Tagtraum

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Kostas

Mik und ich rannten die drei Stockwerke zu ihrer Wohnung hoch. Ich hatte zum Glück einen Zweitschlüssel für ihre Tür.
"Oma!", rief ich durch die Wohnung und ging ins Wohnzimmer.
"Hallöchen.", begrüßte sie uns.
Mir blieb der Mund offen stehen.
"Lass es endlich!", sagte ich sauer, aber auch erleichtert. "Du kannst nicht jedes Mal am Telefon so tun, als würdest du sterben. Das war jetzt schon das Dritte Mal. Irgendwann glaub ich dir das nicht mehr."
"Doch, du wirst es mir jedes Mal glauben. Ich wollte, dass ihr schnell zu mir kommt. Ich hab Kekse gemacht. Und zum Glück, hast du Mik mitgebracht."
Oma stand von ihrem Sessel auf und streckte Mik die Hand aus.
"Mein Name ist Brigitta. Brigitta Voldemort. Und ja, wir sind verheiratet."
Ich verdrehte nur die Augen. 
"Nur ein Spaß.", sagte sie dann. "Ich heiße zwar Brigitta, aber du darfst mich Oma nennen."
"Schön Sie kennenzulernen."
"Setzt euch. Kostas hat schon so oft von dir geschwärmt. Er kann gar nicht aufhören über dich zu reden."
"Ist das so?", fragte Mik lachend.
"Übertreib nicht.", meinte ich zu Oma.
"Ach, ihr seid ja ein süßes Paar. Hoffentlich erlebe ich eure Hochzeit noch."
"Wer spricht denn von Hochzeit?", fragte ich lachend.
"Na ihr beide. In ein paar Jahren auf jeden Fall."
"Wer weiß.", meinte Mik und stupste mich zwinkernd an.
"Also Mik, du warst auch in diesem Endlich-ein-paar-Wochen-ohne-mein-Kind Camp?"
"Schon drei mal.", meinte Mik. "Nicht, dass ich stolz drauf wäre."
"Ach was. Besser als bei den Eltern."
"Ja, das stimmt schon."
"Und da habt ihr euch kennengelernt? War es Liebe auf den ersten Blick bei euch?"
"Nein.", sagten Mik und ich gleichzeitig. Da waren wir uns ja ganz schön einig.
"Hab ich mir gedacht. Was dachtest du Mik? Wer ist er denn? Sieht ja ganz süß aus. Aber bestimmt sucht er nach der passenden und ist nicht offen für Spaß."
"Ähm....Ja..." Mik war sichtlich verwundert darüber, dass Oma seine Gedanken las.
"Das tut sie öfters.", antwortete ich Mik auf seine Verwunderung. "Gedanken lesen, meine ich. Ist ein Hobby von ihr."
"Hat er Recht. Und du Kostas? Dachtest bestimmt er ist voll der Angeber. Spuckt große Töne, kann aber sonst nicht."
"Joa.... Vielleicht.", sagte ich beschämt.
"Schön! Dann habt ihr das jetzt auch aus dem Weg geräumt und wisst, was ihr am Anfang über den Anderen gedacht habt. Das ist wichtig in einer Beziehung zu klären. Glaubt mir das ich bin schon zu lange verheiratet."
"Ich fühl mich ein bisschen wie bei einer Paartherapie.", meinte ich.
"Och Kostas. Jetzt mach das nicht kaputt.", sagte Oma. "Aber ist okay. Wenn ihr wollt reden wir halt über irgendwelche langweiligen Dinge. Wart ihr bei diesem illegalen Rave?"
"Woher weißt du von dem Rave?", fragte ich verwirrt.
"Von Annette, also meine Nachbarin die gegenüber wohnt, dessen Bruder hat einen alten Freund, welcher eine Tochter hat und diese Tochter hat einen Sohn. Der Sohn hat auch einen Sohn in eurem Alter. Der war da auch. Und da dachte ich mir dann, dass ihr bestimmt auch da wart. Wie war es?"
"Echt cool.", meinte Mik. "Ziemlich viel los dafür das er illegal war. Aber hat niemand mitbekommen."
"Gott sei Dank. Sonst hätte ich euch noch vor der Polizei verstecken müssen."

Mik

Wir verbrachten den halben Nachmittag bei Kostas Oma. Kostas hatte recht. Sie war echt eine coole Oma. Mittlerweile waren wir wieder im Haus und hatten uns etwas zu Essen geholt. Wir schauten einen Film, doch irgendwie konnte ich mich nicht so wirklich darauf konzentrieren. Ich hörte immer wieder meinen Vater in meinem Kopf. Es war doch so lange gut. Ich konnte es so lange verdrängen. Warum kam es jetzt wieder?

"Wenn du nicht sofort aus meinem Blickfeld verschwindest, wirst du dir wünschen, dass es bei einer Backpfeife geblieben ist.", sagte mein Vater ganz ruhig, aber mit sehr viel Wut in der Stimme. Immer noch hielt ich mir die Wange und traute mich nicht nach oben zu ihm zu schauen.
"LOS JETZT!", schrie er plötzlich und gab mir einen leichten Tritt. Ich versuchte so schnell es geht vom Boden aufzustehen und weg zu rennen. Dabei fiel ich jedoch kurz vor der Tür wieder auf den Boden. Mein Vater lachte nur. 
"Schau ihn dir an. Wenn du ein richtiger Mann wärst, würdest du dich mir stellen."
Tränen liefen mir über die Wange, welche langsam auf den kalten Boden tropften. Ich schaute etwas höher und sah die Beine meiner Mom. Ich schaute zu ihr hoch und sah sie mit einer Bierflasche in der Hand.
"Nun lass ihn mal.", sagte sie. "Er hat schon genug Leid, mit seiner Krankheit."
Ich stand wieder langsam auf und wollte so schnell es geht raus aus der Küche. Doch meine Mutter stand im Türrahmen und ich traute mich nicht an ihr vorbei. 
"Hoffentlich wird er irgendwann mal vernünftig.", sagte mein Vater.
"Wir können nur hoffen.", sagte meine Mutter und ging endlich von der Tür weg. Sodass ich rausrennen konnte.

"Mik... Was ist denn?" Kostas hatte mich in den Arm genommen. Erst jetzt merkte ich, dass mir Tränen die Wange runterliefen.
"Es war so real...Es ging um meinen Vater."
"Sind es wieder diese realen Tagträume?"
Ich nickte nur und kuschelte mich in Kostas Arme.
"In den nächsten Sommerferien werden wir von hier verschwinden. Weg von unseren und vor allem, von deinen Eltern."
"Klingt perfekt.", sagte ich lächelnd.
Wir konzentrierten uns wieder auf dem Film, doch ich hatte irgendwie immer noch eine gewisse Unruhe. Nicht nur, wegen diesen Tagträumen die wieder auftauchten, sondern auch wegen Casper. Unauffällig schielte ich zu Kostas hinüber. Ich würde es mir niemals verzeihen können, wenn ihm wegen mir etwas passiert. Er ist der Einzige der mich wirklich versteht und weiß wie es ist, wenn die Familie kaputt ist. Ich spürte wie mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Casper. Wenn man vom Teufel spricht.

Casper: Die Uhr tickt weiter, Mik. Beeil dich.

Ich ignorierte die Nachricht und steckte mein Handy wieder weg. Kostas hatte davon zum Glück nichts mitbekommen. Casper ist so ein Idiot. Aber ich wusste, dass ich irgendwie an das Geld kommen musste. Nur wie?

Together we're strongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt