Alpträume

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Kostas

"Er hat dich geschlagen?"
Mik nickte nur. Wir beide sagten erstmal eine ganze Zeit lang nichts. Zumindest kam es mir sehr lange vor. Ich wusste nicht was ich sagen sollte oder wie ich ihm helfen konnte. Klar, meine Eltern waren auch nie die Vorzeigeeltern. Doch so schlimm war es dann auch nicht.
"Ich wollte dich damit nicht belasten.", meinte Mik traurig.
"Hast du nicht.", sagte ich schnell. "Hey, du musst da nicht alleine durch."
Ich versuchte ihm irgendwie meine Hilfe anzubieten. Langsam schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen.
"Danke Kosti, ist echt nett von dir. Aber ich komm klar. Ehrlich."
Ich schaute ihn stirnrunzelnd an. "Kosti...?"
Mik zuckte mit den Schultern. "Ja. Klingt doch gut."
"Klar, ein richtiger Gangstername. Stell dir mal vor ich wäre der Boss einer Gang und müsste mir Angst und Respekt verschaffen. Dann wäre der Name Kosti genau richtig."
"Und wie! Leute passt auf! Kosti kommt und er ist bewaffnet.... mit Teddybären."
"Ouh, jetzt wirst du persönlich.", lachte ich.
"Oh nein. Bist du jetzt beleidigt?" Mik sprang auf und hob seine Hände. "Bitte Kosti, tue mir nichts. Ich bitte dich. Ich habe Familie und Kinder."
Auch ich stand lachend auf. "Aber nur, weil ich heute einen guten Tag hab."
Mik öffnete langsam die Tür, trat hinaus und atmete die Nachtluft ein.
"Also, von mir aus können wir gerne wieder eine zusammen Rauchen."
"Klar. Aber wehe du schreibst mir eine ganze Rechnung an Zigaretten die ich dir noch schulde."
"Ne, keine Sorg-" Mik unterbrach sich und schaute sich um. "Fuck..."
Ich schaute in die gleiche Richtung wie Mik und sah, dass jemand mit einer Taschenlampe auf uns zu kam. 
"Hey! Wer ist da?!"
Es war eine männliche Stimme. Aber nicht die von Ralf. Diese würde ich nach dem Abend am Lagerfeuer auch noch einen Kilometer weiter weg erkennen.
"Komm mit." Mik griff nach meiner Hand und zog mich am Stall vorbei, weiter in den Wald. Ich schaute nach hinten und sah, dass die Taschenlampe näher kam. Mik hielt mein Handgelenk immer noch fest und führte mich durch den halben Wald. 
"Mik... wo gehen wir hin?"
"Psst!"
Ich hatte jetzt schon lange die Orientierung verloren und hatte auch irgendwie nicht das Gefühl, dass Mik wusste wo wir waren. Vermutlich verliefen wir uns jetzt total und würden nicht wieder zurückfinden. Oder aber die Person, welche uns verfolgte würde uns finden. Die zweite Option wäre mir lieber. Von mir aus mache ich so eine blöde Strafarbeit. Besser als tagelang hier im Wald zu gammeln und zu hoffen gefunden zu werden.
"Runter." Mik zog mein Handgelenk so ruckartig nach unten, dass ich fast hinfiel. Wir versteckten uns hinter einem riesen Erdhügel. Von weiter weg sah ich ein Taschenlampenlicht, welches uns anscheinend immer noch suchte. Ich musste meine Atmung erstmal wieder unter Kontrolle kriegen. Wow keine 3 Minuten gerannt und schon fliegt mir meine Lunge fast raus. Ich lugte nochmal um die Ecke, sah das Licht aber nicht mehr. 
"Ich glaube er ist weg. Lass uns wieder gehen.", sagte Mik.
"Weißt du denn wo wir sind?"
Mik ging voraus um den Erdhügel herum, ich ihm hinterher.
"Klar. Hier verstecke ich mich immer, wenn die Leiter mich erwischen. Und wie du siehst, sind sie noch nie darauf gekommen hier nach zu schauen."
Also sind Leiter nachts doch unterwegs. Da ich mein Handy jedoch nicht dabei hatte, wusste ich auch nicht wie spät es war. Doch irgendwie gefiel mir dieser Nachtspaziergang, er hatte etwas beruhigendes. 
"Du Kostas?"
"Ja?"
"Das was ich dir in der Hütte gerade erzählt habe... Es wäre cool, wenn das unter uns bleibt."
"Klar. Ich würde es sowieso niemandem erzählen."

Mik

"Da bist du da ja wieder.", lachte Christian. "Hast du nicht gesagt, dass du dir nur kurz die Beine vertreten willst?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Hat halt bisschen länger gedauert."
"Ein bisschen? Was haben du und dieser Typ da gemacht?"
Ich schaut Christian stirnrunzelnd an. "Hast du mich beobachtet?"
"Musste ich nicht. Hab nur zum Lüften das Fenster aufgemacht und gesehen wie du mit ihm zurückkamst."
"Wir haben eine geraucht."
"Ahjaa, na, wenn es weiter nichts war."
Ich zog meine Schuhe aus und schmiss sie eine Ecke, meine Jacke hängte ich über einen Stuhl.
"Ich geh ins Bett." Bevor Christian noch irgendwas sagen konnte, drehte ich mich noch einmal zu ihm um. "Und der Typ, heißt Kostas." 
Darauf erwiderte Christian nichts mehr, worüber ich sehr froh war, denn jetzt gerade wollte ich nichts außer Ruhe. Ich weiß gar nicht warum ich Kostas von meinem Vater erzählt hatte. Sowas ging niemandem was an und es weiß auch keiner außer ein paar gute Freunde. Wie zum Beispiel Christian und Benni. Ich seufzte.
Eigentlich tat es wirklich gut mit Kostas darüber zu reden. Ich kannte ihn zwar nicht gut, doch irgendwie löste er in mir ein Gefühl aus, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Ich merkte wie sehr ihn dieses Thema verunsichert hatte. Vermutlich hatte er davor noch nie Kontakt mit einem gewalttätigen Vater. Da fällt mir auf, dass er jetzt mein Geheimnis weiß, ich aber gar nichts über ihn. Klar, ich weiß, dass sein Verhältnis zu seinen Eltern auch nicht so gut ist, aber er hatte mir nicht erzählt warum es so ist. Sind seine Eltern geschieden? Süchtig nach irgendwas? Sitzt einer seiner Elternteile im Knast? Ich wollte einfach mehr über ihn und sein Leben erfahren. Und wenn ich ehrlich war, wollte ich ihm eigentlich einfach nur zuhören.
Ich ging nochmal unser Gespräch im Kopf durch, bis meine Müdigkeit die Überhand gewann und ich einschlief.

"Warte Mom. Ich helfe dir.", rief ich von oben und rannte zu ihr nach unten. Im kleinen Flur standen vier Kisten Bier. Der Anblick deprimierte mich. Vier volle Kisten mit Bier. Und in ein paar Tagen, würden es wieder vier Kisten sein. Ich hob einer der Kisten hoch, unterschätzte jedoch das Gewicht. Egal, die paar Treppen nach oben werde ich wohl schaffen. Ich wusste zwar nicht wo genau ich hintrat, doch ich konnte die Stufen ungefähr abschätzen. Ich stellte die Kiste erstmal in die Kammer, ging die Treppen wieder nach unten und holte die nächste Kiste. Immer noch konnte ich nicht sehen wo ich hintrat und hoffte einfach die Stufen zutreffen. Aber hoffen brachte in diesem Fall leider nichts. Ich stolperte über eine Stufe und ließ die Kiste fallen. Sie fiel die Treppe hinunter und richtete eine riesen Sauerei aus Bier an. "MIK!" Ich schaute nach oben und sah, dass mein Vater dort stand. "Was kannst du eigentlich?! Bist du nicht mal in der Lage eine Kiste nach oben zu schleppen?!" 
"Ich hab nichts gesehen."
"Du bist so ein Idiot! Schau dir die Sauerei an! Und wer soll das jetzt zahlen?!" Auch meine Mutter stand nun neben meinem Vater und schrie mich an. Mein Vater ging ein paar Stufen runter, packte mich am Handgelenk und zog mich in die Wohnung. 
"Du weißt, dass wir nicht viel Geld haben! Warum gehst du dann so ungeschickt mit unseren Sachen um?!"
"Das war nicht mit Absicht."
"Mir scheiß egal ob das mit Absicht war oder nicht! Du holst jetzt Geld aus deinem Zimmer und kaufst damit eine neue Kiste. Los!"
"Was? Nein!" Was war, denn der Auftrag von meinem Vater jetzt? Als ob ich mit meinem Geld sein scheiß Bier bezahle.
"MARIK! DU BIST SO EIN UNDANKBARES STÜCK!"
Ich versuchte mir die Angst vor meinem Vater nicht anmerken zu lassen. Ich hatte ihn schon öfters wütend erlebt, doch noch nie so wütend.
"Wir versuchen uns durchzuschlagen und du machst unsere Sachen kaputt! Statt immer draußen dich mit deinen dummen Freunden zu treffen kannst du uns ja auch mal helfen und Geld verdienen."
"Ich soll Geld verdienen?! Neben der Schule?! Was geht, denn bei euch! Ihr seid die Erwachsenen und ihr solltet das Geld verdienen, statt den ganzen Tag faul auf dem Sofa zu hängen und Bier zu saufen!"
"DU DRECKIGES STÜCK! PASS AUF WAS DU SAGST!"
"Warum sollte ich aufpassen? Ihr kümmert euch doch sowieso nicht um mich."
"DU WEIßT JA GAR NICHT WAS WIR ALLES TUN! SO EIN UNDANBARES KIND!"
Mir stiegen die Tränen in die Augen, doch ich versuchte sie runterzuschlucken. Ich wollte vor meinem schreienden Vater keine Schwäche zeigen.
"Warum haben wir nur damals entschieden dich zu bekommen? Deine Mutter hätte dich abtreiben sollen, genau so wie wir es am überlegen waren. Wir hassen dich Marik. Wir haben dich schon immer gehasst. Du anstrengendes kleines Miststück."
"Gut, wenn ihr mich hasst, dann ist es euch ja auch egal, was ich mache! Euch ist also egal, wie es mir geht! Dann kann ich ja jetzt ganz offen sagen, dass ich schwul bin!"
"Was?"
Ich schluckte schwer. Scheiße. Die Stimme meines Vaters war wieder ruhig. Das machte mir Angst.
"Wiederhol das."
Ich traute mich nicht. Ich hatte Angst. Er kam näher auf mich zu und schaute mir tief in die Augen.
"Wiederhol das!"
"Ich. Bin. Schwul." Und dazu stand ich auch. Ganz offiziell. Mir egal, was dieser Kerl noch von mir wollte. Er war nicht mein Vater. Er würde niemals mein Vater werden. Was sollte er schon dagegen tun? Doch bevor ich mich versah, zeigte er mir, was er dagegen tun konnte.
Es klatschte heftig. Eine saftige Backpfeife. Ich konnte noch Sekunden später spüren, wo genau seine Hand war.
"GEH MIR AUS DEN AUGEN DU SCHWUCHTEL! JETZT!" 
Er schubste mich gegen den Schrank, welcher dadurch zum Wackeln gebracht wurde. Ich rannte an ihm vorbei, doch er hielt mich am Handgelenk fest und drückte zu...

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