Das Kapitel mit den Vorbereitungen

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Am nächsten Morgen ging ich direkt zum Wohnhaus von Familie Chapman. Es lag nicht weit vom Stallgebäude, der Traum jedes Pferdemenschens. Mr. Chapman saß gerade über einer Fachzeitschrift als ich die Terrasse betrat.

"Guten Morgen." begrüßte ich ihn freundlich.

Unverzüglich ließ er die Zeitung sinken und lächelte. "Guten Morgen, Camilla."

"Ich hab am Donnerstag Geburtstag und wollte einen Kuchen ausgeben."

"Au!" machte er überrascht. "Das ist fein!"

"Sind die Jungs alle da?"

"Jörg müsste eigentlich frei haben, aber vielleicht kommt er, wenn du ihn einlädst."

"Zumindest zum Frühstück. Ich frag ihn einfach. Danke."

Ich drehte auf den Absätzen.

"Kommt dein Großvater auch?" erkundigte sich Mr. Chapman.

"Ich kann ihn mitbringen, wenn er Zeit hat." antwortete ich freundlich.

"Ich würde mich freuen."

Ihre Freundschaft musste inzwischen wieder sehr innig sein, jetzt, da mein Großvater oft mit zum Stall kam. Man sah, dass es den beiden sehr gut tat. Mein Opa war regelrecht aufgeblüht.

Ich ging zu Primo Victoria. Da ich üblen Muskelkater hatte, setzten Jörg und ich heute das Training aus. Außerdem war er ohnehin nicht am Stall, weil er frei hatte. Schnell schrieb ich ihm eine Nachricht wegen Donnerstag. Primo sein Schnauben lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.

"Guten Morgen, mein schöner." grüßte ich ihn herzlich und drückte ihm einen Kuss auf die Nase.

Irgendwie hatte ich gute Laune. In letzter Zeit lief es einfach und einige meiner Sorgen lösten sich in Luft auf. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Erschrocken drehte ich mich um. Henning grinste mich an. "Heyho."

"Guten Morgen, Henna."

"Hast du heute schon was vor?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nur Primo reiten. Wieso?"

"Hab schon gefüttert, muss aber noch zwei Pferde abholen. Willst du mit?"

"Darf ich?" fragte ich überrascht.

"Sonst würd ich nicht fragen."

"Cool, ich komme mit."

Wie zwei Kinder saßen wir zusammen im Auto. Henning hatte den Hänger schon angehangen, jetzt reichte er mir eine Sonnenbrille.

"We're going on an adventure!" sagte er, hinter seiner Sonnenbrille sah man nur die Augenbrauen wackeln.

Bis zum ersten Pferd fuhren wir eine dreiviertel Stunde. Die Zeit verging wie im Flug - es gab immerhin viele Dinge, die ich mit Henna besprechen wollte. Neben Joanne war er sowas wie mein bester Freund.

"Und, du und Martin seid jetzt also ein Ding?" erkundigte er sich und grinste. "Wusst ich irgendwie."

"Pascal hat das auch vorhergesagt. Wieso wusstet ihr das beide?!" wollte ich wissen.

Henning überraschte mich mit dem, was er als nächstes sagte: "Große Brüder wissen sowas."

Sprachlos blickte ich nun durch die Windschutzscheibe. Die Landschaft zog vorbei als ich verlegen lächelte und mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

"Was wünscht du dir zum Geburtstag?" wechselte er nun das Thema. "Ich weiß, 'nichts', aber das akzeptiere ich nicht."

"Ich hab nur teure Wünsche für Primo und für die Turniere..."

"Und?"

"Das kann ich von niemanden verlangen. Außerdem warst du schon genug für mich da."

"Ich verdiene mein eigenes Geld, Millie Vanilly." warf er ein.

"Und?" ahmte ich ihn nach.

Ein Seitenblick von ihm genügte.

"Fein," gab ich nach, "ich hab verschiedene Sachen auf der Liste."

"Hau raus."

"Primo braucht eine Trense und eine Kandarre, außerdem brauche ich noch ein neues Jacket und eine Reitkappe. Die Turnierschabracke für die Dressur konnte ich schon runterstreichen, aber ich könnte noch eine Ersatzschabracke für den Springsattel brauchen."

"Warum nicht gleich so..." seufzte er. "Wegen einer Trense hättest du übrigens nur fragen brauchen, hab 'ne Menge Zuhause rumliegen. Von Turnieren und so. Kannst dir einfach eine aussuchen."

"Echt jetzt?"

"Klar."

Es war leicht bewölkt als der Wagen mit dem Anhänger zum Stehen kamen und wir ausstiegen. Ich fand mich an einem sehr unordentlichen Hof wieder. Überall lag etwas herum, die Paddocks waren mit seltsamen, teilweise zerrissenen Kunstrasen ausgelegt und die Boxen ließen jegliches Einstreu vermissen. Wo sind wir hier gelandet? Verwundert folgte ich Henna, der schon das Handy am Ohr hatte.

"Ja, hallo. Wir wären jetzt da."

Nach einem kurzen Gespräch legte er auf. Ich sah mich um, überall waren vereinzelte Offenställe mit Paddocks eingebaut, jedoch schien die Aufteilung völlig willkürlich gewählt oder bestenfalls einem Labyrinth nachempfunden zu sein. Die Pferde, die ich sah, taten mir Leid - katastrophale Rückenlinien reihten sich an schlechte Futterzustände und andere Katastrophen. Mir graute es vor dem, was uns erwartete. Allerdings sollte ich überrascht werden: um die Ecke kam ein untersetzter Mann, der einen großen, wohlgenährten Schimmel führte. Er kam genau auf uns zu. Der Schimmel wirkte ein wenig nervös und verwirrt. Henning begrüßte den dunkelhaarigen Mann, der mit seinem Blaumann ehr wie ein Tankstellenwart oder höchstens wie ein Schlosser aussah.

Nachdem ich das Pferd entgegengenommen und wir verladen hatten fuhren wir weiter. Ich war wirklich froh, diesen seltsamen Hof wieder verlassen zu können. Als wir beide saßen reichte Henning mir den Pass von dem Wallach, da er offenbar meine Neugierde bemerkte. Ich blätterte das rote Dokument durch. Sir Daveron. Deutsches Sportpferd. Dem Pass lag ein Foto bei. Als Fohlen war er offenbar ein Dunkelfuchs mit einer schmalen Blesse gewesen. Kaum zu glauben.

Das nächste Pferd war eine kleine, schwarzbraune Stute. Sie kam zumindest aus besseren Verhältnissen. Wir griffen sie bei ihrem Züchter auf. Wie wir erfuhren war sie "über". Ein komisches Wort im Zusammenhang mit Pferden und Zucht. Dann züchtete man halt weniger. Doch wenigstens ging es ihr gut, sie sah fein aus. Wenigstens das.

Ich war froh als wir wieder am Gestüt waren und ich endlich zu Primo gehen konnte. Es waren mehrere Stunden ins Land gezogen. Doch noch während ich sattelte kam Thomas zu mir.

"Du kannst mir später nicht zufällig noch helfen?" erkundigte sich mein zukünftiger Ausbilder.

Ich schlug Primo die Zügel über den Hals.
"Wobei denn?"

"Die Sattelkammer müsste noch aufgeräumt werden bevor Charlotte mit den den Mädchen kommt und ich hab noch einiges zu tun." erklärte Thomas.

"Oh, achso. Ja, kann ich machen."

"Danke dir!" Gerade wollte er gehen.

"Warte!" rief ich ihm hinterher. "Donnerstag hab ich Geburtstag, ich bringe Kuchen mit. Wäre schön, wenn du auch da wärst."

Jetzt musste der Ältere schmunzeln.
"Klar, bin da."

"Sehr gut."

Ich stieg auf und ritt mit Primo zum Springplatz um zu trainieren.

Primo Victoria - Von Hengsten und MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt