Mik
"Willst du noch frühstücken?", fragte Casper mich.
"Ne, danke. Ich gehe nach Hause."
"Okay."
Er lächelte mich an und gab mir einen kurzen Kuss und nahm meine Hand in seine.
"Wir sehen uns?"
"Klar. Bis dann."
Langsam ließ ich meine Hand aus seiner gleiten, dabei strich ich aber nochmal sanft über diese und zwinkerte ihm zu.
Als ich aus seiner Wohnung raus war zündete ich mir eine Zigarette an. Ich hatte Kopfschmerzen. Aber nicht vom Alkohol von letzter Nacht. Ich hatte so gut wie nichts getrunken. Eher von den ganzen Gedanken die mir durch den Kopf gehen.
Es ging nicht nur um Kostas, sondern auch um meine Eltern. Kostas war derjenige welcher mich immer abgelenkt hat, wenn die Gedanken an meine Eltern wieder die Oberhand gewannen. Keine Ahnung ob er es bewusst oder unbewusst gemacht hat, doch er hat mich das erste Mal seit langem glücklich gemacht. Ich bin ehrlich. Er fehlt mir. Doch er wird nicht wieder zurückkommen. Ich habe ihn gestern auf der Party gesehen. Ich hab gesehen was für einen Blick er Casper und mir zugeworfen hat. Er hat mich abgeschrieben. Für immer. Und trotzdem konnte ich ihn irgendwie nicht richtig los lassen. Das gleiche Problem hatte ich mit meinen Eltern. Ich liebte sie. Auch, wenn sie mich erniedrigen und mich schlugen. Sie waren schließlich immer noch meine Eltern. Das war auch der Grund weshalb ich nicht ins Heim gezogen bin. Ich hätte die Möglichkeit mehr als einmal gehabt, aber ich hatte das Gefühl meine Eltern damit im Stich zu lassen. Sie brauchten mich doch. Wer würde sich um sie kümmern, wenn ich nicht mehr da bin? Und genau wegen diesen Gedanken bin ich seit Tagen hin und her gerissen. Und je intensiver ich darüber nachdachte desto mehr wurde mir klar, dass ich an allem selbst Schuld bin. Ich bin Schuld daran, dass Kostas Schluss gemacht hat. Ich hätte ihm einfach mehr das Gefühl geben müssen, dass er bei mir sicher ist.
Außerdem bin ich Schuld, dass meine Eltern jetzt Alkohol und Drogensüchtig sind. Hätte ich die ersten Anzeichen davon eher erkannt, wären wir heute nicht da wo wir jetzt sind. Ich hätte ihnen helfen können. Doch das war jetzt vorbei. Ich konnte es nicht wieder gut machen. Nie wieder. Mein Leben war für den Arsch."Ein Nichts bist du! Schau dich an! Du hast noch nichts in deinem Leben geschafft!"
Scheiße, damit hatte mein Vater absolut Recht.
Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass ich bereits zuhause war. Ich schloss die Tür auf und lief zum Badezimmer. Hinter mir schloss ich ab und schaute in den Spiegel.
Du solltest es beenden. Und dieses mal wirklich.
Nein! Ich werde es nicht nochmal versuchen mir das Leben zu nehmen. Es musste auch einen anderen Weg geben. Ich muss ihn nur noch finden.
Es gibt keinen anderen Weg. Das ist das Einfachste und Beste was du tun kannst. Dann sind deine Eltern dich endlich los und alles wird sich bessern.
Ich hatte die Rasierklinge bereits in der Hand und hielt sie so fest in der Hand, als würde mein ganzes Leben an dieser Klinge hängen. Naja, irgendwie tat es das ja auch. Mit zitternden Händen legte ich die Klinge wieder weg und trat aus dem Bad. Ich musste jetzt erstmal was Essen um einen klaren Kopf zu bekommen. Doch in der Küche traf mich der nächste Schock. Hier war das reinste Chaos. Okay, das musste ich jetzt erstmal aufräumen bevor ich mir etwas zu essen mache."Was willst du denn jetzt?"
"Leg den Apfel da wieder rein."
"Nö, verpiss dich mal.", lachte ich.
"Junge, wir kriegen wegen dir Anschiss, weil der fehlt."
"Sieht das nach meinem Problem aus?"
"Es wird gleich zu deinem Problem!"
"Alter, beruhig dich mal.", mischte der andere Junge sich ein.
Wir beide drehten uns zu ihm um. Er legte das Handtuch weg und kam auf uns zu.
"Es ist nur ein Apfel.", sagte er.
"Siehste? Er hat es verstanden.", meinte ich.Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Kostas hatte mich in den Schutz genommen und ich kannte damals noch nicht mal seinen Namen. Irgendwie hatte das Camp trotz allem ne coole Zeit. Vor allem mit Kostas. Okay, Mik es reicht jetzt. Hast du vergessen, was Kostas zu dir meinte? Dass er sich nicht sicher bei dir fühlt.
"Bist du da?", rief meine Mutter aus dem Flur und kam in die Küche getorkelt.
Innerlich verdrehte ich die Augen. Es war jedes Mal das Gleiche.
"Das Hausmädchen ist wieder zuhause!", rief meine Mutter meinem Vater zu.
Wenigstens tat ich etwas im Haushalt. Sonst würden hier schon lange irgendwelche Ratten leben.
"Schön, dass du es einrichten konntest, nach Hause zu kommen.", sagte mein Vater und kam auch in die Küche.
"Ist euch doch sowieso egal."
"Kluges Kind.", meinte meine Mutter und holte sich eine Wodkaflasche aus dem Kühlschrank.
Alter, es war 11 Uhr morgens und sie tranken jetzt bereits Wodka. Okay, was wunderte es mich überhaupt.
"Ey, geh einen Schritt zur Seite.", sagte mein Vater und schubste mich von der Schublade weg.
Die beiden zusammen in einem Raum waren noch schlimmer als einer.
"Stehst wieder im Weg rum.", sagte meine Mutter. "War ja schon immer so. Aber denk gar nicht erst dran dich hier aus dem Staub zu machen. Solange wir noch Kindergeld von dir kriegen, bleibst du noch bei uns wohnen."
Wenigstens dafür bin ich gut genug.
Mein Vater holte eine Tüte Koks aus der Schublade.
"Was glotzt du so?"
Ich schüttelte nur den Kopf und wollte mir gerade eine Schüssel aus dem Schrank holen, als mein Vater mich stark schubste. Dadurch verlor ich das Gleichgewicht und fiel auf den harten Boden. Sofort spürte ich einen starken Schmerz in meinem Rücken.
"Schau ihn dir an.", lachte mein Vater. "Nicht mal so einen leichten Schubs hältst du aus."
Auch meine Mutter fing an zu Lachen.
"Hätte ich eher gewusst, dass du so eine Lusche wirst, hätte ich dich abtreiben lassen."
"Wenn du nicht den ganzen Tag Schwänze lutschen würdest und ein richtiger Mann wärst, könntest du dich auch wehren."
Ich wollte wieder aufstehen, doch mein Vater gab mir einen Tritt, sodass ich erneut das Gleichgewicht verlor und wieder hinfiel. Es war eine dumme Idee Morgens hier aufzutauchen. Wenn Mom und Dad noch keinen Alkohol oder ihre Drogen eingenommen hatten, waren sie unerträglich. Noch schlimmer als sowieso schon.
"Wehr dich doch mal!", schrie meine Mutter mich an. "Hast doch sonst auch immer so ne große Klappe."
"War ja klar, dass er das wieder nicht gebacken kriegt.", lachte mein Vater und meine Mutter stimmte mit ein.
Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen. Ich zog meine Beine schützend an mich ran und schaute vorsichtig zu ihnen hoch.
"Scheiß Schwuchtel! Hättest dich damals man umgebracht. Aber das kriegt er ja auch nicht geschissen.", sagte mein Vater.
"Er wird niemals was geschissen kriegen.", bestätigte meine Mutter ihn.
"Du und dein ekelhaftes Gesindel solltet die Todesstrafe kriegen! Wie peinlich ist das, wenn ich jemanden erzählen müsste, dass du mein Sohn bist."
Mein Vater spuckte auf mich und es traf meine Hose. Das widerte mich einfach nur an. Schnell stand ich auf und rannte an ihnen vorbei ins Bad. Ich war so durch den Wind, dass ich ganz vergaß die Tür abzuschließen. Aber meine Eltern, würden mir nicht ins Bad folgen. Hoffte ich zumindest. Ich zog mir meine Klamotten aus und fühlte mich total dreckig. Sofort sprang ich unter die Dusche und drehte das Wasser wärmer.
Und wärmer.
Und wärmer....
Und noch wärmer.
Meine Haut wurde feuerrot und ich sah wie sich kleine Bläschen auf meiner Haut bildeten, doch ich spürte den Schmerz nicht."Nichtsnutz!"
"Schwuchtel!"
"Wehr dich doch mal!"
"Hättest dich damals man umgebracht!"
"Bring dich um!"
"Niemand will dich!"Ich zog mir neue Klamotten an und schaute in den Spiegel.
Ich bin besser ohne diese Welt dran.
Die Welt ist besser ohne mich dran.
Ich kann das nicht mehr.
Ich will das nicht mehr.Und dann tropfte langsam das Blut auf den Boden...
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Together we're strong
FanfictionSie lernten sich in einem Camp für schwer erziehbare Jugendliche kennen. Schnell merkten sie, dass sie eines gemeinsamen haben: Sie beide haben eine kaputte Familie. Zurück in der Heimat versuchen sie zusammen die schwere Zeit durchzustehen. Doch d...