Kostas Geheimnis

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Mik

Eigentlich war ich nur kurz zu Hause um in Ruhe Duschen zu gehen und um etwas zu Essen. Als ich gerade in die Küche ging stand mein Vater am Herd. Moment er tat was? Ja, tatsächlich. Er kochte. Oder versuchte es. Ich ging zum Kühlschrank und schaute ob wir irgendwas hatten, was ich schnell in der Mikrowelle aufwärmen konnte.
"Mik, du gehst gleich Einkaufen.", sagte mein Vater bestimmend.
"Wieso?", fragte ich, ohne ihn anzuschauen und durchsuchte weiter den Kühlschrank.
"Warum wohl? Weil wir nichts mehr haben. Hör auf so dumme Fragen zu stellen."
"Hab gleich noch was anderes vor.", sagte ich nur und machte den Kühlschrank wieder zu.
Hätte ich mir denken können, dass ich kein Gericht mehr fand was schnell ging. Wenn mein Vater schon am Herd stand und kochte, muss das was heißen. 
"Hast du nicht! Du gehst einkaufen!"
Ich antwortete ihm nicht und nahm mir den Rest Müsli aus einem Schrank. 
"Ich geh nicht einkaufen.", sagte ich mit vollem Mund.
"Du hörst sofort auf mir zu widersprechen. Sonst-"
"Sonst was? Schlägst du mich? Dann werde ich trotzdem nicht einkaufen gehen."
"Du behinderte Schwuchtel! Du solltest mal dankbar sein! Du darfst unter unserem Dach wohnen, dann tue auch was für uns! Wir hätten dich lange rausschmeißen können!"
"Tut ihr aber nicht, weil ihr das Kindergeld weiterhin haben wollt."
Mein Vater kam auf mich zu und schlug mir die Müslipackung aus der Hand. Dann gab er mir eine saftige Backpfeife. Das war der perfekte Moment um zu gehen, bevor er wieder komplett ausrastet. 
Ich wollte gerade ohne noch etwas zu sagen abhauen, als er mich am Handgelenk packte und fest zudrückte. Er zog mich zu sich.
"WO DENKST DU GEHST DU HIN!?"
Als er mich anschrie roch ich seine Fahne so sehr, dass ich dachte, dass ich nur dadurch auch gleich besoffen bin.
"Einkaufen.", sagte ich ironisch mit einem Lächeln.
Keine Ahnung woher ich diesen Mut plötzlich hatte so mit meinem Vater zu reden. Aber ich fühlte mich etwas zu mutig. Ich wusste, wann er richtig ausrasten würde. So sehr, dass er mich vermöbelt. Und dieser Moment war jetzt gekommen. Ich hab es übertrieben.
Er gab mir eine erneute Backpfeife, dann einen Schlag mit der Faust gegen mein Auge. Ich wehrte mich und wollte mich von seinem Griff lösen. Doch er hielt mich zu sehr fest.
"SCHEIß SCHWUCHTEL! DU WIRST NIEMALS MEIN SOHN SEIN. DU BIST SO EIN LOSER."
Keine Ahnung ob er es bewusst oder unbewusst tat, doch er hielt mir den heißen Pfannenwender an meinen Oberarm. Dieser Schmerz war schlimm genug, dass ich plötzlich mehr Kraft hatte. Ich schubste ihn von mir weg und ging aus der Küche raus.
"Was ist hier los?!", rief meine Mutter und kam aus dem Wohnzimmer. Sie sah nicht betrunken aus. Sie war einfach nur drauf.
"Was hast du wieder getan?!", schrie sie mich an.
"Fickt euch.", sagte ich nur und knallte die Haustür hinter mir zu. Ich setzte mich in mein Auto und atmete tief durch. Mein Herzschlag beruhigte sich wieder, dadurch kamen aber auch meine Schmerzen wieder. Dieses Mal schlimmer. Ich schrieb Kostas an ob er Lust hätte etwas zu machen. Wenn nicht wäre es auch okay. Ich könnte es verstehen, wenn er erstmal ein wenig Zeit alleine mit seiner Mutter verbringen will.

Kostas: Klar, ich muss dir sowieso noch eine Sache beichten...

Etwas beichten? Was hat er jetzt denn getan? Ich hatte irgendwie im Gefühl, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. Dass er irgendwas angerichtet hatte.

Kostas: Willst du zu mir kommen?
Mik: Klar, ich fahr jetzt los.

Und so startete ich den Motor und fuhr raus auf die leere Straße. Moment, ich fuhr gerade zu Kostas. Ich war noch nie bei ihm gewesen. Warum eigentlich nicht? Ich meine, dass er nie bei mir war, war ja klar. Meine Eltern hätten uns beide sofort umgelegt. Aber warum war ich noch nie bei ihm? Wegen seinem Vater? Vielleicht. Aber auch davor bin ich nie bei ihm gewesen. Wenn er über seine Mutter redete klang es nicht gerade so, als hätte sie irgendwas gegen unsere Beziehung. Ich war auf jeden Fall gespannt wie er so lebte. Doch gleichzeitig hatte ich auch ein wenig Angst vor dem, was er mir beichten würde. Hatte Casper vielleicht noch etwas herausgefunden von dem er mir nichts erzählt hatte? War es etwas ganz anderes? Steckte er in Schwierigkeiten? 
Ich war die ganze Zeit so in Gedanken versunken, dass ich erst aus meiner Trance erwachte, als ich vor Kostas Haus stand.
Anscheinend erwartete er mich schon, denn er öffnete sofort die Tür als er mich sah.
"Hey, da bist-"
Er unterbrach sich selbst und schaute mich mit großen Augen an.
"Dein Auge... Hast du dich geprügelt?"
"Ne, war mein Dad.", sagte ich nur und trat ins Haus.
"Scheiße... und dein Arm?"
"Auch."
Kostas nahm mich an die Hand und führte mich in die Küche. Das Haus sah wirklich schön aus. Außerdem sehr sauber und so aufgeräumt. Unser Haus war nie aufgeräumt. Und auch nie sauber.
"Mik, das müssen wir versorgen."
"Ist nicht so schlimm."
"Doch ist es."
Okay, er hatte Recht. Es tat schon ziemlich weh.
"Warte... irgendwo haben wir..."
"Hey, suchst du was, Kostas?", fragte seine Mutter, als sie in die Küche kam.
"Hast du irgendwo ne Salbe gegen Brandverletzungen?"
"Im Badezimmer."
"Bin gleich wieder da."
Kostas Mom lächelte mich herzlich an.
"Ich bin Melanie."
"Mik. Freut mich."
"Mich auch. Hast du dich verbrannt?"
Ich zuckte mit den Schultern. "War mein Dad."
Sie schaute mich mit großen Augen an.
"Und das Auge..."
"Auch."
"Miks Vater und er haben ein paar... Differenzen.", meinte Kostas.
Das hatte er gut umschrieben, aber wenn Kostas es wusste, sollte seine Mom es auch wissen. Außerdem dachte ich, dass es ihr vielleicht etwas hilft und sie merkt, dass nicht nur ihr Mann so aggressiv ist.
"Er und meine Mutter sind Alkoholiker. Sie kommen nicht damit klar, dass ich schwul bin. Und deswegen lassen sie ihre Wut dann ab und an mal mir aus."
"Mik... Das ist.... Das tut mir leid."
"Ist schon okay. Ich versuche so wenig wie möglich zuhause zu sein."
"Hey, weißt du unsere Tür steht dir immer offen."
Ich lächelte sie an.
"Danke. Das weiß ich zu schätzen."
"Nein, nichts zu danken. Das ist selbstverständlich. Wenn du dafür Kostas ein wenig erziehst. Er kann ziemlich viel Scheiße bauen."
Kostas und ich fingen an zu Lachen, weil wir beide wussten, dass ich wahrscheinlich der Letzte war, der ihn von irgendwas abhält. Ich wäre eher der Erste der dabei mitmacht.
"Ich gebe mein Bestes."
"Fast perfekt.", sagte Kostas und schaute auf das Verband.
"Danke."
"Wir sind in meinem Zimmer, falls was ist.", meinte Kostas zu seiner Mutter und so verschwanden wir beide nach oben.
Kostas Mutter scheint ganz in Ordnung zu sein. Ich weiß gar nicht warum Kostas mir sie nie vorgestellt hat.
"Also Mik.... Ich muss mit dir über etwas reden."
Stimmt da war ja was. Irgendwie hatte ich das total verdrängt.
"Mir ist das mit dir wirklich ernst und ich will nicht, dass das zwischen uns steht. Es geht hier nicht um mich sondern... um meine Mutter."
Ich spürte wie schwer es ihm fiel darüber zu reden. Was ist mit seiner Mutter? Es muss anscheinend irgendwas schweres vorgefallen sein.
Ich gab ihm die Zeit die er brauchte und drängte ihn nicht dazu weiter zu reden.
"Ich schäme mich total dafür und hab es bis jetzt auch noch nie jemandem erzählt. Deswegen habe ich dich auch nie zu mir eingeladen. Meine Mutter.... hat eine Zwangsstörung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie alles immer putzen muss..."
Oh, jetzt machte alles einen Sinn.

Das Haus sah wirklich schön aus. Außerdem sehr sauber und so aufgeräumt.

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