Das Kapitel von kleinen Opfern, die man bringen muss

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"Sollen wir was mitbringen am Samstag?" fragte Max mich.

Wir standen an dem kleinen Ahorn auf dem Schulhof. Nick, Daniel und Lucas waren ebenfalls da und natürlich war Joanne an meiner Seite.

"Was ihr trinken wollt bringt ihr am besten mit und was ihr gegrillt haben wollt." meinte ich nachdenklich. "Und am besten gute Laune."

Mit dem Grinsen eines kleinen Jungens bestätigte der Riese: "Die ist immer mit an Board."

"Dann seid ihr gut ausgestattet. Ach und Volleyballtaugliche Kleidung."

"Ohne Scheiß, ich hab richtig Bock auf so'n Abend. Bisschen Volleyball, Mucke, Grillen." sagte Nick. "Danke für die Einladung, echt."

"Kein Thema! Freut mich, dass ihr Bock habt." entgegnete ich fröhlich. "So, nun werd ich mal noch die Ladies fragen, ob die auch mit dabei sind."

Dafür erntete ich erstaunte Blicke von den Jungs.
Lucas war es, der fragte: "Hasst ihr euch nicht eigentlich?"

"Hassen? Nein. Ich hab nur eine Abneigung gegen ihre Hochnäsigkeit, der Rest geht von ihr aus."

Und damit ließen Joanne und ich die Jungs stehen und begaben uns auf den Weg zu den Scheußlichkeiten.
Wir brauchten nicht einmal lange nach ihnen suchen... Zoë, Linda, Denise und Jenny stachen überall hervor - ob sie wollten oder nicht. Man musste davon ausgehen, dass sie es so wollten, zumindest mühten sie sich dafür ziemlich ab. Manche Menschen waren wohl einfach so. Es gab Leute, die dachten, dass die Sonne um sie kreist und dazu gehörten diese vier Individuen ganz eindeutig.
"Hey," grüßte ich in die Runde und erntete dafür befremdliche Blicke.
Unangenehm... "Bevor ihr mich irgendwie mit euren Blicken tötet: wir veranstalten am Samstag einen Grillabend in Schweich und wollen Volleyball spielen. Falls ihr Laune habt könnt ihr euch ja blicken lassen."

"Mh-hm." machte Zoë missbilligend. "Wer ist alles da?"

"Nehme an, die Kfz-Klasse und die Jungs aus unserer Klasse."

"Okay." Mehr nicht.

"Gut, dann wisst ihr Bescheid." sagte ich emotionslos. Nicht dass ich es gerne getan hätte. Am liebsten wollte ich alle vier nicht dort haben. Harpien. Ich drehte mich um und wollte gerade gehen, da richtete Zoë nochmal das Wort an mich: "Ist das ein Trick?"

"Öhm..." Ich drehte mich wieder um. "Nein? Wir spielen auf dem Volleyballplatz. Ab halb fünf. Wenn ihr nicht wollt, dann lasst es. Zwingt euch ja keiner. Dachte nur, dass es vielleicht ganz nett wäre, wenn mehr Leute da sind." So als wären wir alle menschlich und nahbar, fügte ich in Gedanken hinzu, sprach das aber natürlich nicht aus.
"Ach, und bringt euch eure Getränke am besten selbst mit und was ihr gegrillt haben wollt."

"Ich schreib dir vielleicht nochmal." meinte Zoë ein wenig unsicher, doch kurz darauf war sie zurückgekehrt zu ihrer üblichen arroganten Fassade.

"Kein Problem. So, da! Man sieht sich."

Gott, war das unangenehm... Schnell verließen wir die vier Abscheulichkeiten und gingen wieder zur üblichen Clique. In manchen Momenten wurde mir nur allzu bewusst, was für ein Glück ich mit meinen Freunden hatte. Gerade war so ein Moment als sie uns fragend ansahen.

"Ihr lebt noch." sprach Eckert das aus was wohl alle dachten.

Fast hysterisch nickte Joanne. "Jaaaaha. Da kann man schon mal klatschen."

"Neeeeeee," sagte Felix scherzhaft, "nee, lass mal! Bin da nicht so für."

Zugegeben, ich musste grinsen.
"Schön, dass ihr so umgänglich seid. Ehrlich."

Nun blickten sie mich erstaunt an, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Manchmal sollte man für die kleinen Dinge im Leben dankbar sein. Menschlichkeit war eine Kleinigkeit, aber gleichzeitig das größte und ich war froh, sie so reichlich um mich zu haben.

"Guckt nicht so, die Partygesellschaft wächst weiter!"

"Par-ty!" meinte Eva und wackelte suggestiv mit den Augenbrauen. Auch ohne dass sie kaum merklich in Martins Richtung nickte, wusste ich genau wovon die Rede war und rollte voller Ironie mit den Augen.

Martin... Seit seiner Trennung war er etwas in sich gekehrt, zwar anwesend, aber doch nicht wirklich da. Er schrieb kaum und wenn dann nur kurze Nachrichten, die meistens ein einziges Wort beinhalteten. Ich kontaktierte ihn daher eigentlich nie, weil ich ihm Luft zum Atmen lassen wollte, auch wenn mir die seelische Distanz zunehmend zusetzte. Klar, er hatte gesagt, dass er immer für mich da war - immer, nur jetzt gerade halt nicht. Ich wollte es in diesem Moment auch nicht, da ich wusste, dass er es in diesem Moment nicht konnte. Doch einer Sache war ich mir absolut gewiss: Martin würde wiederkommen sobald er bereit war.

Als ich am Nachmittag bei einer Tasse Cappuccino mal wieder über meinen Hausaufgaben brütete und Primo unumstößlich vermisste vibrierte plötzlich mein Smartphone. Eine Nachricht. Zoë hatte zwar gesagt, dass sie sich vielleicht meldet, aber sie meldete sich ausgerechnet jetzt. Lustlos öffnete ich den Text.
_Wann soll es Samstag überhaupt losgehen?

Ich antwortete:
_Ab halb fünf spielen wir. Komm, wenn es dir passt.

Kurze Zeit später:
_Wie kamst du darauf, dass ich überhaupt kommen will?

Was für Kinkerlitzchen...
_Wie gesagt, ihr müsst ja nicht. Ich lege auch keinen besonderen Wert darauf, dass ihr kommt, es war nur ein Angebot aus reiner Höflichkeit. Für den Fall, dass ihr Lust habt mal unter Leute zu kommen.

Leute die non-toxic sind...
Ich legte das Smartphone wieder weg, das hier war mir zu kindisch.
Wie zum Trotz vibrierte es nochmal.

_okay... schrieb sie.
_Aber falls das ne Verarsche ist wirst du es wirklich bereuen.

Ich rollte nur die Augen. Sweet, für leere Drohungen hab ich jetzt wirklich keine Laune...

Primo Victoria - Von Hengsten und MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt