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Caydens P.o.V.

Die Trauerfeier ging schon eine ganze Weile. Nach der Beerdiung folgte ein kleiner Empfang in dem Anwesen der Cunnighams. Fallon hatte ich seitdem auch nicht mehr gesehen. Ich vermutete stark, dass sie sich alleine in ihrem Zimmer gerade in den Schlaf zu weinen versuchte. Der Gedanke daran, wie sie zusammengekauert auf ihrem Bett lag und ihre Tränen ihr Kissen durchfeuchten, ließ mein Herz in tausende von Teile brechen. Ich konnte den Schmerz förmlich durch meinen Körper fließen fühlen, doch das war nichts im Gegensatz, was sie gerade fühlte. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, welches Leid sie gerade durchmachen musste, denn ich wäre vermutlich daran zerbrochen. Allerdings wusste ich auch, dass Fallon die stärkste Person war, die ich kannte. Irgendwie würde sie es überleben, und ich wollte ihr diese Zeit so angenehm wie möglich machen. Ich kippte die durchsichtige, eiskalte Flüssigkeit hinunter und verzog leicht das Gesicht. Lexi warf mir einen fragenden Blick zu, den ich durch ein unechtes Lächeln kommentierte. Ich konnte ihr wohl schlecht die Wahrheit sagen, warum ich wirklich so gedankenlos heute war.
"Unglaublich wie viele Leute Cory kannten", murmelte sie und sah sich um. Ich schnaubte und schüttelte den Kopf.
"Sieh' dich doch nur um, Lexi. Ich kenne keinen, der nicht irgendwelche Geschäfte mit unserer Familie oder die der Cunnighams macht."
Sie nickte zustimmend und leerte ihr Glas. "Ich halte das hier keine Minute länger aus, ich verschwinde von hier. Kommst du mit?", fragte sie mich und ich dachte nach.
Alles in mir schrie danach, diese traurige Atmosphäre endlich zu verlassen, doch ich konnte nicht. Wegen Fallon. Zwar schaffte ich es niemals mich ungesehen in ihr Zimmer zu schleichen, doch ich musste einfach hier bleiben. Also schüttelte ich den Kopf, was Lexi sichtlich überraschte.
"Ich bleibe zur Unterstützung meiner mutter. Du hast selber gesehen, wie fertig sie heute war."
Das überzeugte meine beste Freundin vollkommen, sie zwinkerte mir zum Abschied zu, dann verließ sie das Haus.
Seufzend ließ ich mich alleine auf einen der Barhocker nieder. Zu mir wollte sich eine blonde Dame gesellen, doch ich blockte sofort ab und drehte mich weg von mir. Zu ihrer Empörung schnappte sie gernervt nach Luft, weshalb ich Augen verdrehend an meinem Getränk nippte.
"Selbst an Beerdigungen können sie es nicht lassen", entgegnete jemand von links und ich schwenkte meinen Blick.
Ein schick gekleideter Mann ließ sich neben mir nieder und grinste mich an. Sein Gesicht glich dem seines Bruders, Mr Cunnigham, allerdings verhielt er sich komlplett anders als er. Viel entspannter und ganz unverkrampft.
"Jackson Cunnigham", reichte er mir seine Hand, dabei glänzte seine markante goldene Uhr im gedimmten Licht. Sein Händedruck war kräftig, was mich überraschte. Hinter seiner Fassade wartete sicherlich ein genauso gefährlicher Mann wie sein Bruder es war.
"Cayden Delaurant."
"Ich weiß", murmelte er und trank von seinem Glas. "Die Ähnlichkeiten zu deinem Vater sind bemerkenswert."
Meine Augenbrauen formten seine Linie, während meine Mundwinkel sich hoben.
"Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment war", äußerte ich meine Bedenken, was ihn zum grinsen brachte.
"Was tut ein einsamer, gutaussehender junger Mann ganz alleine an der Bar?", fragte er nach und ich hielt für einen Moment inne.
"Meine Mutter, sie ist heute ziemlich labil, da wollte ich sie nicht komplett alleine lassen", log ich zur Hälfte. Jackson DeLaurant nickte verständnisvoll neben mir auf. "Meine Nichte Fallon", begann er, was mich ganz hell hörig machte. Automatisch setzte ich mich ein Stück aufrechter hin. "Ihr geht es genauso. Ich kenne sie nur als starke, muntere Frau, doch seine eigene Cousine tot aufzufinden ... Das bricht selbst die stärksten Persönlichkeiten."
Ich fand es etwas komisch, wie er über seine eigene Nichte sprach, obwohl er nichts falsches gesagt hatte. Fallon war eine strake Frau und sie hatte Cory gefunden, allerdings hörten sich die Worte aus seinem Mund zynischer an.
"Mein Beileid", entgegnete ich nach langer Pause. Immerhin war Cory auch verwandt mit ihm. Er zuckte mit den Schultern.
"Danke, doch ich bin hier so selten, dass ich Cory nicht wirklich kannte." Tatsächlich hatte ich ihn in meinem ganzen Leben auch nur dreimal gesehen. Er kam und lebte nicht hier, deshalb reichte die Verbindung zu Cory vermutlich nicht wirklich in die Tiefe.
"Dennoch kann ich nicht aufhören, an ihre Todesumstände zu denken", murmelte er gedankenlos vor sich hin. Ich blinzelte ein paar mal.
"Was genau meinen Sie?", fragte ich leise nach und er wandte sich entgeistert zu mir.
"Tut mir leid, das meinte ich nicht so. Es ist nur ... Fallon hatte sie in einem von den Büros meines Bruders entdeckt. Gott weiß, wieso sie um diese Zeit bereits wach war."
Ich wusste es nur zu gut. "Sie wurde erstochen", hauchte er und ich riss die Augen auf.
"Erstochen? Sie meinen, es war Mord?", fragte ich neugierig nach und er nickte unauffällig.
Zwei Todesfälle in ein paar Monaten war unwahrscheinlich, aber doch möglich. Zwei Morde hingegen in ein paar Monaten war keinesfalls Zufall. Doch diesesmal, hatte ich keinerlei Anhaltspunkte, wobei ich mir sicher sein konnte, dass der erste Mörder auch der zweite war.
"Entschuldigen Sie mich", murmelte ich wie betäubt und stand ohne abzuwarten von einem Hocker auf. Ich sah mich in dem Eingangsbereich um, der noch viel zu überfüllt war, dass ich es hätte unauffällig nach oben schaffen können.
Stattdessen lief ich aus dem Haus in Richtung Feuerleiter, die ich manchmal dafür nutze, um zu Fallons Zimmer zukommen. Kurz sah ich mich um, doch gottseidank war es bereits so dunkel, dass ich mit der Dunkelheit problemlos verschmelzen konnte. Vorsichtig kletterte ich die Treppen hinaus, balancierte mich zu Fallons Balkon und kletterte über das Geländer. Aus meiner Hosentasche zog ich den silberenen Schlüssel, den sie mir in der Nacht meines Geburstages geschenkt hatte. Leise schloss ich auf und trat in ihr dunkles Zimmer. Lediglich ein paar Kerzen erhellten den Raum, was für eine bedrückte Atmosphäre sorgte. Vorsichtig legte ich mein Jaquet auf ihrem Bett ab und setzte mich neben sie. Ihr Rücken war mir zugewandt.
"Fallon?", hauchte ich in die Stille hinein und fuhr sachte mit meiner Hand über ihren Arm.
Sie zuckte zusammen und drehte sich zu mir. Ihr Gesicht war fahl und blass, ihre Augen gerötet. Ich konnte nicht anders, als ihr einen mitfühlenden Blick zu zuwerfen.
"W-wie kommst du hier rein?", wisperte sie zitternd, was mich ganz unruhig machte.
"Ich musste dich einfach sehen", erklärte ich halb, da fiel sie mir in die Arme. Ich sog ihren gutduftenden Geruch auf, der mir so sehr gefehlt hatte.
"Es tut mir so, so leid, Fallon", murmelte ich in ihr dunkles Haar und gab ihr einen leichten Kuss auf ihre Stirn. Ihre Augen kreuzten die meine.
"Ich bin so froh, dass du hier bist", flüsterte sie zurück und drückte ihre Lippen auf meine. Mit einem mal rauschten die Endorphine durch meine Adern und verströmten eine angenehme Wärme. Meine Hände umschlossen sanft ihr zartes Gesicht. Ich wünschte, ich könnte ihr durch jede Berührung einen kleinen Teil ihres Leids nehmen, obwohl das nicht ging. Aber es war definitiv die richtige Entscheidung hierher zu kommen. Sie ließ mich kurz los und rutschte ein Stück zur Seite, sodass ich mich neben sie legen konnte. Keine Sekunde später lehnte sie mit dem Kopf gegen meine Schulter und ließ ihre Finger zwischen meine gleiten. Ich legte ihr vorsichtig den Arm um ihre Schultern und zog sie enger zu mir. Und wie sie mir gefehlt hatte.
"Wie geht's dir?", fragte ich nach einem kurzen Moment der Stille. Sie warf mir einen Blick zu, der mich schmunzeln ließ. "Okay, okay, blöde Frage. Willst du darüber reden?"
Fallon entglitt ein tiefer Seufzer, der mir in der Seele weh tat. "Ich weiß nicht einmal, was ich sagen soll", antwortete sie leise und ich nickte.
"Gestern hatte ich mich noch mit ihr noch über Kleinigkeiten gelacht, und jetzt ist sie einfach ... fort. Und ich werde sie nie wieder sehen oder hören können."
Bei den letzten Worten zitterte ihre Stimme immer heftiger. Sie entließ ein leises Schluchzen und verbarg ihr Gesicht in meiner Brust. Automatisch zog ich sie noch enger zu mir und strich ihr sanft über ihr dunkles Haar, dass ihr in leichten Wellen über die Schultern fiel.
"Wie ...", ich pausierte kurz, damit meine Augen ihre fanden, "... ist es passiert?"
Fallon schüttelte leicht mit ihrem Kopf und massierte ihre Schläfen, die vermutlich unerträglich pochen mussten.
"Ich bin in der Früh aufgewacht und wollte zurück in mein Zimmer schleichen, bevor mich jemand entdecken würde", begann sie zu erzählen. "Ich ... ich bin die Eingangstreppen nach oben gelaufen und steuerte bereits mein Zimmer an, als ich an einen der Büros meines Vater vorbei lief und ... Cory sah."
Tief entließ ich die Luft. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie sich in diesem Moment gefühlt hatte. Es war einfach nur schrecklich.
"Offiziell sagen sie, dass sie gestürzt und mit dem Kopf falsch aufgekommen sein musste, aber ich habe die Stichwunden gesehen, Cayden. Und das viele Blut."
Ihr liefen still die Tränen über ihr zartes Gesicht, was meinem Herzen einen weiteren Stich versetzte. Vorsichtig wischte ich mit meinen Daumen die Haut trocken.
"Wir werden ihn finden", flüsterte ich ihn eindringlich ins Ohr, was sie ganz nachdenklich machte.
"Ich hätte es verhindern können. Ich hätte sie beschützen müssen. Gerade, weil sie noch nicht die ganzen Kampftechniken beherrscht, hätte ich bei ihr sein müssen", überkam es plötzlich ihre Lippen.
Ich setzte mich auf und sah sie an. "Fallon, du darfst dir dafür nicht die Schuld geben, hörst du? Es hätten jeden treffen können, zu jeder Zeit. Du kannst nicht die ganze Welt in Schutz nehmen."
Ihre braunen Augen schienen fast meine Seele zu durchdringen, dann wandte sie den Blick nach unten auf ihre Hände. Ihre Finger spielten mit ihrem Familienring.
"Ich wünschte nur, ...", begann sie, verstummte aber gleich wieder. "Ach, es ist egal, was ich mir wünsche."
Meine Augenbrauen schoben sich zusammen und formten eine Linie.
"Sag' es mir, Fallon", murmelte ich leicht besorgt und legte meine Hände auf ihre. Ihr Kopf hob sich mit einem mal und ihre Haltung spannte sich an.
"Ich wünschte, ich könne dieser Familie, diesem Leben entkommen", entgegnete sie mit Tränen in den Augen. "Ich wünschte, ich könnte mich von meinem Vater und seiner Position als Oberhaupt lösen, aber ich kann nicht und werde es auch nie können. Mein ganzes Leben wird von meinem Gott verdammten Nachnamen bestimmt, den ich nicht einmal haben möchte, weil einem nur schlechtes wiederfährt. Und diese Feindschaft zwischen unseren Familien macht es kein bisschen besser." Sie machte eine kurze Pause.
"Ich verstehe dich doch, Fallon", hauchte ich ihr aufmunternd zu. "Aber wir hätten uns nicht aufeinander eingelassen, ohne diese Umstände."
Sie schnaubte und enzog sich meinem Griff. "Sieh dir doch einmal an, wohin uns das gebracht hat, Cayden. Wir treffen uns heimlich in der Nacht, wir müssen darauf achten, dass keiner auch nur eine einzige Berührung zwischen uns sieht, weil man uns nicht zusammen sehen darf. Wenn das bedeutet, dass wir nur zusammensein können, wenn jemand zu schaden kommt, dann weiß ich nicht, ob das richtig ist."
Ich blinzelte ein paar male, um zu begreifen, was sie gerade von sich gegeben hat. Natürlich wusste ich, dass sie gerade emotional am Ende war, aber ihre Worte waren wie ein Schuss in meine Brust. Keine Ahnung, was ich für Fallon empfand, aber ich konnte nicht leugnen, dass sie mir völlig egal war. Und deshalb trafen mich ihre Worte mehr als ich zugab.
"Es ... es ist besser, wenn du jetzt gehst", murmelte sie mit einer befremdlichen Stimme und wandte sich ab von mir.
Ich erkannte sie kaum wieder, aber ich konnte nichts tun, was sie hätte einen anderen Blick auf unsere Situation werfen können, also stand ich auf und nahm mein Jaquet in die Hand. Meine Augen suchten ein letztes mal die Ihre, doch ihr Kopf blieb bis auf weiteres gesenkt.

Forbidden loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt