Der Abschied

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Kostas

Die restlichen vier Tage vergingen schleppend. Es ist nichts spannendes passiert. Abgesehen davon, dass wir uns ab und an rausgeschlichen haben um zu rauchen oder etwas zu trinken. Am letzten Tag sind wir alle noch nachts an den See gegangen. Mik, Christian und Beni wussten genau wie man sich rausschlich ohne erwischt zu werden.
Und nun saßen wir hier, am Lagerfeuer. Jedoch dieses Mal mitten am Tag. Ralf redete nochmal über alles, was in den letzten Wochen passiert ist, doch nur die wenigstens hörten ihm zu. So wie immer. Jedoch merkte ich, dass es dieses mal ruhiger war im Vergleich zu dem ersten Lagerfeuer. Anscheinend hatte dieses Camp für viele Leute doch etwas gebracht. Klar haben viele versucht sich wegzuschleichen oder sowas. Doch sie wurden meistens erwischt. Vermutlich hätte auch ich mich mehr verändert, wenn ich nicht mit Mik abgehangen hätte. Aber ich wollte mich gar nicht ändern. Mir gefällt mein Leben so wie es ist. Doch ich hatte hier auch etwas gelernt. Unzwar, dass ich froh sein konnte, eine fürsorgliche Mutter zu haben. Eine, die sich um mich kümmert und mich nicht links liegen lässt.
"Wie ich sehe, sind die ersten Taxen schon da.", sagte Ralf. "Zum Abschluss will ich nur nochmal sagen, dass ich mich sehr gefreut habe euch kennenzulernen und dass ich euch hoffentlich nicht erneut hier wieder sehen muss." Bei dem letzten Abschnitt vom Satz schaute er Christian, Beni und Mik eindringlich an, weswegen wir alle ein wenig Lachen mussten. 
"Und tut mir einen Gefallen. Denkt auf der Rückreise nochmal über euren Aufenthalt hier nach. Und dann denkt ihr nochmal daran wie ihr mit euren Mitmenschen und eurer Familie umgehen wollt. So, aber damit verabschiede ich mich jetzt auch von euch. Und wünsche euch eine schöne Heimreise."
"Na endlich.", stöhnte Christian und stand auf. 
"Ich dachte der hört nie auf zu Labern.", sagte Mik, nahm meine Hand und zog mich mit nach vorne.
"Ralf!", rief Christian. "Bis nächstes Jahr!"
"Du bist so ein Spinner.", lachte Mik und gab ihm einen Schlag gegen den Hinterkopf.
"Leute!" Beni kam von hinten an und legte einen Arm um Christian und Mik, sodass er zwischen ihnen herlief. 
"Beni, du bist ja auch noch da.", meinte Christian.
"Ja, Mik hat mich angerufen und meinte, dass ich auch nach vorne kommen soll."
"Kannst du mal aufhören? Ich hab dich noch nicht einmal angerufen."
"Mein Taxi ist da. Also, wir sehen uns bald wieder. Kostas, in ein paar Wochen oder Monaten sind wir Nachbarn, dann bring ich dir mal einen Kuchen vorbei.", sagte Beni.
"Ich weiß nicht, ob ich von dir einen Kuchen haben will.", lachte ich.
Wir kamen vor dem Haus an, wo ich vor ein paar Wochen auch schon stand und Max kennengelernt habe. Ich sah bis jetzt nur ein paar Taxen, meine Mutter war noch nicht dabei. 
"Also, wir hören voneinander. Und Christian, du musst auch nach Potsdam kommen, sobald ich da wohne.", sagte Beni.
"Mach ich."
Beni verabschiedete sich von uns und setzte sich in eines der Taxen.
"Fick die Hölle.", seufzte Christian und schaute geradeaus. Ich folgte seinem Blick und sah, dass er auf einen schwarzen Range Rover schaute in dem eine junge Frau drin saß.
"Von allen Leuten der Welt holt mich meine Schwester ab. Jungs, kann ich bei euch mitfahren? Ich kriege gleich eine Moralpredigt gehalten darüber wie undankbar ich bin und dass ich mich ändern muss."
"Kopfhörer rein und ab und an mal nicken. Dann denkt sie, dass zuhörst.", schlug Mik ihm vor.
"Wenn ihr nichts von mir hört, bin ich während der Fahrt aus dem Auto gesprungen. Also ihr beiden Turteltauben. Wir hören voneinander. Ich komm mal nach Potsdam, wenn es mir zuhause zu viel wird."
Somit verabschiedete sich auch Christian von uns.
"Eigentlich waren es echt nice Wochen.", meinte Mik.
"Du meinst abgesehen von dem Arbeiten? Das stimmt."
"Hey, mein Taxi ist da. Wünsch mir Glück mit meinen Eltern."
"Mik, wenn was ist dann ruf mich an. Egal wann, egal wie spät. Du kommst dann sofort zu mir, verstanden?"
Mik lächelte leicht.
"Verstanden."
Er legte zwei Finger unter mein Kinn und gab mir einen leichten Kuss. Dann eine letzte Umarmung. 
"Pass auf dich auf.", flüsterte ich ihm zu.
"Du auch auf dich."
Er löste sich aus der Umarmung und ging zum Taxi. Doch bevor er einstieg, drehte er sich nochmal zu mir um und zwinkerte mir zu.
"Hey, Kostas."
Max stand plötzlich neben mir. "Ich wollte mich nochmal von dir verabschieden. Warst echt ein cooler Mitbewohner. Ich glaube, mit den anderen Leuten hätte ich es nicht so locker gehabt."
"Kann ich nur zurückgeben."
"Ist deine Taxi schon da?"
Ich schaute mich nochmal um und sah, dass meine Mutter gerade auf die Auffahrt fuhr.
"Ja, meine Mom ist da. Wir sehen uns Max. Und geh wieder zur Schule."
"Keine Sorge. Dieses Mal werde ich es tun.", lachte er und verabschiedete sich von mir.
Ich schmiss meinen Koffer in den Kofferraum und stieg nach vorne zu meiner Mutter ein.
"Hey.", begrüßte ich sie.
"Hallo mein Schatz. Wie geht es dir?"
"Gut."
Es war irgendwie komisch wieder mit ihr in einem Auto zu sitzen. Es fühlte sich irgendwie fremd an, obwohl sie meine Mutter war. 
"Wie war es?"
"Naja... Hab ein paar coole Leute kennengelernt."
Meine Mutter nickte und konzentrierte sich auf die Straße. Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. Diese Stille kannte ich bereits.
"Mom? Es... es tut mir leid. Ich hab mich scheiße verhalten dir gegenüber."
Ich spürte wie sie eine Hand auf meinen Oberschenkel legte. Eine Gänsehaut durchfuhr mich. Doch es war ein gutes Gefühl. Ich hatte bereits vergessen, wann ich zuletzt so etwas für meine Mutter gespürt hatte. 
"Es ist okay, Kostas. Ich bin froh, dass du etwas aus dem Camp mitgenommen hast."
Ich sollte ihr jetzt sagen, dass ich Mik kennengelernt habe. Jetzt war ein guter Zeitpunkt. Ich konnte wirklich nicht einschätzen was meine Mutter dazu sagen würde. Doch sie konnte mich ja schlecht in diesem Kaff aussetzen. 
"Mom, ich hab im Camp ein paar Leute kennengelernt."
"Ein paar Freunde?"
"Ja auch... Einen Jungen... Er heißt Mik."
"Okay. Wo kommt er weg?"
"Mom, ich steh auf Jungs."
Wieder wurde es still. Unangenehm still. Ich schluckte schwer. War es falsch es ihr zu sagen?
"Er heißt Mik?", fragte meine Mutter.
"Ja..."
Zögernd schaute ich zu meiner Mutter, welche immer noch auf die Straße schaute. Ein kleines Lächeln durchzog ihre Lippen.
"Schatz, das freut mich für dich. Mir ist es egal, auf wen oder was du stehst, solange ihr zusammen glücklich seid. Erzähl mir doch ein wenig über ihn."
Erleichtert atmete ich aus. Es war ihr egal. Und dafür war ich ihr unendlich dankbar.

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