Das Kapitel mit Freud und Leid

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>Ziel ist die Leichtigkeit und nicht das Verhindern von Explosionen.<
Monica Theodorescu

Am Sonntag war ich wirklich einmal Zuhause geblieben und hatte sowohl Primo als auch mir selbst einen freien Tag gegönnt. Ich hatte ohnehin Muskelkater gehabt...
Nun war schon wieder Montag und ich würde es schon wieder nicht in den Stall schaffen.

Joanne und ich liefen gemeinsam mit vielen anderen Schülern durch die Eingangshalle.

"Der Film war mega! Wir sollten das unbedingt wiederholen." meinte sie euphorisch. "Was machst du diesen Samstag?"

"Der Sattler kommt wegen Primo Victoria, schätze, da muss ich bei sein... Nachmittag ist wieder Volleyballtraining." erklärte ich.

Joanne sah mich an als hätte ich sie hintergangen. "Und abends?"

"Wollen wir Pizza essen gehen."

Plötzlich piekste mir jemand in die Seite. Ich hatte nicht damit gerechnet, weshalb ich auch einen erschreckten Laut von mir gab. Eva und die halbe Kfz-Klasse waren hinter uns.

"Na, fit für die Woche?" fragte die kleine Niederländerin aufgekratzt.

Ich zuckte mit den Schultern. "So mäßig. Wie war euer Wochenende?"

"Meins war awesome!" antwortete sie. "Wir sehen uns in der Pause, oder?"

"Sicher."

Dann trennten sich unsere Wege wieder. Joanne sah mich vielsagend an: sie war eifersüchtig.

"Du könntest doch Samstagabend einfach mitkommen, die Truppe ist super lieb."

"Weiß nicht." entgegnete sie, anschließend sagte sie nichts mehr, auch in der Pause verschwand sie ohne ein Wort. Seltsam...

"Wo ist deine Freundin?" fragte Felix überrascht.
Hilflos zuckte ich mit den Schultern.
Eva merkte an, dass ich sie ruhig mitbringen könnte, doch dann wechselte das Thema. Jeder berichtet von seinem Wochenende.
In der siebten und achten Stunde stand die Klassenarbeit in Rechnungswesen an, Gott wie ich dieses Fach hasste. Ich hasste es auf allen möglichen Ebenen. Es war vorallem ein extrem trockenes, langweiliges Fach...

Irgendwie war ich froh als der Schultag rum war und ich Zuhause ankam. Vom letzten Essen war sogar noch Lasagne über, was großartig war - ich hatte tierischen Hunger.

Als am Abend meine Mutter eintraf rief sie laut meinen Namen. Ich öffnete die Zimmertür um zu antworten: "Ja, Mama?"

"Komm mal runter!"

Also lief ich die Treppe hinab, nur um meine Mutter mit einem Katzenkorb in der Hand zu entdecken. Fragend sah ich sie an.

"Ich war wieder beim Tierheim," erklärte sie, "ich musste ihn einfach mitnehmen!"

Dann öffnete sie die Klappe und es stolzierte ein äußerst flauschiges, arrogant dreinblickendes Bündel Fell heraus... Eine Katze... Eine sehr langhaarige Katze.

"Findest du nicht, dass er aussieht wie Pauli? Verrückt, oder?" fragte sie.

Pauli war der Kater meiner Mutter gewesen, der vor gut zwei Jahren verstorben war, auf Grund seines hohen Alters. Meine Mutter war übrigens ein absoluter Katzenmensch.

"Ja, schon... Wie heißt er?"

"Gilbert."

Der Kater musterte mich argwöhnisch und stolzierte dann weiter im Wohnzimmer herum. Eure Majestät... Das war also mein erstes Treffen mit dem getigerten Haufen Plüsch.
Später baute ich einen Deckenhohen Kratzbaum für den wuscheligen Unterdrücker auf. Ich war übrigens nicht der größte Katzenfan, falls ich das bisher nicht erwähnt habe. Ich mochte Pferde, Hunde und Papageien. Katzen waren Tiere, deshalb mochte ich sie auch irgendwie, aber es gab andere Tiere, die ich deutlich lieber mochte. Was soll's, immerhin war meine Mutter glücklich mit unserem neuen Mitbewohner, warum also nicht.
Gilbert war bereits eine gestandene Persönlichkeit, weshalb er sich aus meinem Vater und mir zu erst nichts machte... Seinen Kratzbaum nahm er jedenfalls wohlwollend an und spähte von nun an von ganz oben über sein neues Königreich.

Am Morgen wusste ich nicht wie mir geschah, bis ich mit den Socken in etwas feuchtes trat und dann dieser Geruch... Gilbert! Blitzartig war ich wach und zu meinem Leidwesen stellte ich fest, dass der neue Mitbewohner das Katzenklo nicht gefunden hatte und somit auf dem Teppich gemacht hat. Dieses Ereignis fiel ohne Zweifel in die Kategorie "Dinge, die man am Morgen nicht erleben will". Ich seufzte tief. Ganz weit unten auf der Liste der Lieblingsgefühle... Das ging ja gut los.
Genervt tapste ich nach oben um mir frische Socken zu holen und um meine Mutter wissen zu lassen, was ihr neues Haustier angerichtet hatte. Bevor der nächste hineintrat...

Primo Victoria - Von Hengsten und MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt