Manchmal muss man Opfer bringen

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Mik

Wir hatten ziemlich früh Schluss gemacht heute Nacht. Um 3 Uhr war ich tatsächlich schon wieder zuhause. Also, für unsere Verhältnisse war das früh. Kostas wollte nach Hause, weil er etwas über seinen Vater herausgefunden hatte, was er mir später erzählen wollte. Und da ich irgendwie nicht alleine im Haus übernachten wollte und wir auch kein Essen mehr dort hatten, ging auch ich nach Hause. 
Erst am Morgen bemerkte ich, dass wir einen Brief bekommen hatten, der mir heute Nacht gar nicht aufgefallen war. Es stand zwar der Name meines Vaters drauf, doch da er den Brief sowieso nie öffnen würde, tat ich dieses.
Es war eine Mahnung. Erneut hatten meine Eltern die Miete nicht bezahlt. Ich lief langsam in die Küche und traf dort auf meinen Vater. Es war das erste Mal, dass ich ihn wieder sah nach dem... Vorfall.

"Ein Nichts bist du! Schau dich an! Du hast noch nichts in deinem Leben geschafft!"

"Dad?", sagte ich leise und kleinlaut.
"Was?"
"Post für dich."
Er drehte sich zu mir um und riss mir den Brief aus der Hand.
"Interessiert mich nicht.", sagte er nur und warf den Brief zur Seite.
Dann musterte er mich von oben bis unten.
"Warst ja lange weg.", meinte er.
Ja, danke. Mir geht es soweit ganz gut. Es geht langsam wieder bergauf. Schön, dass du dir solche Sorgen gemacht hast.
"Mhm.", antwortete ich nur und verschwand in meinem Zimmer. 
Ich war jetzt wirklich nicht in der Stimmung mich mit ihm zu streiten. Ich war irgendwie müde und wartete auch nur auf eine Nachricht von Kostas damit er mir endlich erzählt, was er und Casper gestern besprochen hatten.
Und als könnte er meine Gedanken lesen, bekam ich einen Anruf von ihm.

Mik: "Hey."
Kostas: "Na, wie geht es dir?"
Mik: "Ganz gut soweit. Wie sieht es bei dir aus?"
Kostas: "Ja, auch. Sorry, dass ich dir gestern nicht mehr erzählt hab, was Sache war. Aber ich musste das irgendwie selbst erstmal verarbeiten."
Mik: "Alles gut. Macht ja nichts."
Kostas: "Meine Eltern wissen nicht, dass ich bereits zuhause bin. Sie gehen wahrscheinlich davon aus, dass ich bei dir oder jemand Anderem schlafe. Deswegen muss ich etwas leiser reden. Sie sollen nicht mitkriegen, dass ich wieder da bin."
Mik: "Warum? Was ist los?"
Kostas: "Pass auf..."

Ich unterbrach Kostas kein einziges Mal. Er erzählte mir alles, was Casper ihm gestern erzählt hatte. Dabei merkte ich gar nicht, dass mir irgendwann der Mund offen stand. Kostas Vater war ein Drogendealer? Heilige Scheiße.

Kostas: "...deswegen sollen meine Eltern nicht wissen, dass ich da bin. Wenn sie nachher Beide weg sind, durchsuche ich das ganze Haus nach einem Beweis. Irgendwo werde ich wohl was finden und dann-"

Kostas unterbrach sich selbst und ich hörte bei ihm im Hintergrund irgendein lautes Geräusch.

Mik: "Was war das?"

Kostas antwortete mir nicht. Ich hörte im Hintergrund eine laute Stimme, dann ein.... Schreien?

Mik: "Kostas?"
Kostas: "Fuck... Mein Vater..."

Das war das Letzte was ich von ihm hörte, danach legte Kostas einfach auf.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Keine Ahnung was da los war, aber ich hatte das Gefühl, dass Kostas in Gefahr war.

Kostas

Ein lauter Knall ließ mich verstummen. Was zum Teufel war das? Hat jemand die Tür zugeknallt? Oder ist irgendwas umgekippt?
"DU DUMMES MISSTSTÜCK!"
Das mein Vater. Dann hörte ich ein Schrei von meiner Mutter.

Mik: "Kostas?"
Kostas: "Fuck... Mein Vater..."

Ich legte sofort auf und lief zu meiner Zimmertür um diese zu öffnen. Nein, Kostas. Du musst jetzt klar denken. Sie wissen nicht, dass du hier bist, benutze das zu deinem Vorteil.
Meine Hände zitterten und ich griff erneut zu meinem Telefon. Ich brauchte Hilfe.
Jetzt.
"SCHAU DIR DAS AN!" Ein lautes Klatschen ertönte. 
Ich musste mein Handy mit beiden Händen ans Ohr halten, damit es mir nicht runterfiel. Da ich so doll zitterte. Tränen stiegen mir in die Augen. Am anderen Ende ging nur die Mailbox ran. Nein, lass mich jetzt nicht alleine. Ich weiß nicht was ich tun soll. Da ich so unter Strom stand, dachte ich nicht daran die Polizei zu rufen.
Ich versuchte es noch ein zweites Mal.
Und ein drittes Mal.

Oma: "Guten Morgen, Liebling. Was für eine seltene-"
Kostas: "Oma.... Dad rastet gerade aus."

"ICH HASSE DICH!"

Oma: "Kostas... rufe die Polizei."

Die Stimme meiner Oma klangen seelenruhig. Gott sei Dank. Irgendwie half mir das ein wenig. Trotzdem konnte ich nicht klar denken

Kostas: "Ich.... Mom..."
Kostas: "Okay, Schatz, ganz ruhig. Ich rufe jetzt die Polizei. Bleib in deinem Zimmer, okay?"
Oma: "J-ja..."

Meine Oma legte auf. Ich konnte nicht richtig atmen, mein ganzer Körper zitterte und ich verkrampfte mich total. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Denk nach Kostas, denk nach. Du musst es irgendwie zum Vorteil nutzen, dass sie nicht wissen, dass du da bist. Ich sollte auf Oma hören, ich muss einfach in meinem Zimmer bleiben und warten. Das wäre das Sicherste.
Das Sicherste für mich.
Aber nicht für meine Mutter.
Ich öffnete leise die Tür und schlich in den Flur.
"WEGEN DIR IST MEIN SOHN EINE SCHWUCHTEL! WAS HAB ICH DIR GESAGT? WAS HABE ICH DIR GESAGT?!"
Meine Mutter antwortete ihm nicht.
"HM? ICH HAB DIR GESAGT, DASS ER KEINEN KONTAKT MIT DIESEM TYPEN HABEN SOLL. UND DU SOLLST ES HINKRIEGEN, DASS ER MIR VERTRAUT. DAS IST ALLES DEINE SCHULD. ALLES!"
Ich zitterte weiter, traute mich aber aus irgendeinem Grund nicht nach unten. Ich hörte einen erneuten Schlag, dann hörte ich wie meine Mutter weinte.
"W-was tust du...? B-bitte nicht...."
"ICH WERDE DICH UMBRINGEN! DU STÜCK SCHEIßE!"

"Er hat Waffen, verdammte Scheiße! Er hätte sie benutzt, wenn wir ihm nicht gehorcht hätten."

Okay, das reichte mir. Ich spürte die Gefahr die von meinem Vater ausging. Sofort rannte ich die Treppen runter, weiter in die Küche in welcher meine Mutter zusammengekauert auf dem Boden saß. Mein Dad über ihr. Er hielt eine Waffe in der Hand und zielte auf meine Mutter. Ich stand so unter Adrenalin, dass ich nicht darüber nachdachte was ich gerade tat. Ich packte meinen Vater von hinten am Pullover und zog ihn von meiner Mutter weg.
"Geh weg von ihr!", schrie ich ihn an.
Er drehte sich zu mir um, hatte immer noch die Waffe in der Hand und in seinen Augen sah ich, dass er nicht davor zurückschreckte diese zu benutzen. Er war so wütend, dass er nicht klar denken konnte. Ich gab ihm einen Tritt in den Magen und nutze die Chance während er zurücktaumelte um ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen.
"Du kleiner.... Na warte!"
"Kostas...", sagte meine Mutter. "Bring dich in Sicherheit. Los."
Meine Mutter hatte Recht. Ich musste hier weg. Er würde die Waffe benutzen. Gegen mich. Gegen sie. Das war ihm egal. Ich rannte los, wieder nach oben in mein Zimmer. Keine Ahnung warum ich ausgerechnet dort hinrannte. Vielleicht weil ich mich da am Sichersten fühlte? Ich schloss die Tür ab und hielt die Türklinke hoch. Nur zur Sicherheit.
"Mach die Tür auf!", schrie er. "Du hast doch sonst immer so eine große Klappe! Na los!"
Er hämmerte gegen die Tür. Ich schloss die Augen und hoffte einfach, dass er es nicht schaffte die Tür einzutreten.
"Schön. Dann hast du Schuld daran, dass deine Mutter jetzt stirbt!"
Ich hörte wie seine Schritte sich wieder entfernten. Nein, scheiße. Was sollte ich jetzt tun? Ich musste handeln.
Er bringt sie um.
Er bringt mich um.
 So oder so, würde jetzt jemand sterben.

Und das wird nicht meine Mom sein.



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