Kostas
Meine Oma schaute mich nur mit einem neutralen Gesichtsausdruck an und blinzelte ein paar mal. Ihr Ernst? Ich hatte ihr gerade so viele Informationen auf einmal geliefert und sie sagte nichts?
"Ich hatte nach 'Ich muss dir was erzählen' den Faden verloren. Jetzt sortiere dich erstmal und dann erzählst du mir noch alles von Anfang an und ganz langsam."
Okay, sie hatte Recht. Ich atmete einmal tief durch und suchte einen Anfang.
"Ich hab Mom im Bad gesehen. Ihr ganzer Rücken war blau. Sie sagte es war ein Unfall, aber ich weiß, dass es Dad war. Im Nachhinein fällt mir ein, dass immer öfters eine ganz komische Stimmung zwischen ihnen war. Ich kann es nicht beschreiben, aber ich habe es gemerkt, mir jedoch nichts dabei gedacht. Ich hab Mom dann darauf angesprochen, doch sie hat alles verleugnet. Sodass mir nichts anderes übrig blieb als Dads Sachen zu durchsuchen um auch nur den kleinsten Hinweis zu finden. Dabei habe ich eine Rechnung von einem Haus gefunden. Und Bilder dazu. Das ist das Haus, in welchem Casper mich eingesperrt hat. Du weißt schon, das Haus, welches er abgefackelt hat. Deswegen ergibt es auch Sinn, dass ich einen Zettel mit Caspers Nummer bei Dad gefunden habe. Als er mich dann erwischt hat, habe ich ihn auf alles angesprochen und ihm Vorwürfe gemacht. Dabei ist er total ausgerastet und hat gesagt: 'Gut, dass wenigstens Casper da war und er unsere Familie noch retten konnte.' Dad und Casper stecken unter einer Decke. Dad wollte nie, dass ich mit Mik zusammen bin. Er findet es nicht gut, dass ich auf Männer stehe. Deswegen hat er Casper mit ins Boot geholt."
Meine Oma schaute mich ungläubig und mit großen Augen an.
"Du meinst also, dass Casper die ganze Zeit nur die Befehle deines Dads ausgeführt hat?"
"Ich denke schon."
"Aber er würde doch niemals das Leben seines eigenen Sohnes aufs Spiel setzen und das Haus abfackeln in welchem du saßt."
"Ich kann mir vieles bei Dad vorstellen, aber das glaube ich auch nicht. Vielleicht ist irgendwas schief gelaufen. Keine Ahnung. Aber Dad hat Schuld daran, dass Mik und ich nicht mehr zusammen sind. Ich wünschte ich könnte mit ihm reden..."
"Wieso solltest du es nicht können?"
"Er will nicht mit mir reden. Nachdem ich beim letzten Mal bei dir war, bin ich noch zu Mik gegangen um mit ihm zu reden. Aber er hat gleich dicht gemacht und mich nicht mal ausreden lassen."
"Versuche es nochmal. Er wird dir zuhören."
"Meinst du wirklich?"
"Kostas. Weißt du warum dein Opa und ich solange zusammen waren?"
Ich schüttelte langsam den Kopf.
"Alte Menschen schmeißen sich nicht weg. Sie reparieren sich. Und das solltet ihr auch tun."
Ich nickte langsam und dachte über ihre Worte nach.
"Du hast Recht. Danke Oma."Mik
Ich fühlte mich hier wie ein Gefangener. Mein Handy wurde eingesackt, da es eine Gefährdung für mich sein könnte. Als Notfall durfte ich zwei Nummern angeben. Diese Nummern waren von Mary und Christian. Die beiden wussten auch darüber Bescheid, dass sie meine Notfallkontakte waren, jedoch durfte mich erstmal keiner besuchen und auch niemand anrufen. Ich war also abgeschottet von der Außenwelt und hatte nur die anderen Patienten und meinen Betreuer zum Reden. Das war keine sonderlich große Ausbeute.
"Mik?", holte mich eine Stimme aus meinen Gedanken.
Als ich sah, wer meinen Namen gesagt hat, verdrehte ich die Augen. Leon, ganz klasse. Ich hasse ihn und seine Leute. Solche Drogenjunkies. Sie waren immer auf Stress aus und ich geriet oft mit ihm aneinander.
"Sieh einer an, du auch hier was?", meinte er belustigt.
"Und? Lass mich raten, die Drogen hätten dich fast umgebracht? Traurig.", sagte ich zu ihm.
Wow, ich sollte keine zu große Klappe haben. Schließlich hatte ich auch versucht mich umzubringen.
"Mach einen Entzug. Und du?"
"Geht dich einen Scheiß an."
"Okay, alles klar. Schon verstanden. Weißt du, wenn wir hier jetzt schon zusammen festsitzen, vielleicht können wir uns ja Nachmittags mal treffen und den Tag irgendwie rumkriegen. Hier kann es schnell mal langweilig werden."
"Nicht mal in 1000 Jahren. Jetzt tue nicht so als wären wir Freunde nur, weil wir hier beide festsitzen. Ich hasse dich immer noch. Und das wird sich nicht ändern."
Leon schaute mich finster an. "Gott, ich wollte ja nur nett sein. Dann halt nicht."
Ich drehte mich um und lief den Flur entlang zu meinem Zimmer. Dort legte ich mich ins Bett und starrte an die Wand. Ich werde hier mindestens noch 3 Wochen verbringen, danach werde ich ambulante Termine haben um mich zu überwachen. Und ich bekomme Antidepressiva. Doch die werde ich garantiert nicht nehmen. Wenn ich etwas brauche, was mich glücklich macht, dann zieh ich mir ne Line. Und nehme nicht jeden Tag irgendwelche Pillen.
Viel Zeit im Bett zu liegen blieb mir nicht, denn es ging gleich weiter in die nächste Sitzung mit meinem Therapeuten. Ich hasste diese Sitzungen. Ich sollte ihm mein Herz ausschütten dabei hatte er keine Ahnung wie ich mich damit fühle und er würde es auch niemals wissen. Denn ich werde ihm nicht erzählen was meine Eltern all die Jahre mit mir machen.
Warum ich das nicht tat? Weil sie meine Eltern waren und ich sie liebte. Da war es wieder. Das Gefühl sie beschützen zu müssen obwohl sie es nicht verdienten.
"Also, heute wollen wir mal über dein Umfeld reden. Über deine Freunde. Wie sind sie so?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Cool."
"Okay, aber was definierst du unter cool? Beschreibe sie mal genauer."
"Ich kann immer auf sie zählen, wenn ich sie brauche. Sie haben auch immer Ratschläge auf Lager, auch wenn es vielleicht nicht die Besten sind. Sie machen jeden Scheiß mit, so wird uns nie langweilig."
Während ich weiter erzählte merkte ich wie gut es mir tat, mit jemanden über mein Leben zu reden, der nicht involviert war. Jemand Außenstehendes der keine Vorurteile hatte. Vielleicht waren diese Sitzungen doch nicht so beschissen.
"Klingt nach wirklich guten Freunden."
"Ja, das sind sie."
"Was ist mit der Liebe? Bist du in einer Beziehung?"
Ich schüttelte langsam den Kopf.
"Wie lange schon nicht mehr?"
"Keine Ahnung. Paar Wochen?"
Mein Therapeut nickte langsam und schrieb sich etwas auf.
"Wie hieß deine Freundin? Oder dein Freund?"
"...Kostas...""Komm mit.", sagte ich zu Kostas und griff nach seiner Hand. Ich zog ihm am Stall vorbei, weiter in den Wald. Die Taschenlampe kam immer näher zu uns, weswegen ich meine Schritte beschleunigte. Ich hielt immer noch Kostas Handgelenk fest und führte ihn durch den halben Wald.
"Mik... wo gehen wir hin?"
"Psst!"
Wir liefen noch etwas tiefer in den Wald hinein, bis ich die perfekte Stelle gefunden hatte.
"Runter." Ich zog Kostas Handgelenk nach unten, sodass er gezwungen war sich zu bücken. Wir warteten ein wenig ab, bis das Licht der Taschenlampe wieder verschwand.
"Ich glaube er ist weg. Lass uns wieder gehen."
"Weißt du denn wo wir sind?", fragte Kostas zweifelnd.
"Klar. Ich verstecke mich immer hier, wenn die Leiter mich erwischen. Und wie du siehst, sind sie noch nie darauf gekommen hier nach zu schauen."
Langsam liefen wir zurück zum Camp. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis Kostas Hand in meine zu nehmen, doch ich traute mich nicht. Eigentlich war ich nicht schüchtern was sowas anging, aber bei ihm war es irgendwie anders.
"Du Kostas?"
"Ja?"
"Das was ich dir in der Hütte gerade erzählt habe... Es wäre cool, wenn das unter uns bleibt."
"Klar. Ich würde es sowieso niemandem erzählen."Ich war so in diesem Flashback vertieft, dass sich die Stimme vom Therapeuten dumpf anhörte.
"Erzähl mir mehr über Kostas."
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Together we're strong
FanfictionSie lernten sich in einem Camp für schwer erziehbare Jugendliche kennen. Schnell merkten sie, dass sie eines gemeinsamen haben: Sie beide haben eine kaputte Familie. Zurück in der Heimat versuchen sie zusammen die schwere Zeit durchzustehen. Doch d...