Weil wir eine Familie sind

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Mik

"Mach die scheiß Tür auf! Du hast so eine große Fresse, aber nichts dahinter! Los! Trau dich!"
Mein Dad klopfte hart gegen die Tür. Er würde sie einbrechen, wenn ich sie nicht bald öffnen würde. Zitternd hielt ich die leere Tablettenpackung in der Hand. Ich setzte mich an den Bettrand und wartete ab. Ich hatte jetzt eine ganze Packung voller Schlaftabletten genommen und hoffte, dass ich dadurch sterben werde.
"Mik, du undankbares Stück!", schrie meine Mutter. "Jetzt öffne endlich diese verdammte Tür!"
Ich schloss die Augen und versuchte die Stimmen auszublenden. Doch plötzlich gab es ein lautes Krachen. Ich öffnete langsam wieder die Augen und sofort wurde mir schwindelig.
Mein Vater fing an zu Lachen als er mich sah. "Schau ihn dir an? Was ist los bei dir? Du siehst jämmerlich aus."
"Sieht so aus als wollte da jemand sein Leben beenden.", meinte meine Mutter und hob die leere Packung auf. "Wie kann man so undankbar sein?! Willst du uns etwa auch noch in die Scheiße reiten! Wenn sie dich tot finden, wird noch herauskommen, dass wir unserer Fürsorgepflicht nicht nachgehen. Und dann? Weist du was dann passiert?! Wir werden zahlen müssen. Wegen dir!"
"Ich ruf einen Rettungswagen.", sagte mein Vater genervt und ging aus dem Zimmer. 
Ich hoffte nur, dass ich bis dahin tot bin.
"Wenn du auch nur ein Wort im Krankenhaus sagst, dann bist du dran.", drohte meine Mutter mir.

Ich wachte mit pochendem Herzen auf und war sofort hellwach. Diese beschissene Träume mussten endlich aufhören. Ich setzte mich aufrichtig hin und schaute zu Kostas. Er schlief noch wie ein kleines Baby.  Ich grinste in mich hinein, holte aus meiner Jackentasche meine Zigarettenschachtel und ging vor die Tür. Es war draußen bereits viel wärmer als drinnen. Dabei war es erst 10 Uhr. Ich fragte mich was meine Eltern gerade machten. Sie haben sich nicht einmal gemeldet, seit ich im Krankenhaus war. Aber das wunderte mich nicht wirklich. Es interessierte sie sowieso nicht. 
Plötzlich umarmten mich zwei starke Arme von hinten.
"Du bist ja schon wach.", sagte Kostas und gab mir einen Kuss in den Nacken.
"Ja, ich hatte einen scheiß Traum."
"Immer noch?"
Ich nickte nur.
"Willst du darüber reden?"
"Lieber nicht. Willst du eine?", fragte ich und hielt ihm die Schachtel hin.
Kostas nahm sich eine Zigarette und lehnte sich neben mich an die Hauswand.

(...)

Kostas

Der Tag verging wie im Flug. Mik und ich verbrachten ihn den ganzen Tag zusammen und beschlossen Abends ein paar Leute einzuladen und den Abend im Freien zu verbringen. Mit einem Lagerfeuer. Schließlich war es schon den ganzen Tag total warm und das änderte sich auch nicht, als die Sonne langsam unterging.
"Haben wir genug Alkohol?", fragte Mary, welche die letzte Kiste Bier in den Hintergarten schleppte. "Ich brauch heute so viel es geht."
"Warum das?", fragte ich.
"Arbeit. Frag nicht."
"Na, ich will aber mehr von deinen Storys hören.", sagte Beni, welcher sich neben Mary auf einen Stuhl setzte.
"Sicher?"
"Klar, sag an.", meinte Beni und öffnete Mary ein Bier.
Ich setzte mich mit Mik gegenüber von ihnen hin. Doch bevor Mary anfangen konnte, kamen Thea, Christian, Jace und Joey zu uns.
"Moin, Beni. Was machst du denn hier?", fragte Christian Beni und schlug bei ihm ein.
"Ja du, weißt ja wohl wie das dann so ist. Ich lag gemütlich aufm Sofa und plötzlich ruft Mik mich an und bestellt mich hierher. Ich hätte mir fast einen Bandscheibenvorfall geholt, weil ich vor Schreck vom Sofa gefallen bin."
"Ich geb dir gleich Bandscheibenvorfall.", antwortete Mik ihm.
"Also, Mary? Was hast erlebt.", fragte Beni erneut.
"Wir hatten einen Patienten, der war total lieb und war richtig geduldig. Auch etwas verpeilt, aber das ist ja erstmal nichts ungewöhnliches bei älteren Leuten. Auf jeden Fall hatte er einen Blutdruck von 220/130. Also, viel zu hoch. Demnach durfte er auch nicht aufstehen und hat eine Urinflasche ans Bett bekommen. Ich wollte ihn dann irgendwann auf Station bringen und er meinte zu mir, dass er nicht weiß ob er die Urinflasche richtig benutzt hat. Und bevor ich mich fragen konnte was er damit meinte, hab ich schon gesehen, dass der ganze Boden nass war und nichts in der Urinflasche war."
"Musstest du das dann sauber machen?", fragte Beni.
"Ja, wer denn sonst?", gab Mary ein wenig belustigt als Gegenfrage zurück.
"Heilige Scheiße. Du Arme."
Mary zuckte mit den Schultern. "Gibt schlimmeres."
Mary erzählte noch ein paar Storys von ihrem Tag und wir hörten ihr alle gespannt zu, bis mein Handy vibrierte. Ich wollte nur kurz gucken wer das war und es dann wieder zurücklegen um Mary weiter zuzuhören. Doch als ich sah wer mir diese Nachricht schrieb, war meine Aufmerksamkeit nur noch auf mein Handy gerichtet. Sie war von Casper.

Casper: Können wir uns treffen?

Ich schaute auf die Uhr. Es war jetzt 21 Uhr. Warum wollte er sich heute noch treffen?

Kostas: Ja, okay. Was gibt es denn?
 Casper: Ich will es lieber mit dir unter vier Augen besprechen.
Kostas: Komm zum Haus und schreib mir, wenn du da bist.
Casper: Okay.

"Alles okay?", fragte Mik und holte mich so aus meinen Gedanken.
"Ja, alles gut. War nur Casper."
"Hat er was herausgefunden?"
Ich zuckte mit den Schultern und schaute auf den dunklen Bildschirm meines Handys.
"Vermutlich."
Bis Casper da ist, versuchte ich mich irgendwie abzulenken und nicht zu sehr über seine Nachricht nachzudenken. Außerdem hoffte ich, dass es keine Falle war. Ich denke nicht, dass Casper uns jetzt noch eine Falle stellen würde. Doch meinem Dad würde ich alles zutrauen und wenn er herausgefunden hat, dass Casper uns alles erzählt hat...
Ich will gar nicht wissen, was dann passiert.
Keine halbe Stunde später schrieb er mir, dass er da war.
"Bin gleich wieder da.", sagte ich zu Mik.
"Soll ich mitkommen?"
Ja, dann würde ich mich definitiv sicherer fühlen. 
"Nein, ist schon okay."
Casper wollte mit mir alleine reden und das respektiere ich. Vielleicht will er mir ja auch etwas erzählen, was ihn persönlich betrifft. Von dem er nicht will, dass es jemand Anderes erfährt.
Casper stand vor seinem Auto und kam auf mich zu, als er mich sah.
"Hey.", begrüßte er mich.
"Hi, was gibt es?"
Er seufzte. "Ich hab heute mit deinem Vater gesprochen.... Er war echt wütend, weil er den Verdacht hat, dass Mik und du sich wieder vertragen haben. Ich habe ihm gesagt, dass ihr zusammen seid. Sei mir nicht böse, ich musste es tun, damit er keinen Verdacht hegt. Naja, auf jeden Fall hat er mir Geld in die Hand gedrückt und meinte, dass ich damit einen Plan schmieden soll, den Rest dürfte ich behalten."
"Wie viel?", fragte ich ihn.
Casper biss sich auf die Lippen und schaute auf den Boden. Es war ihm sichtlich unangenehm darüber zu reden.
"1.500€."
Ich schaute ihn mit großen Augen an.
"Ich habe ihn gefragt wo er eigentlich das ganze Geld her hat. Da wurde er total ernst und meinte, dass er mir das erzählt, aber nur weil er mir vertraut. Im Knast hat er wohl jemanden kennengelernt, der ganz groß in der Drogenszene hier ist. Doch der muss wohl noch mehrere Jahre im Knast sitzen und hat Angst, dass sein Geschäft kaputt geht. Er hat mit deinem Dad einen Deal abgeschlossen. Wenn er die Drogen weiter verkauft, darf er die Hälfte vom Verdienst behalten, die andere Hälfte geht an ihn."
Ich konnte nicht glauben was Casper mir da erzählte. Mein Vater war ein verfickter Drogendealer.
"Scheiße Casper.... Das ist ganz übel..."
"Ja, ich weiß. Aber ich hab keine Ahnung wo er die Drogen lagert und wer noch mit ihm unter einer Decke steckt."
"Egal, das macht nichts. Du sagtest, dass der Typ im Knast ganz groß in der Drogenszene hier ist?"
"Ja, genau. Aber er hat mir seinen Namen nicht verraten."
"Das muss er auch nicht. Wenn ich der Polizei nur erzähle, dass mein Dad für einen großen Drogenboss arbeitet, der im Knast sitzt, kann die Polizei damit bestimmt irgendwas anfangen. Ich danke dir, Casper. Wirklich."
"Nein, Kostas. Ich muss dir danken. Dass du mir zuhörst und mir glaubst. Warum vertraust du mir, nach allem was geschehen ist?"
Ich musste leicht lächeln.
"Weil wir eine Familie sind."

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