sich mit Geschäftsleuten zu unterhalten, die auch ihren Blick nicht von Caydens eng umschlossenen Arm um meine Taille nehmen konnte. Ich sah ihnen an, wie sehr sie sich mit irgendwelchen Kommentaren zurückhielten, doch vielleicht wäre es besser, wenn sie uns ihre Fassungslosigkeit mitteilen würden, als uns nur bestürzt anzustarren.
„Vielleicht sollten wir uns auch unter die Menschen mischen", schlug Cayden vor, als er dem Blick eines Unternehmers standhielt.
Gregor DeLaurant drehte sich zu uns, als er den Vorschlag seines Sohnes hörte. „Ihr werden nirgendwo hingehen, solange ihr euch nicht wie zwei Erwachsene benehmen könnt." Damit war der Vorschlag wohl vom Tisch, dachte ich zumindest, bis Cayden sich seinem Vater zuwandte. Die Miene war erst, was ich nur selten zu sehen bekam.
„Wir können nicht für immer angekettet unter deinem Schutz bleiben", entgegnete er und schüttelte leicht den Kopf. „Fallon und ich, wir werden genau dort sein, wenn du uns suchst." Mit dem Finger zeigte er auf einen der hinteren Stehtische, die nah genug an einer anderen Bar stand, um uns die Sorgen wegzutrinken.
Cayden griff nach meiner Hand und zog mich durch die Grüppchen, die sich um uns bereits gebildet haben. Anerkennend sah ich zu meinem Freund, dessen Durchsetzungsvermögen mich an seinen Vater erinnerte. Und auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, Gregor DeLaurant war nun einmal ein verdammt gut darin, das zu erzwingen, was er wollte.
„Die Autorität steht dir wirklich gut", kommentierte ich aufmunternd und grinste ihn an, was Cayden kurz zum Lächeln brachte, dann wurde er wieder etwas ernster.
„Ich werde mir nicht von meinem Vater mein gesamtes Leben vorschreiben lassen, besonders nicht, wenn es um uns geht", murmelte er, was mir ein positives Gefühl gab.
Er war wirklich der Sohn eines DeLaurants.
„Und dafür liebe ich dich", flüsterte ich und griff nach seiner warmen Hand. „Aber wir sollten nicht vergessen, dass unsere Familien und besonders unsere Väter nur dafür sorgen wollen, dass die Aufmerksamkeit um uns zumindest etwas abnimmt."
Cayden gab einen brummenden Laut von sich und zuckte mit seinen Schultern. „Mir wäre es lieber, wenn die Leute sich um ihren eigenen Kram kümmern würden, anstatt die Probleme bei anderen zu suchen und anzuheizen."
„Ich weiß", seufzte ich leise auf und sah abwechselnd in die Gesichter derjenigen, die einfach ihre Augen nicht bei sich behalten könnten.
Es war mir schon immer unangenehm, Aufmerksamkeit zu bekommen und damit in den Mittelpunkt zu rücken, doch besonders mit dem Namen Cunnigham war das wohl niemals möglich. Aber mit der Bekanntgabe unserer Beziehung waren Cayden, ich und alle, mit denen wir auch nur im Entferntesten zu tun hatten, Gesprächsthema Nummer eins.
Meine Augen blieben an einer jungen Blondine hängen, dessen Pferdeschwanz bei jeder Bewegung hin und her hüpfte. Auch wenn sie mir den Rücken zugedreht hatte, erkannte ich sie sofort wieder. Lexis Ausstrahlung hatte sich kaum verändert, sie verkörperte immer noch die unnahbare, autoritäre Frau, die sie war. Zumindest augenscheinlich blieb sie dieselbe, doch ich hatte in den letzten Wochen feststellen dürfen, dass auch sie sich geändert hatte. Natürlich war es Anfangs komisch, wenn wir uns begegnet sind, und das nicht nur weil sie mich als eine Cunnigham genauso wenig leiden konnte wie die gesamte DeLaurant-Familie. Sie hatte für Cayden Gefühle aufgebaut, genauso wie ich, nur mit dem Unterschied, dass er ihre nicht erwidern konnte, weil er nur die Beste Freundin in ihr sah. Eigentlich hatte ich angenommen, dass sie mich dafür noch mehr hassen könnte, als irgendjemand anderes, und, um ehrlich zu sein, könnte ich ihr das in keiner Weise verübeln, aber sie hatte sich besser im Griff als ich dachte. Zuerst vermutete ich, dass das eine Art Trick war, um mich in einem Moment zu erwischen, in welchem ich nicht mit ihrer Rache gerechnet hätte, doch Lexi öffnete sich tatsächlich etwas. Naja, zumindest so viel ich auch erwarten konnte. Sie zeigte mir, dass die Freundschaft mit Cayden ihr mehr bedeutete als irgendwelche Rachepläne. Sie unterstützte ihn, wo sie nur konnte, was sogar mich teilweise neidisch machte. Aber ich hatte keinen Grund eifersüchtig zu sein, denn Lexi war seit Jahren Caydens engste Freundin und daher wusste sie auch am besten, wie es ihm am schnellsten wieder besser gehen würde.
Aber nicht nur in Lexi hatte ich mich getäuscht, sondern auch tatsächlich in Harvey. Ja, ihr habt richtig gehört, Harvey DeLaurant, von dem ich glaubte, dass er einen ganz eigenen Rachetrip gegen mich ausübte. Wir waren definitiv keine besten Freunde, denn dafür saß unsere jahrelange Feindseligkeit wohl noch zu tief. Aber wir hatten gelernt, miteinander respektvoll umzugehen, für Cayden. Anfangs war es nicht gerade leicht, die jähzornigen Gefühle ihm gegenüber einfach zu vergessen, denn Harvey hatte schon so einiges getan, was mich mehr als nur zur Weißglut gebracht hatte, aber Cayden zu Liebe versuchten wir es beide. Harvey und er standen sich so nah wie noch nie, und da wollte ich nicht diejenige sein, die ihre Harmonie zerstören würde.
Cayden stupste mich von der Seite aus an, was meine Aufmerksamkeit auf seine grünen Augen lenkte. „Worüber zerbrichst du dir deinen Kopf?" Seine Stimme war sanft und fürsorglich, was mich zum Lächeln brachte.
„Dass diese Veranstaltung noch trister ist, als alle anderen zusammen", scherzte ich, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob das tatsächlich ein Witz war.
Cayden lachte leise auf und griff nach meiner Hand. Irritiert sah ich ihn an, doch ich ließ mich von ihm mitziehen. Er führte uns in die Mitte des Saals, wo lediglich zwei Paare tanzten. Das war immerhin kein Abend, um sich zu vergnügen, sondern um seine geschäftlichen Verbindungen weiter aufzubauen.
Seine rechte Hand platzierte er auf meinem unteren Rücken und zog mich damit nah an seine Brust, die linke Hand umschloss derweil die Meine. Automatisch lehnte er sich ein Stück zu mir vorne, wobei sein Atem in regelmäßigen Abständen mein Ohr streifte. Ich würde lügen, wenn ich nicht behaupten würde, dass ich in dem Moment Hitzewallungen bekam.
Ich legte meine linke Hand um seine Schulter und schmiegte mich an seine Brust. Mein Lächeln konnte ich dabei nicht mehr unterdrücken, denn die Endorphine, die sich in meinem Körper dabei breit machten, konnte ich nicht ignorieren. Es fühlte sich einfach richtig mit Cayden an.
„Ist es jetzt aufregender?", fragte er mit einem Lächeln auf den Lippen, was mein Grinsen noch breiter werden ließ. Zusammen wiegten wir im Takt der Musik, die von einem Streichquartett kam.
„Ja", flüsterte ich und blendet für einen kurzen Moment die Realität aus.
Auch wenn wir beide wohl nicht begnadetsten Tänzer auf dieser Welt waren, fühlte es sich perfekt an.
„Erinnerst du dich noch daran, wie wir zusammen auf meiner Geburtstagsfeier getanzt haben?", raunte er mir in mein Ohr, was eine leichte Gänsehaut bei mir auslöste.
„Du meinst, als du mich dazu genötigt hast, zu tanzen", warf ich ein, woraufhin er lachte. Und genau dieses Lachen könnte vermutlich Bergen versetzten. Seine kehlige, raue Stimme berührte jede meiner Zellen.
„Genau richtig", schmunzelte er und drehte mir sein Gesicht zu, dabei stießen meine Augen auf seine. Sie strahlten diese Wärme aus, die mich immer wieder auf's Neue berührte, auch wenn ich nicht ganz verstand, wie er das machte.
„Natürlich", wisperte ich und versetzte mich in die Lage vor gut sechs Monaten. Wir standen genauso eng umschlungen wie jetzt und tanzten dabei zwischen den vielen Geschäftsleuten, die uns allesamt missbillig beobachteten. Damals wusste ich noch, mit meinen Gefühlen für Cayden umzugehen, denn es ging nur darum so schnell wie möglich den Mörder von Edwart zu finden. Ich hatte meine Empfindungen, sobald sie auch nur in irgendeiner Form auftraten, unterdrückt und schlichtweg ignoriert. Natürlich war ich mir damals nicht im Klaren, dass das alles nur dazu führte, dass sich meine Gefühle ihm gegenüber verdoppeln würde. Der Tanz hatte mit Sicherheit einen weiteren Anteil daran. Und auch wenn ich mich so sehr dagegen gesträubt hatte, Cayden konnte mich schon damals mit seinem Charme überzeugen.
Cayden zog mich wieder etwas enger zu sich, dabei streiften seine Lippen meine Schläfe. Automatisch wurden meine Knie ganz weich und meine Hände schwitzig. Meine Mundwinkel zuckten ein kleines bisschen mehr nach oben, ich konnte nichts dagegen tun, doch als mein Blick an dem meines Vaters hängen blieb, sackten sie wieder nach unten. Sein Augenpaar war, genauso wie alle anderen, auf Cayden und mich gerichtet. Und obwohl die Menschen um uns herum jetzt über unser Verhältnis Bescheid wusste und an einem Tanz rein gar nichts auszusetzten war, fühlte es sich genauso verboten an wie vor ein paar Monaten – vielleicht sogar noch verbotener.
Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass wir uns in der Öffentlichkeit aufhielten, und unser oberstes Ziel war, keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen. Doch allein durch den Tanz oder gar den vermeintlichen Kuss auf die Schläfe, lagen alle Blicke auf uns, wirklich alle. So sehr ich diesen Moment mit Cayden auch genießen wollte, so unangenehm war es mir dabei von allen angestarrt und verurteilt zu werden. Ich wollte niemanden enttäuschen, weder die DeLaurant-Familie noch meinen Vater, doch gleichzeitig wollte ich Cayden und mir treu bleiben und auf die Meinungen anderer nicht achten. Das wäre allerdings mehr als egoistisch, denn unsere Familien taten sich schwer damit, unsere Beziehung als etwas Normales anzusehen. Es war eine Veränderung, die sie nicht mit offenen Armen empfingen. Allerdings fühlte es sich so an, als würden Caydens und meine Wünsche kaum beachtet werden. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, was unsere Familien dafür taten, um unser Verhältnis zu tolerieren, und dafür bin ich auch mehr als dankbar, aber gleichzeitig waren ihre Forderungen alles andere als leicht. Denn nicht aufzufallen bedeutete für Cayden und mich nicht normal sein zu dürfen, sondern uns der Gesellschaft unterzuordnen. Ich hatte mir andauernd eingeredet, dass sich alles mit der Zeit ändern würde, dass die Leute es verstehen würden, aber ich kam um den Gedanken nicht herum, dass das in kürzerer Zeit nicht passieren wird, vermutlich sogar nie. Dieses feindliche Verhältnis zwischen unseren Familien und all den Menschen, die involviert waren, saß einfach zu tief für eine dermaßen große Veränderung, obwohl Cayden und ich lediglich zusammen sein wollten. Vielleicht machte ich mir um dieses Thema einfach viel zu viele Gedanken, allerdings wusste ich im Inneren, dass an dieser Theorie etwas Wahres dran sein konnte. Die Leute würden immer etwas finden, wieso sie Cayden und mich missbilligen würden. Unsere Beziehung war nur eines der Sachen, die die Menschen ablehnten.
„Worüber denkst du nach?", fragte Cayden mich und suchte meinen Blick, den ich jedoch nicht erwiderte. Stattdessen starrte ich gedankenverloren auf den edlen Parkettboden.
„Darüber, dass die Welt unfair ist", lächelte ich traurig zurück. Das Einzige, was ich wollte, war ein normales, sorgenfreies Leben mit Cayden – mehr nicht.
Mein Freund runzelte mit einem Grinsen im Gesicht die Stirn. „Inwiefern?"
Ich zuckte mit den Schultern und sah durch die Grüppchen, die sich mittlerweile gebildet hatten. „Es ist schwer die Menschen von ihren Gewohnheiten zu trennen. Veränderungen sind nur schwer zu verkraften", murmelte ich und seufzte auf. „Sie werden sich nie ändern."
Cayden verstand, worauf ich hinauswollte. „Du meinst, die Leute werden ein ‚Uns' nie akzeptieren?", fragte er nach, dabei bemerkt ich wie verhalten er deswegen war.
Ich sah ihn wieder an. „Ich denke, die Leute werden immer etwas an uns zu kritisieren haben", erklärte ich weiter, was ihn nachdenken ließ. Ich wünschte, ich könnte ihm sagen, dass das alles einfach werden würde, dass ich mir umsonst Gedanken machte, aber ich konnte nicht. So sehr ich mir auch wünschte, dass die Umstände anders waren, wir konnten nichts ändern.
Mit einem Mal fing Cayden wieder an zu lächeln, was mich verwunderte. Fragend sah ich ihn an.
„Du hast recht", murmelte er, was mich nur noch mehr verwirrte. „Wir werden für manche Leute wohl immer ein Dorn im Auge sein, aber ich hatte auch nichts anderes erwartet. Wir können immerhin nicht die ganze Welt glücklich machen."
Ich nickte, doch ich verstand immer noch nicht, wieso er deswegen so positiv war. Immerhin zählten unsere Familien auf uns, dass wir das irgendwie geregelt bekommen würde.
„Aber wenn die Leute schon über uns reden, dann sollten sie sich wirklich ihre Mäuler über uns zerreißen, nicht?", grinste er, was mich zum Schmunzeln brachte.
Cayden stieß mich leicht von sich weg, dabei führte er eine überraschende Drehung aus. Ich schnappte nach Luft, doch ich konnte nichts gegen ein Lachen machen. Er zog mich an der Hand wieder zu sich, dabei vergriff sich seine andere Hand in meinem Haar. Bevor ich etwas sagen konnte, blickte er mir überglücklich in die Augen. Das Grün seiner Augen leuchtete im Kerzenschein.
„Ich liebe dich", flüsterte er kurz bevor er seine Lippen auf meine senkte.
Das Aufkeuchen der Leute war nur das Sahnehäuppchen, das diesen Moment so verboten perfekt machte.

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