Miks Leben

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Mik

Ich schloss die Tür zur Wohnung auf und sofort kam mir ein Biergestank entgegen. Schon traurig, dass ich an diesen Geruch bereits gewöhnt war. Ich hörte, dass der Fernseher im Wohnzimmer lief und schloss daraus, dass dort auch meine Eltern saßen. Bevor ich zu ihnen ging, betrat ich mein Zimmer, schmiss den Koffer in eine Ecke und legte mich ins Bett. Das Einzige was ich im ganzen Haus vermisst habe, war mein Bett und das WLAN. Ich schaute auf mein Handy und sah eine Nachricht von Mary. Einer meiner besten Freundinnen.

Mary: Bist du schon wieder zuhause? Falls ja, hast du Bock, dass wir uns treffen und was essen gehen.
Mik: Ja, bin wieder zuhause. Klar, können wir was essen. Treffen wir uns im alten Haus?

Ich legte mein Handy weg und starrte an die Decke. Ich sollte meinen Eltern mal sagen, dass ich wieder zuhause bin. Obwohl ich mir fast sicher bin, dass es ihnen egal ist. Mühsam stand ich vom Bett auf und ging ins Wohnzimmer. 
"Bin wieder da.", begrüßte ich meine Eltern um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Auf dem Tisch lagen mehrere Bierflaschen rum. Meine Eltern sahen beide sehr blass aus und hatten tiefe, blaue Augenringe. 
"Wenn du da schon so stehst, kannst du uns ja auch ein Bier holen."
"Mhm... ich freu mich auch euch wieder zu sehen.", sagte ich zu ihnen und ging tatsächlich in die Küche. Warum ich ihnen ein Bier holte? Weil mein Vater sonst wahrscheinlich ausrasten wird, wenn ich ihm sagen würde, dass er seinen fetten Arsch hochkriegen soll. Ich öffnete den Kühlschrank und holte zwei Biere heraus. Die Küche sah aus, als wäre sie seit Monaten nicht mehr aufgeräumt worden. Und vermutlich wurde sie das auch nicht. Ich ging zu einen der Küchenschränke und suchte ein sauberes Glas heraus um mir etwas zu trinken einzuschenken. Dann wanderte mein Blick auf den unaufgeräumten Küchentisch. Dort lagen noch dreckige Teller und natürlich Bierflaschen rum. Außerdem... Mehl? Meine Eltern würden niemals backen. Ich ging näher zum Tisch heran um mir das genauer anzusehen. Dann kam in mir ein ungutes Gefühl auf. Sofort riss ich alle Schubladen und Schränke auf und fand zum Schluss das, was ich gesucht hatte. Eine kleine Tüte, mit weißem Zeug. 
"Was ist das?!", schrie ich meine Eltern an.
"Hältst du mal die Fresse und schreist nicht so laut?", meckerte mein Vater.
"Was ist das?!", wiederholte ich.
"Wonach sieht es denn aus? Das ist Mehl.", sagte meine Mutter.
"Sagt mir, was das ist! Ist es Koks?"
Mein Vater klatschte langsam in die Hände. "Der Junge hat ja doch was gelernt. Klar, dass er bei Drogen weiß um was es sich handelt."
"Was läuft, denn falsch mit euch?!"
"Wo ist unser Bier?", fragte meine Mutter.
"Holt euch das scheiß Bier doch selbst! Wollt ihr unser ganzes Geld jetzt nur noch für Bier und Koks ausgeben?!"
"Das kann dir doch egal sein!", schrie mein Vater plötzlich. "Du interessierst dich doch sowieso nicht für uns."
Mein Vater machte mich mit seinen dummen Sprüchen noch wütender als ich sowieso schon war. 
"Weißt du was, Dad? Du hast Recht. Mich juckt es nicht, was ihr macht. Deswegen ist es mir auch egal, was mit diesem Koks passiert."
Ich drehte mich um und lief auf das Badezimmer zu. 
"Wage es nicht!", schrie mein Vater und hörte, dass er vom Sofa aufstand. 
Ich beschleunigte meine Schritte, knallte die Badezimmertür hinter mir zu, warf die Tüte ins Klo und spülte. Ich spülte gleich zweimal. Nur um sicherzugehen. Die Tür zum Badezimmer wurde aufgerissen.
"DU MISSTÜCK!", schrie mein Vater und kam langsam zu mir. "Du hättest in diesem Camp verrotten sollen!"
Plötzlich packte er mich am Handgelenk und holte mir der anderen Hand aus. Doch bevor er mich schlagen konnte gab ich ihm einen Tritt in die Weichteile, sodass er seinen Griff lockerte. Dann rannte ich an ihm vorbei, holte mein Handy aus dem Zimmer und verschwand aus der Wohnung. Erst, als ich draußen war, verlangsamte ich meine Schritte und atmete tief durch. Es war schon schlimm genug, dass sie unser ganzes Geld für Bier ausgaben. Aber jetzt auch noch Koks? Ich konnte es einfach nicht fassen. Sie gingen beide nicht arbeiten. Wie sollen wir denn jemals wieder etwas zu Essen im Kühlschrank bekommen? Das Camp war definitiv besser als zuhause. Ich hatte so eine Wut auf meine Eltern. Am Liebsten würde ich sie nie wieder sehen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie irgendwann tot auf dem Sofa liegen würden. Und dann müsste ich mich um die Beerdigung kümmern. Nein. Das würde ich nicht tun. Sie haben dann doch selbst Schuld an ihrem Tod. Ich würde für ihre Beerdigung keinen Cent ausgeben, schließlich gaben sie jetzt für mich auch keinen Cent aus. Und für meine Beerdigung würden sie es erst recht nicht tun. Sie wären wahrscheinlich sogar froh, dass ich endlich weg bin. Theoretisch könnten sie mich ja rausschmeißen. Schließlich bin ich volljährig. Aber irgendjemand muss ihnen ja das Bier besorgen und später ihre Rente bezahlen. Ich war so in Gedanken, dass ich erst spät bemerkte, dass ich schon am alten Haus angekommen war. Mary stand bereits davor und rauchte.
"Mik!", rief sie und umarmte mich.
"Na, alles gut?", fragte ich sie und erwiderte die Umarmung.
"Joa, alles beim Alten und bei dir?"
"Frag nicht. Ich wäre lieber da geblieben."
Mary reichte mir eine Zigarette. Während ich sie mir anzündete, liefen wir los zum Restaurant.
"Ist es wegen deinen Eltern?"
"Du glaubst nicht, was sie getan haben."
"Haben sie dich rausgeschmissen?"
"Ne soweit ist es noch nicht. Aber ich hab Koks in der Küche gefunden."
Mary verschluckte sich an ihrem Zigarettenrauch. So heftig, dass ich kurz dachte sie erstickt mir hier gleich auf der Straße.
"Koks?", wiederholte sie mit heiserer Stimme vom Husten.
"Mhm... Ich habs die Toilette runtergespült."
"Und was haben sie dann gesagt?"
"Mein Vater hat mich angeschrien, aber bevor er etwas machen konnte, bin ich abgehauen."
Mary war mit einer der einzigen Personen, die wusste wie meine Eltern drauf waren. Und auch, dass mein Vater mich schlägt.
"Scheiße man. Was läuft mit denen eigentlich falsch? Komm, ist auch egal. Ich bin hier um dich abzulenken, erzähl mir doch ein bisschen vom Camp. Wie war es so? War Christian auch wieder da?"
"Natürlich war er wieder da.", lachte ich und Mary stimmte mit ein.
Wir suchten uns einen Platz im Restaurant und bestellten etwas zu trinken.
"Und habt ihr viel Scheiße gebaut? Gibt es sonst noch jemanden den du da kennst?"
Unwillkürlich musste ich anfangen zu Lächeln, weil ich an Kostas dachte. 
"Oha, dein Lächeln verrät es. Was hast du getan?"
"Ich hab nichts getan. Aber ja, Beni war auch wieder da. Und Kostas."
"Beni sagt mir irgendwas. Wer ist Kostas?"
"Mein Freund."
"Achso. Okay."
Ich beobachtete Mary genau. Sie hat überhaupt nicht verstanden, was ich mit der Aussage gemeint habe.
"Warte.", sagte sie plötzlich und schaute wieder hoch zu mir. "Dein Freund?"
"Ja, Blitzmerker. Wir haben uns im Camp kennengelernt."
"Ach ne. Erzähl mal."
Und so fing ich an alles mögliche über ihn zu erzählen, wie wir uns kennengelernt haben und so weiter. Doch ich dachte die ganze Zeit daran was er gerade machte und wie es ihm ging.

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